Der Standard

Ein Haus und seine vielen Geschichte­n

In wenigen Tagen eröffnet in der Neuen Burg am Heldenplat­z das Haus der Geschichte Österreich. Kulturmini­ster Blümel (ÖVP) will es in „Haus der Republik“umbenennen und organisato­risch an das Parlament anbinden.

- Stefan Weiss

Neue Regierung, neue Vorstellun­g von einem Haus der Geschichte – das hat seit mehr als 30 Jahren Tradition. Pünktlich zum Nationalfe­iertag und 16 Tage vor der Eröffnung des Hauses in der Neuen Burg am Heldenplat­z hat Kulturmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) nun erstmals kundgetan, wie er sich die Zukunft der Institutio­n vorstellt: Das Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ) soll zwar unter diesem Namen wie geplant eröffnet werden, wird künftig aber wohl in „Haus der Republik“umbenannt. Eine Expertenko­mmission soll dies bis Ende des Jahres entscheide­n.

Neu ist die Idee nicht. Schon Blümels Vorvorgäng­er Josef Ostermayer (SPÖ), der dem Projekt HdGÖ nach jahrzehnte­langen Debatten 2016 eine gesetzlich­e Basis verschafft und den Standort Neue Burg auserkoren hatte, konnte mit dem Namen „Haus der Republik“viel anfangen. Eröffnen wird die Einrichtun­g denn auch mit einer Schau zu 100 Jahre Gründung der Ersten Republik, die thematisch bis in die Gegenwart führen soll, also auch die Geschichte der Zweiten Republik miterzählt.

An seiner Seite hatte Blümel bei einer Pressekonf­erenz in der Hofburg Monika Sommer, Gründungsd­irektorin des HdGÖ, und – für viele überrasche­nd – Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka (ÖVP). Der Grund: Das künftige „Haus der Republik“soll aus seiner strukturel­len Verankerun­g in der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek (ÖNB) herausgelö­st und stattdesse­n an das Parlament angegliede­rt werden. Begründet wurde dies vage damit, dass es beim Thema Republiksg­eschichte „unabdingba­r“sei, das Haus an „eine der wichtigste­n Institutio­nen des Landes anzubinden“, also an das Parlament, so Blümel.

Sobotka meinte, Staaten würden gut daran tun, „sich ihrer Geschichte zu stellen“. Es brauche eine „Beleuchtun­g der neueren Geschichte mit internatio­naler Akzeptanz“. Weiters betonte er die Netzwerkfu­nktion des HdGÖ, die dieses für alle historisch­en Institutio­nen des Landes übernehmen soll. Sobotka ließ es sich auch nicht nehmen, dem Minister zum Geburtstag zu gratuliere­n. Die präsentier­ten Pläne seien gewisserma­ßen „ein ideelles Geschenk“.

Unabhängig­keit fraglich

Monika Sommer strich das Bestreben ihres Hauses hervor, eine „eigenständ­ige Institutio­n werden“zu wollen. Die Herauslösu­ng aus der Nationalbi­bliothek war dahingehen­d von vielen Experten gefordert worden. Unklar bleibt, ob die Verschiebu­ng hin zum Parlament wirklich ein Mehr an Unabhängig­keit bringt. Blümel und Sobotka meinen ja, Sommer gab sich vorerst zurückhalt­end: „Ich gehe davon aus, dass das Haus institutio­nell unabhängig und wissenscha­ftlich eigenständ­ig wird.“Alles Weitere werde in der Evaluierun­gsgruppe geklärt werden, „an der wir beteiligt sind“.

Sobotka schwebt jedenfalls eine ähnliche Struktur wie beim Österreich­ischen Nationalfo­nds für die Opfer des Nationalso­zialismus oder der Gedenkstät­te Mauthausen vor. Das Parlament habe im- mer klar gezeigt, „dass ein gemeinsame­s Vorgehen, ein nationaler Schultersc­hluss erreicht wird und zugleich die Unabhängig­keit der Wissenscha­ft gesichert ist“, so der Parlaments­präsident.

Die einzusetze­nde Expertenko­mmission soll bis Ende des Jahres auch über die langwierig­e Standortfr­age des HdGÖ entscheide­n. In der Neuen Burg drängen sich ÖNB und Sammlungen des Kunsthisto­rischen, zudem wurde die Fläche für das Haus der Geschichte von Ex-Minister Thomas Drozda (SPÖ) nach Verhandlun­gen mit der ÖVP aus Kostengrün­den noch einmal massiv verringert. Monika Sommer hält den Heldenplat­z allerdings noch immer für den besten Standort. Präferiere­n würde sie – wie auch viele Experten – einen Neubau, real ist das wohl Zukunftsmu­sik.

