EU dreht noch länger an der Uhr
Das für 2019 angekündigte Aus für die Zeitumstellung ist abgesagt. Die EU-Länder brauchen mehr Zeit, denn sonst droht ein Durcheinander mit negativen Folgen für den Binnenmarkt.
Die EU braucht noch viel Zeit, um das Ende der Zeitumstellung zu bewerkstelligen. War ursprünglich ein rasches Auslaufen schon im kommenden Jahr geplant, wird nun das Jahr 2021 ins Auge gefasst. Das erklärte Norbert Hofer (FPÖ) beim informellen EU-Verkehrsministerrat in Graz. Etwas überraschend für einige Beobachter stellte der Ressortchef die bisherige Präferenz Österreichs für eine ganzjährige Sommerzeit zur Disposition.
Im Vordergrund stehe die Absicht, eine gemeinsame Vorgangsweise in Mitteleuropa zu erreichen, sagte Hofer. Es wäre „nicht gescheit“, mit einem fixen Standpunkt in die Gespräche zu gehen. Österreich hat dabei vor allem Deutschland im Auge, von dem man sich nicht zeitlich entfernen will. Europaweit sorgen sich mehrere Branchen, darunter die Luftfahrt und der EDV-Sektor, um eine Zersplitterung der Zeitzonen.
Fluglinienexperten fürchten um die Attraktivität von Slots, wenn beispielsweise Frankreich auf Winterzeit umstellen sollte, während Deutschland zur Sommerzeit tendiert. Nun gibt es Bemühungen von Paris und Berlin, eine gemeinsame Zeitzone zu behalten, der auch die Beneluxländer angehören. Aus der AUA heißt es zudem, dass der Winterflugplan 2019/2020 schon stehe, somit Zeitänderungen vor 2021 gröbere Probleme bereiten würden.
Sollte Österreich entgegen den Präferenzen der Regierung doch noch für die Winterzeit plädieren, würde die Nacht teilweise zum Tag: In Wien beispielsweise wäre dann am 20. Juni um 3.53 Uhr Sonnenaufgang. Ein anderes Beispiel: Wählt Spanien die Sommerzeit, geht die Sonne in Madrid am 20. Dezember erst nach 9.30 Uhr auf. Insgesamt stellt sich das Ende der Zeitumstellung als möglicherweise unterschätzte Herausforderung dar. Ein „Fleckerlteppich“in der EU solle unbedingt vermieden werden, sagte Hofer.
Brüssel im Spiel
Wie wichtig ihm der Aspekt ist, zeigt ein neuer Vorschlag, den der österreichische Ratsvorsitzende am Montag in Absprache mit EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc eingebracht hat. Sollte es zu keiner koordinierten Vorgangsweise unter den Mitgliedsstaaten kommen und eine Beeinträchtigung des europäischen Binnenmarkts drohen, könnte die Reißleine gezogen werden. Bei Eintre- ten der sogenannten SafeguardClause oder Sicherheitsklausel müsste der Prozess neu aufgesetzt werden. Als Ziel wurde postuliert, dass es künftig nicht mehr als die jetzigen drei Zeitzonen in der Europäischen Union geben soll.
Besonders skeptisch gegenüber dem Ende der Zeitumstellung sind laut Ratskreisen Großbritannien, Polen und Schweden eingestellt, davor hatten auch einige Südländer Bedenken angemeldet. Andere Staaten haben zwar weniger Probleme mit dem Auslaufen des halbjährlichen Uhrenstellens, befürchten aber eine Zersplitterung der Zeitzonen.
Für die Abschaffung der Zeitumstellung bedarf es einer qualifizierten Mehrheit, danach sollen die Mitgliedsstaaten in ihrer Entscheidung frei sein. Dieser Standpunkt wird nun allerdings durch die genannte Klausel eingeschränkt, zudem soll ein Koordinator für eine harmonisierte Vorgangsweise sorgen.
Umfrage als Auslöser
Unmittelbarer Auslöser der Debatten ist eine Onlineumfrage der EU-Kommission zu dem Thema, bei der sich 84 Prozent der Teilnehmer gegen die Zeitumstellung ausgesprochen haben. Allerdings hat sich nur ein Prozent der EUBürger daran beteiligt, zudem war das Engagement je nach Land sehr unterschiedlich. Dennoch schlussfolgerte Kommissionschef Jean-Claude Juncker, dass die Zeitumstellung rasch beendet werden solle. Als einer der Gründe wurde angeführt, dass das ursprüngliche Ziel – die Einsparung von Energie – nun ansatzweise erreicht werde.