Trumps Wahlwerber wider Willen erhitzen Stimmung in den USA
Auch wenn im Senat die Republikaner und im Repräsentantenhaus die Demokraten im Vorteil scheinen – in Wahrheit bleibt es in den USA vor den Midterm-Elections extrem eng. Das führt zu einem aufgeheizten Finish.
Washington/Mexiko-Stadt – Eine Woche vor den Midterm-Wahlen hat Donald Trump angekündigt, dass in den USA geborene Kinder nicht mehr automatisch US-Bürger werden sollen. Sein Plan verstößt wohl gegen die Verfassung. Trump hatte schon bisher – teils mit Unwahrheiten – vor einer Gruppe von 3500 Migranten in Mexiko gewarnt, die auf dem Weg zur US-Grenze sind. Weil auch der Terrorist, der jüngst in einer Synagoge in Pittsburgh elf Menschen tötete, mit „Invasion“argumentierte, nimmt die Kritik an der Wahltaktik zu. (red)
Migrantenkarawane“und Obamacare, Paketbomben und Terroranschläge, selbstherrliche Aufrufe zur Einheit und wüste Attacken, Debatten über die Staatsbürgerschaft: Über die Amerikaner bricht derzeit eine wahre Informationslawine herein, nicht alles, was durch die Medien schwirrt, ist wahr und vieles noch effektheischender aufgebaut als sonst. Das ist natürlich kein Zufall: Republikaner und Demokraten bereiten sich auf das Finish im Kampf um das Repräsentantenhaus, den Senat, 36 Gouverneursposten und unzählige lokale Ämter vor, die alle am 6. November, im Rahmen der MidtermElections, vergeben werden.
Vor allem Donald Trump und seine Republikaner waren im Kampf um die Aufmerksamkeit für ihnen dienliche Themen lange unterlegen gewesen. Auch so lässt sich das Insistieren des Präsidenten auf den angeblichen Gefahren der „Migrantenkarawane“erklären, deren rund 3500 Mitglieder derzeit auf dem Weg durch das südliche Mexiko zur Grenze der USA sind. Die nicht immer wahrheitsgemäßen Warnungen vor „Gang-Mitgliedern“, „Terroristen“und „Unbekannten aus Nahost“, die sich unter die vermeintlich bezahlten Migranten gemischt hätten, verfehlten ihr Ziel nicht: Die Basis der Republikaner ist laut Umfragen mittlerweile genauso motiviert, am 6. November abzustimmen, wie jene der Demokraten – ein Trend, der sich auch in den bereits eingesandten Briefwahlsendungen widerspiegelt.
Das sind gute Nachrichten für Trump, denn lange hatte man eine niedrige republikanische Wahlbeteiligung befürchtet. Auch sein der Verfassung widersprechender und daher kaum realisierbarer Plan, die Vergabe der Staatsbürgerschaft bei Geburt im Inland via Erlass zu stoppen, soll einheizen.
Dass es aufseiten Trumps gar kein Innehalten gibt, löst harte Kritik aus. Denn sowohl Cesar Sayoc, der Paketbomben an zwölf prominente Trump-Gegner verschickt hat, als auch der rechtsradikale Antisemit Robert Bowers, der am Wochenende bei einem Terroranschlag elf Menschen in einer Synagoge in Pittsburgh ermordete, prangerten kurz vor ihren Taten die drohende „Invasion“in sozialen Medien an. Trump wies die Schuld von sich und rief zur Einheit auf – am Mon- tagabend wurde er in dieser Sache auch in Pittsburgh erwartet. Gegner halten das angesichts seiner wenig Einheit stiftenden, oft teils aufhetzenden Rhetorik freilich für einen zynischen Schachzug.
Wie sich die Ereignisse der letzten Wochen in den Umfragen insgesamt abbilden, ist noch nicht ganz klar. Vor allem, weil sich die Resultate teils widersprechen.
Da ist zunächst Trumps persönliche Zustimmungsrate, das Ap
proval Rating. Dieses hat zwar keinen direkten Einfluss, gilt aber als Indikator. Nach einem langsamen Anstieg hat es zuletzt bei rund 42 Prozent verharrt, so die Datensammler von FiveThirtyEight. Dafür tickte die Ablehnung jüngst von rund 51 auf 53 Prozent nach oben.
Dann ist da jener Datenpunkt, der den Republikanern Hoffnung macht, der Senat. Die kleinere Parlamentskammer, die Gesetzen zustimmen und Höchstrichtern und Ministern ihren mehrheitlichen Segen geben muss, bietet den Republikanern, die derzeit 51 Sitze haben, Zugewinnchancen. Die 100 Mitglieder werden in Zwei-JahresSchritten je zu einem Drittel erneuert. 26 von 35 Sitzen, die heuer vergeben werden, müssen die Demokraten verteidigen – viele in solide republikanischen Staaten. Umfragen sehen sehr wahrscheinlich 50 republikanische Sitze, möglich sind auch 54 oder 55.
Umgekehrt ist die Lage im Reprä
sentantenhaus. Viel mehr Sitze als sonst sind diesmal in der gesetzgebenden Kammer für die Demokraten zu holen. Das liegt an der Unbeliebtheit Trumps bei Frauen, gut Gebildeten und Minderheiten, am erwarteten Anstieg der Beteiligung Junger und an der demokratischen Überlegenheit bei Spenden. In Parteienumfragen, liegt „Blau“landesweit gesehen rund neun Punkte vor „Rot“. Vor allem wegen der parteipolitisch gelegten Wahlkreisgrenzen („Gerrymandering“) könnte es aber sein, dass die Demokraten in vielen Wahlkreisen mit ein oder zwei Prozent verlieren und in wenigen anderen mit 80 oder 90 Prozent siegen – und die Mehrheit doch verfehlen.
