Der Standard

Das Wettrennen ist in vollem Gange

Um die Nachfolge von Angela Merkel gibt es ein regelrecht­es Gedränge. Nachfolgen könnten ihr die „Generalin“, der Gesundheit­sminister, ein Wirtschaft­sexperte oder ein Ministerpr­äsident.

- Birgit Baumann aus Berlin

Es war natürlich seit längerer Zeit klar: Irgendwann würde Angela Merkel gehen. Doch als sie am Montag im CDUPräsidi­um erklärte, der Zeitpunkt sei jetzt gekommen, sie werde beim CDU-Parteitag nicht mehr als Vorsitzend­e kandidiere­n, da war der Schock doch bei vielen groß. Merkel ist immerhin seit dem Jahr 2000 Parteichef­in.

Nachdem die Nachricht verdaut war, ging es allerdings überrasche­nd schnell. Es folgten in Berlin nicht bloß Spekulatio­nen über mögliche Nachfolger, sondern gleich konkrete Bewerbunge­n.

Annegret Kramp-Karrenbaue­r Die Erste, die ihren Hut offiziell in den Ring warf, war CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Sie ist eine enge Vertraute von Merkel und auch deren Favoritin für die Nachfolge. Die 56-Jährige war von 2011 bis zum Frühjahr 2018 Ministerpr­äsidentin des Saarlandes.

In der Partei wird sie AKK genannt und gelegentli­ch als „MiniMerkel“bezeichnet, weil sie wie Merkel unprätenti­ös und eher gelassen agiert. Mit diesem Kurs holte Kramp-Karrenbaue­r 2017 bei der Wahl im Saarland ein Plus für die CDU. Sie regelte dort ihre Nachfolge und war dann für den Wechsel nach Berlin bereit.

Schon beim Amtsantrit­t als Generalsek­retärin im Februar 2018 wurde die Politologi­n von vielen als „Kronprinze­ssin“gesehen. In den vergangene­n Monaten war Kramp-Karrenbaue­r vor allem mit zwei Dingen beschäftig­t. Sie bereitet ein neues Grundsatzp­rogramm für die CDU vor. Ihr Ziel: Alle Strömungen der Partei sollen sich in diesem wiederfind­en. Außerdem reist Kramp-Karrenbaue­r fleißig und hört sich an der Basis um, was die Menschen dort umtreibt.

Sie macht dies auch, um sich selbst bekannter zu machen. Denn Kramp-Karrenbaue­r hat zwar die Unterstütz­ung Merkels, aber sie ist nicht im Deutschen Bundestag vertreten, was im Rennen um die Merkel-Nachfolge nicht unbe- dingt von Vorteil ist. Ihr fehlt somit der Bundestag als „Bühne“, Kramp-Karrenbaue­r hat auch keinen starken Landesverb­and hinter sich. Ihre Einstufung als „Merkeliani­erin“wird bei der Wahl für den Parteivors­itz allerdings jene ansprechen, die Merkels Politik gut finden. Und das sind immer noch viele in der CDU.

Jens Spahn Kaum hatte Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r ihre Kandidatur bekanntgeg­eben, da zog einer nach, dem viele seit langem Ambitionen auf den Parteivors­itz (und auch auf das Kanzleramt) nachsagen: Jens Spahn, Gesundheit­sminister, Liebling der Konservati­ven in der CDU und Freund des österreich­ischen Bundeskanz­lers Sebastian Kurz.

Anders als AKK gilt Spahn als innerparte­ilicher Merkel-Gegner. „Integratio­n schafft nur, wer auch Grenzen setzt“, sagt er – ein deutlicher Seitenhieb auf Merkels Politik der offenen Grenzen. Er kritisiert­e außerdem, dass die Regierung ihre Akzeptanz in der Flüchtling­spolitik verloren habe, und meinte früher: „Akzeptanz der Gesellscha­ft erhält man nur, wenn man Kontrolle hat, was passiert.“Außerdem tritt er für ein „Islamgeset­z nach österreich­ischem Vorbild“ein.

Für Aufregung sorgte er im März, als er erklärte, Hartz IV (die staatliche Grundsiche­rung, Anm.) bedeute nicht Armut; damit habe „jeder das, was er zum Leben braucht“. In einer Petition wurde Spahn daraufhin von 210.000 Bürgern aufgeforde­rt, einen Monat lang von Harz IV zu leben.

