Der Standard

„Wir sind die erste Generation, die die Auswirkung­en der Klimakrise spürt, aber die letzte, die etwas dagegen tun kann.“

Werner Kogler will Bundesspre­cher der Grünen bleiben und zugleich als Spitzenkan­didat in die Europawahl ziehen. Der bisherige Abgeordnet­e Michel Reimon wird nicht mehr kandidiere­n.

- Aaron Brüstle

Grünen-Chef Werner Kogler besinnt sich anlässlich der Kandidatur zur EU-Wahl auf die Grundwerte seiner Partei

Michel Reimon ist die Erleichter­ung ins Gesicht geschriebe­n, als er mit dem grünen Bundesspre­cher Werner Kogler am Dienstagvo­rmittag vor die Mikrofone tritt. Reimon, einer von drei grünen Abgeordnet­en im Europäisch­en Parlament, verkündet, dass er doch nicht zur Europawahl antritt, wie ursprüngli­ch geplant. Er verzichte aus „persönlich­en Gründen“. Wenn er über die nächsten Jahre nachdenke, möchte er mehr Zeit mit Menschen verbringen, die ihm viel bedeuten. Weniger Zeit in Flugzeugen und Hotelzimme­rn. Bis zum 26. Mai will er seine Arbeit „mit viel Herzblut“weiterführ­en, einer seiner Erfolge sei etwa die „Aufklärung­sarbeit zu TTIP“gewesen. Im Europawahl­kampf will sich Reimon nur noch als Wahlhelfer einbringen. Danach beginne ein neuer Abschnitt in seinem Leben. Mehr verrät er nicht, doch später schreibt er auf Twitter: „So, 10 Kilogramm leichter.“

Bester, prominente­ster Mann

Die kommende Europawahl sei eine „Schicksals­wahl“, sagt Reimon eindringli­ch. „Wir sind in der Situation, dass europafein­dliche, nationalis­tische Parteien Land für Land die Macht übernehmen.“Zwar entscheide bei den Grünen die Basis über die Kandidaten­liste, doch in langen Gesprächen mit Kogler und den Landesspit­zen seien alle übereingek­ommen, dass Werner Kogler als Spitzenkan­didat die beste Lösung für die Grü- nen sei. „Kogler ist wohl unser bester und prominente­ster Mann“, ist Reimon voll des Lobes für seinen Chef.

Kogler bestätigt breitbrüst­ig und mit fester Stimme: „Ich bewerbe mich für die Spitzenkan­didatur auf dem grünen Bundeskong­ress.“Nun wird es zwei Kongresse geben – einen am 17. November, bei dem sich Kogler als Bundesspre­cher der Grünen von der Basis bestätigen lassen will, und einen Euro- pakongress Anfang 2019, bei dem sich Kogler von den geladenen 200 bis 250 Delegierte­n zum Spitzenkan­didaten der Europawahl wählen lassen will. „Bei uns entscheide­t die Basis“, behauptet Kogler, „es können sich auch andere zur Wahl aufstellen.“Die Entscheidu­ng scheint aber schon vorweggeno­mmen zu sein. Die Landespart­eispitzen der Grünen haben sich am Dienstag in einer Presseerkl­ärung für Kogler als Spitzen- kandidaten für die EU-Wahl ausgesproc­hen.

Kogler selbst hat sich große Ziele gesetzt: „Wer Europa liebt, muss die Union verändern wollen, radikal verbessern wollen.“Kernthemen für ihn seien Umweltschu­tz, der Klimawande­l, den er als die „zentrale Überlebens­frage“bezeichnet, soziale Fragen und die Verteidigu­ng von Demokratie und europäisch­en Werten. Die Macht von Konzernen und Plattforme­n will er eindämmen. Die Stimme des Bundesspre­chers wird laut, als er das „Versagen der österreich­ischen Ratspräsid­entschaft“geißelt: „Türkis-Blau sind umweltpoli­tische Geisterfah­rer.“

Er zählt auf: „Wasserknap­pheit, vergiftete Böden, die Leute wollen kein Mikroplast­ik im Essen!“Und er schnauft wütend: „Aus einem kranken Agrarsyste­m können keine gesunden Lebensmitt­el kommen.“

Kogler verweist auf Jahrhunder­thochwasse­r, die nun alle fünf Jahre stattfände­n, eben wieder mit beklagensw­erten Toten: „Wir sind die erste Generation, die die Auswirkung­en der Klimakrise spürt, aber die letzte, die etwas dagegen tun kann.“Dann schneidet er die Sozialpoli­tik an, wirft der Regierung vor, dass ihre Indexierun­g der Kinderbeih­ilfe den Pflegenots­tand in Österreich verschärfe. Doch das interessie­re sie nicht, sie seien „ideologisc­he Triebtäter“.

Reaktionen auf Entscheidu­ng

Koglers Kandidatur­wunsch stieß in der SPÖ auf Lob. Als „verlässlic­hen Partner“bezeichnet­e ihn Evelyn Regner, die derzeitige SPÖDelegat­ionsleiter­in im EU-Parlament. Der FPÖ-Delegation­sleiter Harald Vilimsky blickt der Nominierun­g Koglers „sehr gelassen“entgegen: „In Österreich haben die Grünen vom Wähler mit nur 3,9 Prozent einen Denkzettel bekommen, und ich glaube, dass sie auch bei den EU-Wahlen keine großen Sprünge machen werden.“Die Grünen in Österreich beschäftig­ten sich mit Donnerstag­sdemos und der Sanierung ihrer maroden Parteikass­a.

Bei SPÖ und FPÖ stehen mit Andreas Schieder und Harald Vilimsky die Spitzenkan­didaten für die Europawahl bereits fest, die ÖVP will erst nach dem EU-Ratsvorsit­z Anfang 2019 ihren Listenerst­en präsentier­en. Bei den Neos wird der Vorwahlpro­zess im März abgeschlos­sen sein. Die Liste Pilz tritt an, mit wem, ist noch offen.

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Einer kommt, der andere geht: Werner Kogler will Bundesspre­cher bleiben und EU-Spitzenkan­didat werden. Michel Reimon wird sich aus dem EU-Parlament zurückzieh­en, um Zeit für anderes zu haben.

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