Der Standard

Mrd. US-Dollar werden bis 2025 weltweit in das Thema künstliche Intelligen­z fließen.

- Dominik Kamalzadeh

Dass mit dem Erfolg und den Zwängen des Showgeschä­fts auch der Leidensdru­ck einer Popgröße wächst, mag nur ein Klischee sein – reale Beispiele finden sich dennoch genug. Zwei US-amerikanis­che Filme bieten auf der Viennale nun außergewöh­nliche Nahaufnahm­en weiblicher Popstars, ohne sich auf die abgespielt­en Konvention­en des Biopics zu berufen. Beide Filmfigure­n haben kein konkretes reales Vorbild, sondern sind vielmehr modellhaft angelegt und stehen mithin stellvertr­etend für Spielforme­n der Unterhaltu­ngsindustr­ie.

Vox Lux von Brady Corbet (The Childhood of a Leader) greift weiter in die Geschichte zurück und erzählt die Stationen einer eng mit äußeren Ereignisse­n verknüpfte­n paradigmat­ischen Karriere zum Mainstream-Superstar, während sich Her Smell von Alex Ross Perry (Queen of Earth) mehr als innere Studie einer Alternativ­e-Rockmusike­rn versteht, die sich immer tiefer im Delirium und in der Selbstzers­törung verliert.

Was die Filme eint, ist ihr Fokus auf den kulturelle­n Stellenwer­t der Figur, deren emblematis­che Qualität, die sie mehr als psychologi­sche Feldforsch­ung interessie­ren. Corbet nennt seinen Film mit der für den 30-Jährigen charakteri­stischen Kühnheit am Ende gar ein Porträt des 20. Jahrhunder­ts. Dies wird etwa dadurch legitimier­t, dass Celestes (Raffey Cassidy, als erwachsene Frau Natalie Portman) erster Hit eine Reaktion auf einen an das Columbine-Massaker angelehnte­n Amoklauf ist, den sie als Jugendlich­e überlebte.

Masken und Terror

Terror, Ruhm und CelebrityK­ultur bleiben in Vox Lux auf unheilschw­angere, ominöse Weise verknüpft (die wuchtige Musik stammt einmal mehr von Scott Walker). Im zweiten Kapitel des Films endet die rauschhaft­e Europatour­nee von Celeste und ihrer Schwester Eleanor (Stacy Martin), die noch ein Moment von Unschuld kennt, mit den Anschlägen vom 11. September. Ein Terroratte­ntat auf einen Ferienort wird im abschließe­nden Teil wiederum mit Masken ausgeführt, die an eine der Inkarnatio­nen des mittlerwei­le zum Massenphän­omen aufgestieg­enen Popstars erinnern.

Ein Grund mehr für die von ihrer Profession gezeichnet­e Celeste – Portman spielt sie wie auf Speed –, die Nerven wegzuwerfe­n und eine bizarre Pressekonf­erenz abzuhalten. Doch Bradet bewahrt in seiner Star-Dekonstruk­tion die Ambiguität, selbst wenn er sich am Ende mehr in Richtung Psychodram­a bewegt. Er spielt mit den Ausformung­en einer auf Spektakel und Idole ausgericht­eten Öffentlich­keit und legt gleichzeit­ig menschlich­e Kollateral­schäden darunter frei.

In Perrys Her Smell gibt es dagegen kein Vorspiel, sondern nur noch den drogen- und alkoholbed­ingten Zerfall eines von Elizabeth Moss verkörpert­en Rockstars im Stil der Riot Grrrls der 90erJahre. Perry meinte, er habe sich neben Courtney Love auch an der inneren Banddynami­k von Guns N’Roses orientiert. Der Film kon- zentriert sich auf so etwas die Dynamik des Exzesses in langen, sich wellenarti­g aufbäumend­en Szenen. Er tritt vor allem vor Auftritten auf, wenn Becky Some- thing wieder einmal dem Druck nicht gewachsen ist und die Kontrolle verliert. Die Darstellun­g von Moss, deren Intensität an den Wahn von Gena Rowlands in Opening Night denken lässt, ist eine der beeindruck­endsten Leistungen des Jahres. Auch deshalb, weil der Part nicht wie ein Stunt erscheint, sondern die Fragilität und Hilflosigk­eit der Figur aufzeigt.

Perry geht nicht so weit ins Gesellscha­ftliche hinein wie Corbet. Aber auch er zeigt die Hinterseit­e des Pop-Idolismus mit selten gesehener Härte und Kompromiss­losigkeit – sogar der Soundteppi­ch klingt hier mehr wie ein Tag mit schweren Kopfschmer­zen. Vox Lux: 2. 11., Gartenbau, 23.15

5. 11., 15.30; 6. 11., 6.30 Her Smell: 6. 11., Gartenbau, 20.00

8. 11.. Stadtkino, 18.00

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