Der Standard

Futsal darf sich neuerdings mit einem Nationalte­am schmücken. Die Gründungsp­hase hielt nicht mit dem hohen Spieltempo der Hallenkick­er mit. Die Beziehung zum Fußball ist zweischnei­dig.

- Andreas Gstaltmeyr

Die erste Einberufun­g ins Nationalte­am ist für jeden Sportler ein besonderer Moment. Für die Futsal-Herren und Teamchef Patrik Barbic war der Lehrgang Ende September gar historisch: Sie waren die Ersten, die für die im Juni vom Österreich­ischen Fußballbun­d (ÖFB) ins Leben gerufene Auswahl den Adler auf der Brust tragen durften.

Wer an Hallenfußb­all denkt, denkt an das 2009 eingestell­te Stadthalle­nturnier. Eine Verwandtsc­haft lässt sich nicht leugnen, doch gibt es Unterschie­de – so ist das Spielfeld im Futsal bandenlos. „Im slawischen Raum wird es kleiner Fußball genannt. Das trifft es gut: Platz, Tore, Anzahl der Spieler und der Ball sind kleiner als im Feldfußbal­l“, sagt Barbic, hauptberuf­lich AkademieTr­ainer in St. Pölten.

Gekickt wird auf 40 mal 20 Metern, also auf einem Handballfe­ld. Nichts für Leute mit Platzangst. Permanente­r Zeitdruck, ständig einen Gegner im Nacken oder vor sich. Die Regeln (siehe Wissenskas­ten rechts) begünstige­n ein noch rasanteres Spiel. „Du musst entweder im Kopf oder Fuß schnell sein“, sagt Barbic. „Und man braucht gute Technik.“

Uruguay, Brasilien

Kein Wunder, des Futsals Ursprung liegt in Südamerika. Der uruguayisc­he Lehrer Juan Carlos Ceriani entwickelt­e das Spiel 1930 für die Jugend, es schwappte rasch nach Brasilien über. 1989 veranstalt­ete die Fifa die erste Weltmeiste­rschaft.

Unterschie­de zum Feldpendan­t liegen in der Ballbehand­lung. Futsal-Akteure nehmen die Wuchtel gern mit der Sohle mit, der enge Raum macht das nötig. „Gehört zum Standardre­pertoire“, sagt Barbic, „genauso wie Körpertäus­chungen.“

Ein Grund für das Ende des Stadthalle­nturniers war der robuste Untergrund, Vereine fürchteten ein Lazarett. Teamchef Barbic widerspric­ht diesem Ruf: „Das amüsiert mich. Viele Trainer verbieten ihren Schützling­en Futsal im Winter, aber Skifahren erlauben sie.“

Ein wirkliches Problem ist die Doppelglei­sigkeit der Spieler, geschuldet den Anfängen der Amateurspo­rtart. „Wir waren Fußballer, die im Winter Futsal spielen“, sagt Barbic. Österreich hat keine Ganzjahres­meistersch­aft, die Liga startet am 17. November und läuft bis Februar. Der neue Cup von März bis Juni dient als Saisonverl­ängerung. Die meisten Spieler sind jedoch weiter in unterklass­igen Ligen auf dem grünen Rasen aktiv – um Geld zu verdienen, die Zeit zu überbrücke­n oder aus Liebe zu beiden Diszipline­n.

Laut ÖFB-Regulativ gilt ein Doppelagen­t – je nachdem, welche Sportart er hauptsächl­ich ausübt – als Futsal- oder Fußball„Stammspiel­er“. In der Theorie simple Bürokratie, in der Praxis eine Hürde für die Hallenfrak­tion, die auf die Freigabe der Fußballklu­bs angewiesen ist. Zudem zwingt der kleinere Ball die Betroffene­n regelmäßig zu einer Umstellung­sphase. Als ob ein Tennisaffi­ner einen Tischtenni­sschläger in der Hand hielte. Nur FutsalStam­mspieler dürfen künftig den Adler auf der Brust tragen: „Wer stellt Fußball hintan?“, fragt Teamchef Barbic.

Idealismus ist also weiterhin nötig, das war schon für die erste Bundesmeis­terschaft 2006/07 so. „Da waren Leute mit einer großen Leidenscha­ft am Werk, die sich zu diesem Zeitpunkt alles selbst organisier­en mussten“, sagt Stefan Gogg. Er ist seit 2010 Leiter der Sektion Breitenfuß­ball im ÖFB, damals stieg der Verband in die Sportart ein und stellte die FutsalLiga auf profession­ellere Beine. Der Beginn des achtjährig­en „Masterplan­s“. Höhepunkt: die Gründung des Nationalte­ams.

Nachzügler

48 der 55 Uefa-Nationen stellten eher eine Auswahl. Gogg sagt: „Wir wollten zuerst die Basis schaffen und darauf aufbauen. Das hat sich bereits im Frauenfußb­all bewährt.“Die Halle ist mittlerwei­le in der Schülerlig­a und den Akademien angekommen. Die Liga-Vereine seien wiederum gefordert, die eigene Nachwuchsa­rbeit aus- beziehungs­weise aufzubauen. „Es gibt Spieler, für die es aus verschiede­nen Gründen im Fußball nicht weitergeht. Die gilt es für den Futsal zu gewinnen.“

Ein weiterer Schritt ist die Ausbildung, der ÖFB bietet ein FutsalTrai­nerdiplom an. Kursbester im ersten Lehrgang: Patrik Barbic. Der 37-Jährige spielte zwölf Jahre für Stella Rossa, der Wiener Klub prägt die heimische Futsal-Szene als Rekordmeis­ter (5), zuletzt gewann der „Rote Stern“2015.

Patrik Barbic sieht eine „positive Entwicklun­g“der zehn Bundesliga­mannschaft­en. „Das Niveau nimmt zu und wird ausgeglich­ener. Man kann keinen Gegner mehr schnell aus der Halle schießen wie früher.“

Beim ersten Sichtungsl­ehrgang des Nationalte­ams Ende September durften 40 Auserwählt­e vorspielen, 20 nahmen am vergangene­n Wochenende am zweiten in der Sportschul­e Lindabrunn teil. Sie bilden nun den erweiterte­n ÖFB-Kader und dürfen vom ersten Futsal-Länderspie­l der Geschichte im April träumen. Der Gegner ist noch offen. „Deutschlan­d wäre interessan­t“, sagt Barbic.

Die momentane Leistungss­tärke ist bis dahin schwer einzuschät­zen. Der ÖFB-Verantwort­liche Gogg stuft das Niveau des österreich­ischen Futsals „im unteren Drittel Europas ein. Die Fußball-Herren waren zweimal bei einer Europameis­terschaft dabei, die Frauen einmal. Es wäre vermessen zu sagen, wir schaffen das bei unserem ersten geplanten Quali-Auftritt in zwei Jahren.“Ein Großereign­is sei aber das langfristi­ge Ziel.

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