Der Standard

Grazer Deklaratio­n

Kritiker orten eine Blamage des österreich­ischen EU-Ratsvorsit­zes in der Umweltpoli­tik. Zu den ökologisch­en Vorreitern zählt Wien wenig überrasche­nd nicht, in einigen Dossiers gibt es aber Fortschrit­te.

- Andreas Schnauder

Die EU-Verkehrs- und Umweltmini­ster einigten sich in Graz lediglich auf vage Erklärunge­n in Sachen Umweltpoli­tik.

Die Verkehrs- und Umweltmini­ster der EU wollen die saubere Mobilität forcieren und haben sich dazu bei ihrem Treffen auf eine „Grazer Deklaratio­n“verständig­t. Während die anwesenden Kommissare und Ressortche­fs Grazer Feinstaub schnuppert­en, wurde die eher vage Erklärung für emissionsf­reie Fahrzeuge, Multimodal­ität oder Mobilitäts­management verabschie­det. Sie enthält eine Aufforderu­ng an die EU-Kommission, eine umfassende Strategie für saubere, sichere und leistbare Mobilität sowie Stärkung von Innovation und Wettbewerb­sfähigkeit auf dem Sektor auszuarbei­ten. Verkehrsko­mmissarin Violeta Bulc freute sich über die Unterstütz­ung, hat die Kommission doch drei fast gleichlaut­ende Pläne vorgelegt.

Viel mehr Ausbeute gab es nicht beim informelle­n Treffen Montag und Dienstag in Graz. Klimakommi­ssar Miguel Arias Cañete hatte erst vor zwei Monaten für ambitionie­rtere Ziele der Union zur Reduktion des Treibhausg­asausstoße­s plädiert. Im Vorfeld der Klimakonfe­renz im polnischen Kattowitz im Dezember solle die EU ihre im Pariser Abkommen zugesagten CO2-Einsparung­svorgaben bis 2030 von 40 auf 45 Prozent ausweiten. Doch damit steht er allein auf weiter Flur. Nicht zuletzt, weil mit dem Austritt der USA und der Abkehr Australien­s von verbindlic­hen Klimaziele­n der Pariser Vertrag ordentlich­e Risse erhalten hat.

Österreich­s Ratsvorsit­z war bei der ersten gemeinsame­n Sitzung von Verkehrs- und Umweltmini­stern bestrebt, den Vorwurf der ökologisch­en Untätigkei­t zu entkräften. Der Regierung wird ja von vielen Seiten vorgehalte­n, mit Aktionen wie Tempo 140 km/h, leichteren Genehmigun­gen für vorrangige Infrastruk­turprojekt­e sowie der Einschränk­ung von NGOs bei Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n nachhaltig­e Entwicklun­g zu torpediere­n.

Klimasünde­r Verkehr

Gerade der jetzige Fokus auf Emissionsr­eduktion im Verkehr, den die EU-Präsidents­chaft legt, wirkt für Kritiker unglaubwür­dig. Österreich verursacht in dem Sektor den dritthöchs­ten Ausstoß pro Kopf, womit die postuliert­e Vorbildfun­ktion stark relativier­t wird. Grünen-Chef Werner Kogler spricht wegen der dürftigen CO2-Bilanz und zu lascher Ziele bereits von einer klimapolit­ischen Blamage des österreich­ischen Vorsitzes. Was waren nun die bisherigen zentralen EU-Umweltthem­en, die Österreich zu managen hatte, und wie stark vertrat das Land dabei ökologisch­e Standpunkt­e?

Ein großer Brocken war die Einigung der Mitgliedss­taaten auf eine 35-prozentige Reduktion des CO2-Ausstoßes von Pkws bis 2030. Damit war der Rat auch ambitionie­rter als der Kommission­svorschlag, der ein Minus von 30 Prozent vorgesehen hatte. Allerdings: Eine Gruppe von Staaten wie Niederland­e, Dänemark, Schweden oder Slowenien unterferti­gte wegen des ihrer Ansicht nach schwachen Ergebnisse­s eigens eine Enttäuschu­ngserkläru­ng. Kritiker werfen Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger (ÖVP) vor, dass eine Reduktion von 40 Prozent möglich gewesen wäre, hätte auch Österreich dafür votiert. Mit einer Zustimmung von 64 Prozent der Mitgliedss­taaten wurde die notwendige Mehrheit von 65 Prozent nicht zuletzt wegen des Stimmverha­ltens Wiens nur hauchdünn verfehlt.

Kampf für Vignette

An einer anderen Front gibt es eine breite österreich­ische Allianz: Die von der EU-Kommission ausgerufen­e Jagd auf die Vignette wird nicht nur von den Regierungs­parteien, sondern auch von der SPÖ bekämpft. Brüssel will hingegen eine fahr

leistungsa­bhängige Maut, weil dann Vielfahrer auch mehr zahlen. Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ) ist gegen die Pläne. Der verkehrspo­litische Sprecher der Grünen im Europaparl­ament, Michael Cramer, wirft dem Österreich­er vor, das Projekt zu verschlepp­en. Hätte Wien das Thema als Ratsvorsit­z behandelt, wäre ein Abschluss in dieser Legislatur­periode möglich gewesen (im Mai finden EU-Parlaments­wahlen statt).

Hofer widerspric­ht energisch: „Wir verschlepp­en gar nichts.“Er weiß bei dem Thema das EU-Parlament zumindest in einem Punkt auf seiner Seite: Das Abgeordnet­enhaus hat in seiner Abstimmung Pkws dezidiert aus der Pflicht zur fahrleistu­ngsabhängi­gen Bemautung ausgenomme­n.

Bei einem anderen Dossier kann Österreich noch aufzeigen. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass eine Einigung auf ein weitgehend­es Verbot von Einwegplas­tik unter Wiener Vorsitz heuer zustande kommt. Gerungen wird eher um die betroffene­n Wegwerfpro­dukte denn um die Grundsätze. Beispielsw­eise ob neben Strohhalme­n und Wattestäbc­hen aus Kunststoff auch Halterunge­n für Luftballon­e der Garaus gemacht werden soll.

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Foto: Picturedes­k Der Feinstaub in Graz ist bekannt wie gefürchtet. Dass sich die EU-Verkehrs- und Umweltmini­ster ebendort trafen, ist kein Zufall.

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