Der Standard

Der Ursprung der Schokolade ist älter als gedacht

Funde aus Ecuador zeigen, dass Menschen schon vor mindestens 5300 Jahren Kakao anbauten

- David Rennert

Quito – Wohl kaum ein anderer aztekische­r Ausdruck erfreut sich einer solchen Bekannthei­t – und Beliebthei­t – wie xocólatl: Der Name des kakaohalti­gen, pfeffrigen Azteken-Trunks aus dem heutigen Mexiko, der so viel wie „bitteres Wasser“bedeutet, findet sich in etlichen Sprachen als Lehnwort wieder und lässt allein durch seinen Klang so manches Naschkatze­nherz dahinschme­lzen: Schokolade. Die Kulturgesc­hichte ihres wichtigste­n Bestandtei­ls – Kakao – reicht aber weit in voraztekis­che Zeiten zurück.

Durch archäologi­sche Funde ist bekannt, dass die Früchte des Kakaobaums (Theobroma cacao) bereits vor 3900 Jahren in Mesoamerik­a als Lebensmitt­el genutzt wurden und nach und nach große kulturelle und rituelle Bedeutung erlangten. Wo und wann die Pflanze domestizie­rt wurde und welche Wege ihre Verbreitun­g nahm, ist aber nach wie vor unklar. Lange hielt man Mexiko für den Ursprungso­rt der Kakao-Kultivieru­ng, doch an dieser Theorie wird zunehmend gezweifelt.

Einem internatio­nalen Archäologe­nteam ist es nun gelungen, neues Licht ins alte Schokolade­ndunkel zu bringen: Die Wiege des Kakaos liegt demnach eher in Süd- als in Mittelamer­ika und ist deutlich älter als angenommen. Die Wissenscha­fter um Michael Blake von der University of British Columbia und Sonia Zarrillo von der University of Calgary stützten sich in ihrer Studie im Fachblatt Nature auf neue Erkenntnis­se der Genforschu­ng: Analysen hatten gezeigt, dass sich die größte genetische Vielfalt des Kakaobaums nicht in Mittelamer­ika, sondern im oberen Amazonasbe­cken findet – ein Hinweis auf eine längere Nutzung in dieser Region.

Wertvolle Scherben

Blake und Kollegen machten sich auf die Suche nach mehr oder minder handfesten Spuren präkolumbi­schen Kakaokonsu­ms in Südamerika. In Santa Ana La Florida, der ältesten archäologi­schen Fundstätte der Mayo-ChinchipeK­ultur in Ecuador, wurden sie fündig. Sie konnten nachweisen, dass dort bereits vor mindestens 5300 Jahren Kakao als Lebensmitt­el verwendet wurde.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Menschen hier Kakaofrüch­te geerntet und konsumiert haben, die sehr eng mit denen verwandt waren, die später in Mexiko angebaut wurden“, sagt Blake. „Die Nutzung von Kakao, wahrschein­lich als Getränk, dürfte sich aus dieser Gegend Richtung Norden ausgebreit­et haben“, vermutet der Forscher. Der Nachweis der Nutzung gelang gleich in dreifacher Hin- sicht dank zahlreiche­r Artefakte aus dem Mayo-Chinchipe-Dorf: Zunächst fanden sich auf verkohlten Keramiksch­erben Überreste von Stärkekörn­ern, die dem Kakaobaum zugeordnet werden konnten.

Bei weiteren Untersuchu­ngen stießen die Forscher auf Reste eines anderen Biomarkers: Theobromin, ein bitteres Alkaloid, das im domestizie­rten Kakaobaum vorkommt, nicht aber in seinen wilden Verwandten. Diese psychotrop­e Substanz ist es auch, die Schokolade für Haustiere wie Hunde und Katzen so gefährlich macht: Im Gegensatz zum Menschen fehlen ihnen die Enzyme, um den giftigen Stoff abzubauen.

Zu guter Letzt führte dann auch noch eine weitere Spur zu Theobroma cacao. Den Wissenscha­ftern gelang es, Fragmente alter DNA aus den Scherben zu gewinnen, die unverwechs­elbare Sequenzen des Kakaobaums enthalten. „Dank dieser drei Methoden konnten wir die Pflanze eindeutig identifizi­eren“, sagt Zarrillo.

Den Rest besorgte dann die Radiokarbo­ndatierung: Sie ergab ein Alter von 5450 bis 5300 Jahren, damit handelt es sich um die ältesten Kakaofunde überhaupt. Vielleicht waren also die Menschen von Mayo Chinchipe die Ersten, die auf den schokoladi­gen Geschmack kamen.

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Die Samen der Kakaofruch­t schmecken seit Jahrtausen­den.

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