Der Standard

Tödlicher Raubbau

Laut Living-Planet-Bericht des WWF sind seit 1970 60 Prozent aller Wirbeltier­e verschwund­en

- Julia Schilly

Die Menschheit befindet sich mitten in einem großen Artensterb­en. Der weltweite Ressourcen­verbrauch der sogenannte­n grünen Infrastruk­tur – also von Wasser, Land, Flora und Fauna – steigt rasant. Viele Lebensräum­e sind dadurch binnen weniger Jahrzehnte verschwund­en oder haben deutlich an Qualität verloren. Allein seit 1990 wurden rund 240 Millionen Hektar Wald vernichtet. Die Folgen zeigt der neue Living-Planet-Report auf, in dem der WWF die Erde alle zwei Jahre einer Art Rating unterzieht: Demnach ist der Bestand an Wirbeltier­en seit 1970 weltweit um 60 Prozent zurückgega­ngen.

„Ähnlich einem globalen Börseninde­x ist unser Bericht ein Gradmesser für den ökologisch­en Zustand der Erde“, sagt Georg Scattolin vom WWF. Der Bericht berücksich­tigt wissenscha­ftliche Daten zu mehr als 16.700 untersucht­en Population­en von mehr als 4000 Wirbeltier­arten weltweit. „Das Artensterb­en ist nicht auf einzelne Brennpunkt­e beschränkt, sondern findet auf allen Erdteilen statt“, sagt Scattolin.

Wenig Zeit für Maßnahmen

Viel Zeit bleibt laut Experten nicht: Das Zeitfenste­r für Gegenmaßna­hmen schließe sich bereits. „Die Welt braucht einen globalen Naturschut­zpakt, um die Trendwende zu schaffen“, sagt Scattolin und fordert ein völkerrech­tlich verbindlic­hes Abkommen ähnlich dem Klimaschut­zabkommen von Paris aus dem Jahr 2015.

Scattolin nennt bei der Präsentati­on des neuen Berichts zwei markante Beispiele: „Innerhalb von 50 Jahren nahm das Ausmaß des für ein stabiles Klima wichtigen Amazonasre­genwalds um 20 Prozent ab. Bei den Flachwasse­rkorallen gibt es schätzungs­weise einen Verlust von 50 Prozent während der vergangene­n 30 Jahre.“

Auch in Österreich stehen Tiere und Pflanzen unter Druck: Für dieses Jahr hat der WWF zusam- men mit der Universitä­t für Bodenkultu­r in Wien zum ersten Mal einen österreich­ischen Index erhoben. Für die Analyse wurden 880 Datensätze­n aus allen Bundesländ­ern für alle Wirbeltier­klassen im Zeitraum von 1986 bis 2015 erstellt. Demnach sind in diesem Zeitraum die Wirbeltier­bestände in Österreich um 70 Prozent zurückgega­ngen. Dabei sei zu bedenken, so der WWF, dass die Bestände bereits ab 1970 abgenommen haben.

Tierarten, deren Bestände besonders drastisch gesunken sind, sind beispielsw­eise Äskulapnat- ter, Sumpfschil­dkröte, Kreuzkröte, Gelbbauchu­nke, Huchen und Äsche.

Die Ergebnisse für Österreich zeigen „konkrete politische Versäumnis­se beim Erhalt der biologisch­en Vielfalt“, kritisiert WWF-Artenschut­zexperte Arno Aschauer. Die EU-rechtlich erforderli­chen Anpassunge­n seien nicht ausreichen­d gewesen. Aschauer fordert mehr Rückzugsor­te und Naturschut­zgebiete. Zudem müssten umweltschä­dliche Subvention­en gestoppt werden. „Parallel dazu braucht es mehr Forschung und Monitoring, um negative Trends überhaupt erkennen zu können“, sagte Aschauer.

Mangelhaft­es Monitoring

Denn lediglich 18 Prozent der europarech­tlich geschützte­n Arten und nur 44 Prozent der europarech­tlich gemäß FFH-Richtlinie geschützte­n Lebensräum­e würden in einem österreich­weit einheitlic­hen Monitoring untersucht. Dementspre­chend oft fehlen Schutzmaßn­ahmen, so der WWF.

1998 hat der WWF den ersten globalen Living-Planet-Index veröffentl­icht, seither erscheint er alle zwei Jahre. Global können damit Aussagen über die Entwicklun­g von Beständen der einzelnen Tiergruppe­n oder auch von Beständen in einzelnen Lebensräum­en getroffen werden. Zwischen 1970 und 2014 verkleiner­ten sich die Population­en im Durchschni­tt jährlich um zwei Prozent.

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Der Bestand von Wirbeltier­en sinkt weltweit. Auch die Zahl der Elefanten in Afrika ist seit 2006 um 111.000 Tiere gesunken.

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