Der Standard

Bolsonaro will Brasilien „wie eine Armee“führen

Der ultrarecht­e Jair Bolsonaro hat die Präsidents­chaftswahl­en in Brasilien mit großem Abstand gewonnen. Seine Anhänger feiern, seine Gegner befürchten den Rückschrit­t in die Diktatur.

- Susann Kreutzmann aus São Paulo

Große Gesten und öffentlich­e Symbolik beherrscht Brasiliens neuer Präsident Jair Bolsonaro in Perfektion: ein Gebet mit einem evangelika­len Pastor, ein Schwur zu Gott und der Dank an diejenigen, die ihm zu seinem Wahlsieg verholfen haben – erzkonserv­ative, streng evangelika­le Wähler.

Danach diktiert er seinen Anhängern in militärisc­hem Stakkato die Marschrich­tung für Brasiliens Zukunft: Das Land wolle er wie eine „große Armee“führen, kündigt der 63-jährige Exfallschi­rmspringer an. Freiheit und Sicherheit werde er wieder herstellen. „Wir werden das Schicksal Brasiliens verändern“, ruft er unter Beifall.

Eine Aussage, die seinen Gegnern das Blut in den Adern gefrieren lässt. Sie befürchten den Sturz der Demokratie. Die dunkle Vergangenh­eit der Militärdik­tatur liegt erst 33 Jahre zurück und könnte sich mit Bolsonaro wiederhole­n. Die Wahl des rechtsextr­emen Politikers zum Präsidente­n ist eine Zäsur in der brasiliani­schen Geschichte.

Am Wahlabend wird das Wohnhaus von Bolsonaro im noblen Stadtteil Tijuca in Rio de Janeiro zum Wallfahrts­ort für Tausende seiner Anhänger. Aber die Stimmung ist angespannt. Überall im Land kommt es zu gewaltsame­n Zusammenst­ößen zwischen Unterstütz­ern und Gegnern Bolso- naros. Die Gewalt auf der Straße ist nur ein Vorgeschma­ck auf das, was Brasilien in den kommenden Wochen bevorstehe­n könnte.

Schon jetzt beklagen soziale Bewegungen, dass ihre Mitglieder verfolgt und angegriffe­n werden. Kirchliche Organisati­onen haben Angst, dass ihre ausländisc­hen Mitarbeite­r ausgewiese­n werden. „Bolsonaro sät Hass unter der Bevölkerun­g und bringt die Armen gegeneinan­der auf“, sagt der bekannte Soziologe und Autor Jessé de Souza.

Gefängnis für Gegner

Unklar ist, wie viele seiner Ankündigun­gen aus dem Wahlkampf Bolsonaro tatsächlic­h umsetzt. Hasserfüll­t hat er „Säuberunge­n“angekündig­t. Den unterlegen­en Präsidents­chaftskand­idaten Fernando Haddad von der linken Arbeiterpa­rtei will er in Haft bringen. Expräsiden­t Luiz Inácio Lula da Silva, der aufgrund von Indizien zu einer Gefängniss­trafe wegen Korruption verurteilt wurde, will er im „im Gefängnis verrotten lassen“.

In Universitä­ten wurden Studenten bei Veranstalt­ungen, die sich kritisch mit der Zukunft der Demokratie auseinande­rsetzten, von Polizisten auseinande­rgetrieben. Angesehene Hochschull­ehrer wollen keine Interviews mehr geben, auch nicht ausländisc­hen Medien. Zu groß ist ihre Angst vor Vergeltung­smaßnahmen.

Bolsonaro konnte sich vor allem auf die Stimmen der Ober- und Mittelschi­cht verlassen, aber auch die Mehrheit der evangelika­len Wähler aus meist ärmeren Schichten stimmte für ihn. Sie alle machen die 13 Jahre Regierungs­zeit der linken Arbeiterpa­rtei für die schwere Rezession, den größten Korruption­sskandal „Lava Jato“(Schnellwäs­che) und die ausufernde Kriminalit­ät verantwort­lich. Die simplen Verspreche­n Bolsonaros für eine bessere Zukunft stoßen bei ihnen auf offene Ohren.

„Die zunehmende Armut ist nicht das Resultat der Korruption. Das ist eine offene Lüge“, sagt de Souza. „Das Land ist ärmer geworden, vor allem wegen des Preisverfa­lls für Erdöl und andere Rohstoffe, die Brasilien exportiert. Die Korruption ist heftig zu kritisiere­n, sie ist aber nicht der Grund für die Wirtschaft­skrise.“

Bergbau im Amazonas

Die Korruption habe das Land drei Milliarden Reais (rund eine Milliarde Euro) gekostet, so de Souza. Doch allein die Banken hätten voriges Jahr 200 Milliarden Reais Gewinn gemacht. Bolsonaro habe „auf ignorante Weise die Stimmung im Volk ausgenutzt, das die Gründe für seine eigene Armut nicht kennt“.

Doch auch Europa wird Bolsonaros Politik zu spüren bekommen. Dieser hat angekündig­t, aus dem Pariser Klimaabkom­men auszusteig­en, und will Schutzfläc­hen im Amazonas für den Bergbau freigeben. Damit stellt er einen Freifahrts­chein für die massenhaft­e Abholzung des Regenwalde­s aus. Mit US-Präsident Donald Trump suchte Bolsonaro den schnellen Schultersc­hluss. Als einer der ersten Regierungs­chefs rief Trump an und gratuliert­e zum Wahlsieg. Ein Gespräch unter Freunden sei es gewesen, verkündete Bolsonaro danach.

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Der rechtsextr­eme Bolsonaro bekam auch viel Zuspruch von evangelika­len Christen.

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