Der Standard

Zeit der Verrohung

- Irene Brickner

Im Fall des Dreijährig­en aus einer armenisch-irakischen Familie, der am Sonntag von seiner in Bregenz im Spital liegenden Mutter getrennt und mit dem Vater in die Schubhaft nach Wien gebracht wurde, ist das Innenminis­terium zurückgeru­dert. Montagnach­mittag wurden Mann und Bub aus der Haft entlassen und machten sich auf den Weg zurück nach Vorarlberg.

Das ist ein erfreulich­er Schritt, der den Kinderrech­ten entspricht. Und er lässt den, gelinde gesagt, Ehrgeiz der handelnden Fremdenpol­izisten ins Leere laufen. Diese hatten die Familie am Sonntag um fünf Uhr früh aus ihren Betten heraus festgenomm­en, obwohl deren Frist für eine freiwillig­e Ausreise noch bis 1. November läuft.

Doch so positiv sich dieser eine Fall fürs Erste auch weiterentw­ickelt hat: Er steht damit allein auf weiter Flur. Tatsächlic­h vergehen seit Amtsantrit­t Innenminis­ter Herbert Kickls (FPÖ) keine 14 Tage, ohne dass es Hilferufe wegen existenzze­rstörender, menschlich inakzeptab­ler Außerlande­sbringunge­n gibt.

Allein im vergangene­n Monat wurden etwa ein schwerbehi­nderter Elfjährige­r und seine Mutter nach Georgien zurückgebr­acht. Der Ehemann, ein Iraker, verblieb in Wien, ohne Aussicht, beide je wiederzuse­hen. Ein Tschetsche­ne wurde nach Russland geflogen, seine Frau und drei Kinder tauchten unter. Im Verborgene­n warten sie seither auf den Ausgang ihres Bleiberech­tsverfahre­ns, das Abschiebun­gen bekanntlic­h nicht aufschiebt.

Laut Bundesregi­erung sind solche Familientr­ennungen nötig, denn es gelte, rechtsstaa­tliche Entscheidu­ngen durchzuset­zen. Dass die gesetzten Maßnahmen jedem Anspruch auf Kindeswohl zuwiderlau­fen, wird hingenomme­n – ja sogar begrüßt. So wurde ein fremdenpol­izeilicher Verrohungs­prozess in Gang gesetzt, der sich weiter zu verstärken droht. Darüber zu reden ist hoch an der Zeit.

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