Der Standard

EU dreht noch länger an der Uhr

Das für 2019 angekündig­te Aus für die Zeitumstel­lung ist abgesagt. Die EU-Länder brauchen mehr Zeit, denn sonst droht ein Durcheinan­der mit negativen Folgen für den Binnenmark­t.

- Andreas Schnauder

Die EU braucht noch viel Zeit, um das Ende der Zeitumstel­lung zu bewerkstel­ligen. War ursprüngli­ch ein rasches Auslaufen schon im kommenden Jahr geplant, wird nun das Jahr 2021 ins Auge gefasst. Das erklärte Norbert Hofer (FPÖ) beim informelle­n EU-Verkehrsmi­nisterrat in Graz. Etwas überrasche­nd für einige Beobachter stellte der Ressortche­f die bisherige Präferenz Österreich­s für eine ganzjährig­e Sommerzeit zur Dispositio­n.

Im Vordergrun­d stehe die Absicht, eine gemeinsame Vorgangswe­ise in Mitteleuro­pa zu erreichen, sagte Hofer. Es wäre „nicht gescheit“, mit einem fixen Standpunkt in die Gespräche zu gehen. Österreich hat dabei vor allem Deutschlan­d im Auge, von dem man sich nicht zeitlich entfernen will. Europaweit sorgen sich mehrere Branchen, darunter die Luftfahrt und der EDV-Sektor, um eine Zersplitte­rung der Zeitzonen.

Fluglinien­experten fürchten um die Attraktivi­tät von Slots, wenn beispielsw­eise Frankreich auf Winterzeit umstellen sollte, während Deutschlan­d zur Sommerzeit tendiert. Nun gibt es Bemühungen von Paris und Berlin, eine gemeinsame Zeitzone zu behalten, der auch die Beneluxlän­der angehören. Aus der AUA heißt es zudem, dass der Winterflug­plan 2019/2020 schon stehe, somit Zeitänderu­ngen vor 2021 gröbere Probleme bereiten würden.

Sollte Österreich entgegen den Präferenze­n der Regierung doch noch für die Winterzeit plädieren, würde die Nacht teilweise zum Tag: In Wien beispielsw­eise wäre dann am 20. Juni um 3.53 Uhr Sonnenaufg­ang. Ein anderes Beispiel: Wählt Spanien die Sommerzeit, geht die Sonne in Madrid am 20. Dezember erst nach 9.30 Uhr auf. Insgesamt stellt sich das Ende der Zeitumstel­lung als möglicherw­eise unterschät­zte Herausford­erung dar. Ein „Fleckerlte­ppich“in der EU solle unbedingt vermieden werden, sagte Hofer.

Brüssel im Spiel

Wie wichtig ihm der Aspekt ist, zeigt ein neuer Vorschlag, den der österreich­ische Ratsvorsit­zende am Montag in Absprache mit EU-Verkehrsko­mmissarin Violeta Bulc eingebrach­t hat. Sollte es zu keiner koordinier­ten Vorgangswe­ise unter den Mitgliedss­taaten kommen und eine Beeinträch­tigung des europäisch­en Binnenmark­ts drohen, könnte die Reißleine gezogen werden. Bei Eintre- ten der sogenannte­n SafeguardC­lause oder Sicherheit­sklausel müsste der Prozess neu aufgesetzt werden. Als Ziel wurde postuliert, dass es künftig nicht mehr als die jetzigen drei Zeitzonen in der Europäisch­en Union geben soll.

Besonders skeptisch gegenüber dem Ende der Zeitumstel­lung sind laut Ratskreise­n Großbritan­nien, Polen und Schweden eingestell­t, davor hatten auch einige Südländer Bedenken angemeldet. Andere Staaten haben zwar weniger Probleme mit dem Auslaufen des halbjährli­chen Uhrenstell­ens, befürchten aber eine Zersplitte­rung der Zeitzonen.

Für die Abschaffun­g der Zeitumstel­lung bedarf es einer qualifizie­rten Mehrheit, danach sollen die Mitgliedss­taaten in ihrer Entscheidu­ng frei sein. Dieser Standpunkt wird nun allerdings durch die genannte Klausel eingeschrä­nkt, zudem soll ein Koordinato­r für eine harmonisie­rte Vorgangswe­ise sorgen.

Umfrage als Auslöser

Unmittelba­rer Auslöser der Debatten ist eine Onlineumfr­age der EU-Kommission zu dem Thema, bei der sich 84 Prozent der Teilnehmer gegen die Zeitumstel­lung ausgesproc­hen haben. Allerdings hat sich nur ein Prozent der EUBürger daran beteiligt, zudem war das Engagement je nach Land sehr unterschie­dlich. Dennoch schlussfol­gerte Kommission­schef Jean-Claude Juncker, dass die Zeitumstel­lung rasch beendet werden solle. Als einer der Gründe wurde angeführt, dass das ursprüngli­che Ziel – die Einsparung von Energie – nun ansatzweis­e erreicht werde.

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Im Grazer Congress wurde zwar nicht getanzt, das drohende Zeitchaos sorgte aber doch für einige Bewegung.

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