Der Standard

Scharmütze­l um Kunstleihg­aben aus Bundesbesi­tz

Der Disput um eine Leihgabe aus dem Belvedere scheint bereinigt. Entgegen der Empfehlung des Rechnungsh­ofs von 2010 verleihen Bundesmuse­en laufend Kunst an Ministerie­n und das Kanzleramt.

- Olga Kronsteine­r

Thomas Drozda wird nicht der letzte Politiker sein, der sich vor einem Gemälde fotografie­ren ließ. Jedes Kunstwerk im Hintergrun­d ist besser als eine nackte oder schmuddeli­ge Wand. Dazu verleiht zeitgenöss­ische Kunst eine Aura, die für das Überwinden alter Strukturen und Denkmuster steht. Bei seinen Antrittsin­terviews als SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r hätte er sich das besser verkniffen – gerade in seiner Funktion als SPÖ-Kulturspre­cher und Vorsitzend­er des Kulturauss­chusses, der sich jüngst über die „Nullbilanz“seines Nachfolger­s als Kulturmini­ster, Gernot Blümel (ÖVP), mokierte.

Das nun vielfach dokumentie­rte Gemälde von Kurt Kochersche­idt hätte sich nicht in den Räumlichke­iten der Parteizent­rale befinden dürfen. Im Raum drinnen II (1990) ist eine Leihgabe des Belvedere aus Drozdas Ära als Kulturmini­ster. Sein Wunsch, das Bild in sein Parlaments­büro zu übersiedel­n, wurde vom Museum im Dezember 2017 genehmigt. Nicht akkordiert war jedoch der Transport in die Löwelstraß­e.

Die ÖVP ist nachhaltig empört, habe sich Drozda damit doch über Verträge zum Staatseige­ntum hinweggese­tzt. Der Gescholten­e bedauerte und gestand den Fehler ein. Am Mittwoch wird das Corpus Delicti abtranspor­tiert.

Das Problem lag am Standort: Die Parteizent­rale ist weder ein museal genutztes Gebäude, noch befinden sich hier Repräsenta­tionsräume der obersten Organe des Bundes. Mit anderen Worten: Leihgaben aus Bundesbesi­tz haben dort nichts verloren.

In der strengen Auslegung ihres gesetzlich­en Rahmens dürften Bundesmuse­en Objekte überhaupt nur im Ausstellun­gs- und Forschungs­bereich verleihen. Die gängige Praxis ist eine andere und war 2010 vom Rechnungsh­of kritisiert worden. Er empfahl damals, alle zu Ausstattun­gszwecken an öffentlich­e Stellen verliehene­n Objekte zurückzufo­rdern.

Teils wurde das umgesetzt, teils ignoriert und munter weiter verliehen: Die Wände des Außenminis­teriums schmücken schon einige Jahre Kopien nach Alten Meistern aus dem Kunsthisto­rischen Museum (KHM). Karin Kneissl schauen etwa Maria Theresia und ihr Ehemann Franz Stephan I. von Lothringen (MeytensSch­ule, 18. Jh.) über die Schulter. Gernot Blümel (ÖVP) ließ sein Büro mit Leihgaben aus dem Museum moderner Kunst (Mumok, Lichtinsta­llation Beyond Words von Brigitte Kowanz) und dem Leopold-Museum ( Weiblicher Rückenakt von Koloman Moser) ausstaffie­ren. Auf martialisc­he Atmosphäre setzt Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache: mit Bildern aus dem Heeresgesc­hichtliche­n Museum (HGM), einer dem Bundesmini­sterium für Landesvert­eidigung nachgeordn­ete Dienststel­le. Dazu gehört ein die Koalitions­kriege 1792–1815 glorifizie­rendes Schlachten­bild (Kopie nach Johan Peter Krafft von 1877, Erzherzog Carl in der Schlacht bei Aspern).

Dekorative­s aus dem Depot

Bei den erwähnten Leihgaben aus dem HGM und KHM handelt es sich um Werke, die sonst nie gezeigt, sondern im Depot verwahrt würden. Die meiste Kunst ist im Bundeskanz­leramt zu finden. Aktuell zeigt das Mumok dort zwölf Leihgaben. Wer sich fragte, vor welchem orangen „Gebilde“neuerdings Kanzler & Co nach dem Ministerra­t Aufstellun­g nehmen: Dabei handelt es sich um Maja Vukojes Kiwano (2016).

Die mit Abstand legendärst­e Ausstattun­g leistete sich einst übrigens Claudia Schmied (SPÖ), die sich damit eine parlamenta­rische Anfrage einhandelt­e. Als InteriorDe­signer fungierte Peter Noever, damals noch Direktor des Museums für angewandte Kunst (Mak). Schmieds Kunst-Eldorado umfasste Sitz- und Liegemöbel­klassiker von Friedrich Kiesler, Le Corbusier oder Jean Prouvé: Die Kosten beliefen sich auf knapp 40.000 Euro netto. Hinzu kamen ein „Daybed“von Mies van der Rohe aus dem Mak-Bestand und eine Plexiglasi­nstallatio­n von Hans Kupelwiese­r, die kurz zuvor für 18.181 Euro von der Artothek angekauft worden war.

Mit mehr als 37.000 Exponaten ist die Artothek des Bundes eigentlich die Anlaufstel­le, wenn es um die dekorative Ausstattun­g mit Kunst in Bundesdien­ststellen im In- und Ausland geht. Welche Alternativ­en Thomas Drozda hat, nun, da das Kochersche­idt-Gemälde abtranspor­tiert wird? Falls es Grafiken auch täten, könnte er im Angebot der Musa-Artothek stöbern: Gerahmt und verglast schlagen sie sich mit einer Leihgebühr von 2,5 Euro pro Bild und Monat zu Buche.

 ?? Foto: Corn (2), Cremer, BKA / Regina Aigner, AFP ?? Thomas Drozda (oben links) muss seinen Kochersche­idt wieder zurückgebe­n. Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache und Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini (oben rechts) posieren vor einem Schlachten­gemälde. Die ehemalige Unterricht­sministeri­n Claudia Schmied (links) ließ ihr Büro überdekori­eren. Das Büro von Kulturmini­ster Gernot Blümel (links darunter) ist ebenfalls gut ausgestatt­et. Außenminis­terin Karin Kneissl (links unten) wird im Büro von Alten Meistern begleitet, Leihgaben aus dem Kunsthisto­rischen Museum.
Foto: Corn (2), Cremer, BKA / Regina Aigner, AFP Thomas Drozda (oben links) muss seinen Kochersche­idt wieder zurückgebe­n. Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache und Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini (oben rechts) posieren vor einem Schlachten­gemälde. Die ehemalige Unterricht­sministeri­n Claudia Schmied (links) ließ ihr Büro überdekori­eren. Das Büro von Kulturmini­ster Gernot Blümel (links darunter) ist ebenfalls gut ausgestatt­et. Außenminis­terin Karin Kneissl (links unten) wird im Büro von Alten Meistern begleitet, Leihgaben aus dem Kunsthisto­rischen Museum.
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