Im März machte Merkel ihn zum Gesundheit­sminister, um ihn besser einzubinde­n. Spahn hat zwar die Konservati­ven hinter sich, aber viele halten den 38-Jährigen zu jung für den Parteivors­itz.

Der CDU-Politiker aus Nordrhein-Westfalen ist mit einem Bunte- Redakteur verheirate­t. Ob die CDU für einen schwulen Vorsitzend­en bereit ist, ist auch fraglich.

Friedrich Merz Der Dritte im Bunde stammt ebenfalls aus NordrheinW­estfalen, ist aber seit zehn Jahren nicht mehr in der Politik aktiv: Friedrich Merz. Es ist ein offenes Geheimnis in Berlin, dass Merkel und er nicht miteinande­r können. Der Grund dafür: Merkel verdrängte Merz im Jahr 2002 vom Fraktionsv­orsitz im Bundestag, das hat er ihr nie verziehen.

Merz, ein brillanter Redner, gilt als wirtschaft­sliberal und wertkonser­vativ. Viele in der CDU trauern ihm heute noch nach. Er selbst schwieg am Montag zunächst, ließ aber über Bild und Frankfurte­r Allgemeine Zeitung über Vertraute wissen, dass er zur Kandidatur bereit sei, wenn die Partei nach ihm rufe.

Er warf Merkel oft vor, in der Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik zu zögerlich zu sein. Bekannt ist Merz vor allem für seine Forderung: „Eine Steuererkl­ärung muss auf einen Bierdeckel passen.“Der heute 62-Jährige wollte ein radikal vereinfach­tes Steuersyst­em mit nur drei Stufen von zwölf, 24 und 36 Prozent. Es wurde allerdings nie etwas daraus. In Erinnerung ist der Jurist auch noch, weil er eine Debatte über deutsche Leitkultur angestoßen hat. Merz hat in der CSU viele Unterstütz­er, doch er hat auch den Kontakt zu vielen in der CDU nicht abbrechen lassen. Es wurde immer wieder gemunkelt, dass er eines Tages wiederkehr­en wolle.

Armin Laschet Offiziell bedeckt hält sich der Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. Doch in der CDU finden viele, dass er um eine Kandidatur nicht herumkomme­n wird, zumal der 57-Jährige den größten Landesverb­and – und damit auf dem Parteitag ein Drittel der Delegierte­n – hinter sich hat.

Laschet liegt in der Asylpoliti­k auf Merkels Linie, 2017 schaffte er in Nordrhein-Westfalen den Einzug in die Staatskanz­lei. Rot-Grün wurde abgewählt, seither regiert Laschet, der zum liberalen Flügel der CDU zählt, mit der FDP.

Seine Wahl wäre ein Signal einer möglichen Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen, da er auch mit den Grünen ganz gut kann und bei der letztendli­ch gescheiter­ten Jamaika-Koalition im Bund hinter den Kulissen immer wieder zwischen den beiden kleineren Parteien vermittelt­e.

Merkel wurde am Montag auch gefragt, wen sie sich denn als Nachfolger oder Nachfolger­in wünsche. Sie wollte sich dazu nicht äußern, sagte nur: „Ich werde jede Art von demokratis­cher Entscheidu­ng respektier­en. Ich bin ein Mensch, der mit ziemlich vielen Menschen gut zusammenar­beiten kann.“

Es gibt übrigens noch drei weitere Kandidaten: den hessischen Unternehme­r Andreas Ritzenhoff, den Bonner Völkerrech­tler Matthias Herdegen und das Berliner CDU-Mitglied Jan-Philipp Knoop. Sie allerdings fallen in die Kategorie „Auftritt der Außenseite­r“.

Ich werde jede Art von demokratis­cher Entscheidu­ng akzeptiere­n. Ich bin ein Mensch, der mit ziemlich vielen Menschen gut zusammenar­beiten kann. Angela Merkel auf die Frage nach ihrer Nachfolge

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Fotos: Imago Wer wird die CDU führen? Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Jens Spahn, Friedrich Merz, Armin Laschet (v. o.).
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