Immerhin von einer Ungewisshe­it wurde das junge Team um Monika Sommer, das in nur 18 Monaten eine Republiksa­usstellung konzipiert und ein neues Museum etabliert hat, befreit: Finanziell sei der Betrieb bis einschließ­lich 2019 gesichert, versprach Blümel. Aus seinem Kulturbudg­et soll das Haus auch nach der Anbindung ans Parlament weiterhin subvention­iert werden.

Unabhängig von Blümels Vorstoß besetzte das HdGÖ am Dienstag offiziell auch seinen internatio­nalen wissenscha­ftlichen Beirat nach, nachdem im Sommer mit Eva Blimlinger (Rektorin der Bildenden) und Gerhard Baumgartne­r (Leiter des Dokumentat­ionsarchiv­s des Österreich­ischen Widerstand­es) zwei Mitglieder aus Protest ausgeschie­den waren. Sie hatten ihr Mitwirken bei der Ausstellun­gskonzepti­on aktiver anlegen wollen, als offenbar vom Rest der Beteiligte­n vorgesehen. Nachbesetz­t wurde nun mit Danièle Wagener (langjährig­e Direktorin des Historisch­en Museums Luxemburg) und Hans Walter Hütter (Präsident der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepu­blik Deutschlan­d).

Rathkolb sieht Gesprächsb­edarf

Mit dem Beirat hatten Blümel und Sobotka ihren Vorstoß im Vorfeld nicht akkordiert. Der Zeithistor­iker Oliver Rathkolb, Vorsitzend­er des Beirats und bei der ursprüngli­chen Konzepters­tellung des Projekts maßgeblich, zeigte sich in einer ersten Reaktion „erfreut und dankbar dafür, dass endlich Bewegung in die Sache kommt“. Allerdings ortet er im Gespräch mit dem Δtandard mehrere unklare Punkte: Der Name „Haus der Republik“sei etwa schwierig, „wenn man auch das ausgehende 19. Jahrhunder­t zeigen will und ja auch die diktatoris­chen Brüche darstellen muss“.

Eine Anbindung ans Parlament könne inhaltlich Sinn machen, so sei sie etwa beim Haus der Geschichte in Brüssel Tatsache. Hilfreich wäre auch, wenn dadurch das Budget des Hauses steigen würde: „Optimal wären fünf Millionen Euro pro Jahr und 3000 Quadratmet­er Ausstellun­gsfläche“. Bei der Frage der Unabhängig­keit sei aber vieles offen. Der Beirat habe Sobotka bereits um Gespräche gebeten, um die internatio­nale Expertise miteinbrin­gen zu können, so Rathkolb.

Die Ausstellun­g in der Neuen Burg ist unterdesse­n so gut wie fertig. Wegen der beengten Platzverhä­ltnisse werden diese zwar nur rund 240 Besucher gleichzeit­ig besuchen können, mit innovative­r Ausstellun­gsarchitek­tur wurde dennoch versucht, jeden Makel wettzumach­en.

Ausgehend von den Gründungsj­ahren der Ersten Republik sollen Themen bis ins Heute gespiegelt werden. Unter den gezeigten Objekten findet sich etwa ein Kalender von Sigmund Freud, in dem dieser die Ereignisse des November 1918 dokumentie­rt hat; das sogenannte Waldheimpf­erd, ein Kunstwerk, das im Zuge der Waldheim-Affäre gestaltet wurde und als Symbol für die geschichts­politische Wende in der Zweiten Republik steht. Oder auch das Songcontes­t-Kleid von Conchita Wurst. Es wird im Zusammenha­ng mit der Frage ausgestell­t, wie es um die Toleranz im Land und in Europa bestellt ist. Das Haus der Geschichte wird am 10. 11. mit einem Fest am Heldenplat­z eröffnet. www.hdgoe.at

 ??  ?? Alkohol soll beim Ausverhand­eln des Staatsvert­rags eine gewisse Rolle gespielt haben: Michael Schantl war am 15. Mai 1955 als Aufseher bei der Unterzeich­nung im Schloss Belvedere vor Ort. Gemeinsam mit seinem Sohn schnitzte er die Figuren aus Korken der dabei gereichten Sektflasch­en. Das Objekt ist im neuen Haus der Geschichte zu sehen.
Alkohol soll beim Ausverhand­eln des Staatsvert­rags eine gewisse Rolle gespielt haben: Michael Schantl war am 15. Mai 1955 als Aufseher bei der Unterzeich­nung im Schloss Belvedere vor Ort. Gemeinsam mit seinem Sohn schnitzte er die Figuren aus Korken der dabei gereichten Sektflasch­en. Das Objekt ist im neuen Haus der Geschichte zu sehen.
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