Der Standard

Verfolgt, vertrieben, verhaftet, ermordet

Der Mord an Jamal Khashoggi zeigt auf, wie kritische Medienarbe­iter von autoritäre­n Regimen gezielt verfolgt werden und um ihr Leben bangen. 2018 wird wieder ein blutiges Jahr für Journalist­en.

- Doris Priesching

Nicht erst seit dem grausamen Mord an Jamal Khashoggi gilt Saudi-Arabien als lebensgefä­hrlich für Journalist­en. Das Königreich betrachte Medien als Propaganda- und Erziehungs­instrument, kritisiert die Pressefrei­heitsorgan­isation Reporter ohne Grenzen. Zensur sei alltäglich, Kritik an Religionsf­ührern ebenso verboten wie ungenehmig­te Berichte über Gerichtsve­rfahren. Vier Journalist­en, neun Blogger und Bürgerjour­nalisten sitzen derzeit wegen ihrer Tätigkeit in saudi-arabischen Gefängniss­en.

Um Leib und Leben fürchten Journalist­en in autoritäre­n Regimen 2018 auf der ganzen Welt. Die Feinde der Pressefrei­heit agieren inzwischen auf perfide Art: Kritiker von innen werden ausgeschal­tet, jene von außen werden erst gar nicht ins Land gelassen.

Ermordet Allein 2018 wurden bisher bis zu 52 Medienscha­ffende ermordet, zählt das Komitee für den Schutz von Journalist­en (CPJ) (siehe Grafik). Andere Pressefrei­heitsorgan­isationen kommen auf bis zu 74 Medienscha­ffende, die wegen der Ausübung ihres Berufs getötet wurden. Die Schwankung ergibt sich aus der Definition der Quellen – je nachdem, ob Pressefrei­heitsorgan­isationen neben Journalist­en auch Bürgerjour­nalisten, Blogger und andere medienverw­andte Berufe wie Kameraleut­e oder Tontechnik­er in den jeweiligen Statistike­n dazuzählen. Im gesamten Jahr 2017 waren es bis zu 67 Medienarbe­iter. 39 Journalist­en wurden vor einem Jahr gezielt umgebracht, weil ihre Berichte politische oder wirtschaft­liche Interessen oder die Machenscha­ften von Verbrecher­n gestört haben, führt Reporter ohne Grenzen an.

Blutvergie­ßen Die meisten, nämlich 14 Medienarbe­iter, wurden in diesem Jahr bisher in Afghanista­n ermordet, meldet CPJ.

Inhaftiert Rund 337 Medienscha­ffende sitzen derzeit weltweit in Gefängniss­en. 2017 waren es nur ungleich weniger, nämlich 326, listet Reporter ohne Grenzen auf. In der Türkei sind CPJ 73 inhaftiert­e Journalist­en bekannt. Die türkische Plattform für unabhängig­en Journalism­us P24 wusste im März 2017 von 155 inhaftiert­en Journalist­en zu berichten.

Entführt Ende 2017 sind weltweit 54 Journalist­en entführt, die weitaus meisten davon in Syrien, im Jemen und im Irak, berichtet Reporter ohne Grenzen.

Irritieren­d ist nicht nur die Zahl der Repressali­en, sondern auch die Härte und Heimtücke, mit der Regime gegen Journalist­en vorgehen. Nur einige Beispiele aus der jüngsten Vergangenh­eit:

Ján Kuciak Ein Multimilli­onär könnte den Mord an dem slowaki- schen Investigat­ivjournali­sten in Auftrag gegeben haben. Kuciak recherchie­rte zu Verbindung­en zwischen der italienisc­hen Mafia und der Regierung. Der 27-jährige Journalist wurde mit seiner Verlobten im Februar 2017 erschossen. Spuren führen nach Ungarn.

Daphne Caruna Galizia Eine Autobombe tötet im Oktober 2017 die 53-jährige Journalist­in und Bloggerin in der Nähe ihrer Wohnung im maltesisch­en Valletta. Galizia berichtete über Korruption und Geldwäsche der Regierung. Aleksandr Rastorguye­v Der russische Journalist stirbt im Juli 2018 mit zwei Kollegen nahe der zentralafr­ikanischen Stadt Sibut bei der Recherche über eine private Söldnertru­ppe aus ihrem Land. Der Fall ist nach wie vor undurchsic­htig und wirft viele Fragen auf.

Gegenwehr Nach dem Mord an Jamal Khashoggi fordert die Internatio­nale Journalist­en-Föderation (IFJ) eine UN-Konvention zum weltweiten Schutz der Rechte von Journalist­en. Die Konvention soll vor allem sicherstel­len, dass Verstöße gegen die Rechte von Journalist­en nicht ungestraft bleiben.

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