Hoffen dürfen sie aber auf die Gouverneurswahlen. In 21 von 36 neuwählenden Staaten könnten Demokraten siegen – bisher halten sie davon acht.
Was haben Claire Underwood, Angela Merkel, Sebastian Kurz und Donald Trump gemein? Zunächst reine Äußerlichkeiten: Alle vier sprechen mit den Händen.
Die deutsche Kanzlerin formt bei öffentlichen Auftritten ein Deltoid, Österreichs Staatsoberhaupt argumentiert in Löffelchenhaltung, der US-Präsident schüttelt und wachelt. Und Claire Underwood? Amerikas TVPräsidentin hält die Hände bei offiziellen und inoffiziellen Anlässen bevorzugt in Gebetsstellung – in- und aufeinander, gerne auch mit verschränkten Fingern.
Die Hände aller vier Staatsoberhäupter sprechen Bände. Merkel will Fokussiertheit ausdrücken, Kurz aufgeräumte Entschlossenheit vermitteln, Trump seine Qualität als Anpacker demonstrieren. Claire Underwoods Handhaltung – stets gepaart mit einem kühl-neutralem Gesichtsausdruck – spricht ebenfalls eine deutliche Sprache. Sie sagt: „In der Ruhe liegt die Kraft.“Und weiter: „Für mich gehe ich bis ans Ende der Welt – wenn es sein muss, auch über Leichen.“
Dabei soll es mit den Ähnlichkeiten auch schon gut sein. Es wäre vermessen, in Claire Underwood ein Hybridwesen aus Merkel’schem Pragmatismus, Kurz’scher Schweigepraktik und Trump’schem Größenwahn zu sehen – und was würde es bringen? Fakt ist, dass sie es zu guter Letzt an die Spitze geschafft hat.
„Ich bin an der Reihe“, ließ Underwood das Fernsehpublikum am Ende der fünften Staffel wissen. Da war noch nicht einmal klar, wie recht sie hat.
Ab 2. November ist Claire Underwood in der finalen Staffel der Netflix-Serie House of Cards endlich dort, wo sie hinwollte und – seien wir uns ehrlich – immer schon sein sollte: im Weißen Haus und an der Spitze der Vereinigten Fernsehstaaten von Amerika. Als 47. Präsidentin führt sie zu Ende, was sie über mindestens vier Staffeln gemeinsam mit ihrem Ehemann und Vorgänger Francis Underwood eingeleitet hat. Dieser ist inzwischen verschwunden, tot wahrscheinlich, so genau weiß man es nicht.
Für Trauer scheint ohnehin keine Zeit, und sie wäre in den Augen der First Lady sowieso verkehrt, ja geradezu absurd. Schließlich ist die Alternative viel verlockender, sie heißt: Macht. Und von ihr konnte sie noch nie genug kriegen oder wie die Neo-Staatschefin es ausdrückt: „Ich mag Eisen, aber ich liebe Feuer.“
Claire Hale, 1965 in Highland Park, Texas, geboren, wächst als Tochter von Elizabeth Hale in den wohlhabenden Verhältnissen einer Rancherfamilie auf. Sie besucht die Highschool an der prestigerächtigen Phillips Academy, ihren Bachelor macht sie in Umweltgesundheit und Chemie am Radcliff College – wo sie auch ihren späteren Ehemann kennenlernt, der später von ihr sagen wird: „Ich liebe sie mehr als Haie Blut lieben.“
Für sauberes Wasser
Den Master in Gesundheitswesen absolviert sie an der HarvardUniversität. Claire ist 22, als sie Francis Underwood heiratet. Über die folgenden Jahre ist wenig bekannt. 2013 setzt sie sich mit einer Nichtregierungsorganisation für sauberes Wasser ein. Ihre eigentliche Mission gilt vordergründig dem Gemahl, der keine noch so miese Tat scheut, um an die Macht zu kommen. Was er 2014 schließlich schafft. Als starke Frau steht sie hinter ihrem mächtigen Mann, aber sie stellt ihm auch ein Bein, wenn es die Situation erfordert. Wie sie ihre Rolle überhaupt situationselastisch sieht: Lügen, betrügen, andere ausspielen, Druck ausüben – wenn es der Sache dient, ist das alles okay. Solidarität mit Frauen? Enden wollend.
Im Oktober 2017 spielen Claire die Umstände in die Hände, als ihr zuletzt immer klotziger gewordene Gemahl unter den realen Verhältnissen zu Fall kommt. Kevin Spacey, der den schurkischen Politprofi spielt, stürzt über die #MeToo-Debatte.
Ein Verlust für Netflix, ein Geschenk für die Seriengattin. 130 Millionen Abonnenten der Onlineplattform in 190 Ländern der Welt werden das verkraften. Den Fauxpas, dass im deutschsprachigen Sendegebiet Sky und nicht Netflix die Serie zuerst zeigen darf, hätte die Präsidentin durch eine Intrige gewiss rasch beendet.
Wobei: Dass es Madam President überhaupt gibt, verdankt sie ihrer Darstellerin Robin Wright. Die Schauspielerin und Regisseurin soll sich nach dem Raus- schmiss Spaceys für die letzte Staffel starkgemacht haben. Unter anderem wegen mehr als 2500 Mitarbeitern, die um ihre Jobs bangten.
Das Finale kommt zur rechten Zeit. Am 6. November stehen am realen Politparkett Herbstwahlen an. Um die Rolle des größten Schurken in der US-Politik werden Akteure in nächster Zukunft da wie dort wetteifern. Donald Trump winkt und wachelt. Claire Underwood? Faltet die Hände.