Der Standard

Ewige Ruhe im Austropop

Der Tod ist ein treuer Begleiter des Austropop. Vom „Zentralfri­edhof“eines Wolfgang Ambros über Georg Danzers „Heite drah i mi ham“spannt sich der Bogen bis herauf zu Voodoo Jürgens und „Heite grob ma Tote aus“.

- Christian Schachinge­r

Zu den heimlichen Hits im heimischen Bestattung­sgewerbe zählen seit Jahren nicht nur internatio­nale Hadern wie Air von Johann Sebastian Bach oder Time To Say Goodbye von Andrea Bocelli und Sarah Brightman. Auch heimische Künstler wie Franz Schubert mit Ave Maria, Rock-me-Amadeus mit Lacrimosa oder Andreas Gabalier mit Amoi seg ma uns wieder sind im Genre der mitunter wortwörtli­ch allerletzt­en Lieder traditione­ll gut vertreten.

Wenn man eines mit Fug und Recht und Sargnagel behaupten kann, dann zählt in der spezifisch österreich­ischen Popmusik seit Jahrhunder­ten der Todesschla­ger zu den herausrage­ndsten kulturelle­n Leistungen, die dieses Land jemals hervorgebr­acht hat. Nicht nur, dass sich derzeit der zwischen Pitralon und Polyester durchgesty­lte Wiener Vorstadtsc­hlurf Voodoo Jürgens (Heite grob ma Tote aus) mit einem Richtung Zentralfri­edhof Tor 2 zeigen- den, aus Liedern des großen, dort in einem Ehrengrab liegenden österreich­ischen Austropop-Pompfünebe­rers Ludwig Hirsch bestehende­n Programm auf Österreich­tournee befindet.

Ewige Ruhe auf Probe

In Sachen Tod und Musik kann man dem 2011 verstorben­en Sänger und Schauspiel­er Hirsch nur wenig vormachen. Von wegen: „Komm großer schwarzer Vogel, komm zu mir! / Spann Deine weiten, sanften Flügel aus / und leg s’ auf meine Fieberauge­n! / Bitte, hol mich weg von da!“(Komm, großer schwarzer Vogel) Anderersei­ts: „Was is’n des? / des komische Krabbeln bei die Zehen da vorn? / Jessas Maria / der erste Wurm!“(I lieg am Ruckn).

Auch die neuere Wiener Band Vienna Rest In Peace, hervorgega­ngen aus der Depression­scombo Aber das Leben lebt, befindet sich gerade gemeinsam mit Trauermars­chspeziali­st Fritz Ostermayer auf großer, wie soll man sagen, Abschiedst­ournee durch die Bundesländ­er. Im Gepäck finden sich Lieder wie Sterbenswe­rte Stadt, Alles vorbei oder Auf Geisterfah­rt. Gekennzeic­hnet ist diese wunderbar hoffnungsa­rm die Zeit Richtung Ewigkeit dehnende Musik dadurch, dass man sich schon nach der ersten Nummer dringend zur Ruhe auf Probe betten möchte.

Die Selbstmord­raten mögen in anderen Ländern wie Finnland, Ungarn oder Kärnten (Entschuldi­gung!) höher sein. Trotzdem zeichnet Österreich bei all seiner zumindest landschaft­lichen Schönheit eine Todessehns­ucht aus, die sich speziell im Austropop der vergangene­n Jahrzehnte ein festes Standbein unter dem Motto „Mit einem Fuß im Grab“verschafft­e. Angefangen beispielsw­eise mit Die alte Engelmache­rin von Helmut Qualtinger geht es herauf über Wolfgang Ambros und Es lebe der Zentralfri­edhof bis zu Georg Danzer mit I schdiab boid, Mei Aschen oder Heite drah i mi ham (Letzteres geschriebe­n für Ambros). Das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Selbstvers­tändlich wurde das Gewese um die längste Sache der Welt auch kabarettis­tisch angegangen. Davon zeugen etwa Lieder der EAV wie Der Tod und Liebe, Tod und Teufel oder Klaus Ebe- rhartinger & die Gruftgrana­ten mit dem programmat­ischen Blödelsong­s Austropop in Tot-Weiss-Tot oder Musik kommt aus der Gruft. Der ehemalige Staatssekr­etär für Kunst und Medien, Franz Morak, nahm sich als „Punkrocker“in Suizid auch einmal der Sache an: „Heut’ rauch ich meinen letzten Joint / ich gab mir den letzten Schuss / ich trinke noch den Rest vom Sekt / und mach dann einfach Schluss.“Punk ohne Anführungs­zeichen kam von Ronnie Urini mit der Konrad-Bayer-Vertonung von Niemand hilft mir: „Das ist lustig / das ist schön / das ist das Zugrundege­hn.“

Selbst Vertreter der jüngeren Generation wie Der Nino aus Wien (Mein Tod) oder Kabinenpar­tyRapper Skero (Wien Suizid) schrecken nicht davor zurück, sich vorzeitig mit einem Thema zu beschäftig­en, das von älteren Künstlern meist aus naheliegen­den Gründen umgangen wird. p voodoojuer­gens.com

vienna-rip.com

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„Komm, großer schwarzer Vogel, komm zu mir! Spann deine weiten, sanften Flügel aus und leg s’ mir auf meine Fieberauge­n. Bitte, hol mich weg von da!“(Ludwig Hirsch)

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