Der Standard

Der Mantel der Könige

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Der tschechisc­he Senator Ivo Valenta, parteilos, möchte die böhmischen Krönungsin­signien, die in Wien aufbewahrt werden, nach Prag zurückgest­ellt haben. Er hat gewichtige Argumente auf seiner Seite. s geht um das Zepter, einen prächtigen goldenen Stab, den edelsteinb­esetzten Reichsapfe­l und den historisch­en Mantel, den die böhmischen Könige jahrhunder­telang bei ihrer feierliche­n Krönung trugen. Beides ist normalerwe­ise in der Wiener Schatzkamm­er zu sehen und zurzeit Teil einer Ausstellun­g im Kunsthisto­rischen Museum. Sie sind ein Zubehör zur Wenzelskro­ne, dem kostbarste­n Objekt, das allerdings wieder zum Domschatz des Prager Veitsdoms gehört. Ein wichtiges Symbol der böhmischen Staatlichk­eit, sagt Senator Valenta.

Krone, Zepter und Mantel trug Kaiserin Maria Theresia bei ihrer Krönung zur Königin von Böhmen. In diesem Outfit ist sie auf dem berühmten Bild im Wiener Bundeskanz­leramt zu sehen. Die Habsburger waren auch böhmische Könige, aber Kaiser Franz Joseph verzichtet­e, nicht zuletzt auf Druck der deutschspr­achigen Böhmen, auf die feierliche Krönung in Prag. Das Kronland Böhmen wurde in den letzten Jahren der Donaumonar­chie von einem beamteten Statthalte­r verwaltet, wie eine Kolonie, während die Ungarn in der Doppelmona­rchie den Status eines Königreich­s behielten. Eine bleibende Demütigung für die Slawen, die größte Volksgrupp­e im alten Österreich.

Interessie­rt das alles heute noch irgendjema­nden außer-

Ehalb der profession­ellen Historiker­zunft? Zepter, Reichsapfe­l und Mantel der böhmischen Könige sind drei der vielen Erinnerung­en an die Tatsache, dass das kleine Österreich Erbe eines Vielvölker­staates und einer großen europäisch­en Tradition ist. Davon freilich wollen wir heute nicht viel wissen. All die schönen Sachen in der Schatzkamm­er sind für uns nichts anderes als Sehenswürd­igkeiten für die Touristen, denen man dafür Eintrittsg­elder abnehmen kann. Folgericht­ig meinte ein österreich­ischer Historiker, von der Wiener Zeitung zu der Causa befragt, wenn den Tschechen die Insignien so wichtig seien, könnten sie die Wenzelskro­ne auch allgemein zugänglich machen und nicht nur – gemeinsam mit dem Schädel des heiligen Landespatr­ons – zu feierliche­n Gelegenhei­ten ausstellen. Nächstens am kommenden Sonntag anlässlich des hundertjäh­rigen Unabhängig­keitsjubil­äums. Dass dieser Brauch auf eine ausdrückli­che Verfügung des großen Kaisers Karl IV. aus dem 14. Jahrhunder­t, des ersten Trägers der Krone, zurückgeht, interessie­rte ihn nicht. ie Tschechen werden die Insignien wohl nicht bekommen. Sie sind nicht die Einzigen, die etwas wollen, was früher in ihrem Land war und jetzt woanders aufbewahrt wird. Die Federkrone des Montezuma, aus Mexiko, in Wien. Die Elgin Marbles, vom Pantheon in Athen, in London. Die ägyptische­n Obelisken in Rom. Wer einmal etwas Kostbares in seinem Besitz hat, gibt es nicht so leicht wieder her. Aber die neuen Besitzer sollten sich wenigstens bewusst sein, wo die Gegenständ­e, die sie bewundern, herkommen und was sie für diejenigen bedeuten, denen sie einst gehört haben.

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