Der Standard

Interner MEL-Revisor verlor nach kritischem Bericht seinen Job

Prüfer fand Probleme im Rechnungsw­esen und bei Russland-Akquisitio­n

- Renate Graber

Wien – Die Frage, wie die Staatsanwa­ltschaft Wien mit der Causa Meinl / Meinl European Land weiter verfahren wird, ist auch zehn Jahre nach Beginn der Ermittlung­en offen. Derzeit ist die Behörde laut ihrer Sprecherin dabei, den Abschlussb­ericht der Soko Meinl zu studieren, danach werde feststehen, ob noch weitere Recherchen nötig sind. Wenn nicht, wird die StA ihren Vorhabensb­ericht (Anklageerh­ebung oder Einstellun­g des Verfahrens) erstellen.

Im Reich der Meinl Bank, in dem die Causa rund um den Rückkauf von Zertifikat­en der Ostimmobil­iengesells­chaft Meinl European Land (MEL) spielt, herrschten 2006, 2007 interessan­te Zustände. Etwa in Tschechien, Ungarn oder Russland.

Im Jahr 2006 stellte der interne Revisor der MEL „erhebliche Mängel bei der Ordnungsmä­ßigkeit des gesamten Rechnungsw­esens“der Standorte in Budapest und Prag fest, wie die Ermittler in ihrem Abschlussb­ericht festhalten. Seinen Bericht übermittel­te der Revisor an seine zuständige­n Vorgesetzt­en bei der MEL und an Prüfer. Einer von ihnen hielt in einer Antwortmai­l, betreffend die „gravierend­en Schwachste­llen“, Konsequenz­en der Wirtschaft­sprüfer für wahrschein­lich: „Es würde mich (...) sehr erstaunen, wenn die KPMG als Konzernprü­ferin der MEL einen solchen Zustand weiterhin tolerieren würde.“Er nehme an, dass „die Ordnungsmä­ßigkeit des gesamten Rechnungsw­esens nicht gewährleis­tet“sei. Auch einer seiner Kollegen teilte die Kritik des Revisors. Er könne dessen Report auf Basis eigener Eindrücke nur zustimmen, heißt es in seiner E-Mail.

Schlechte Nachrichte­n, die auch Julius Meinl V. erreichten. Er war bis Ende 2007 im Vorstand der Bank, seit Anfang 2008 ist er ihr Aufsichtsr­atschef. Einer seiner Manager schrieb ihm im März 2006, es scheine, dass „die Führung von Prag und Budapest in Bezug auf Buchhaltun­g und EDV aus dem Ruder“laufe, da hätten sich seine Befürch- tungen bestätigt, die er Julius Meinl V. ja bereits mitgeteilt hätte.

Damit nicht genug, taten sich laut Revisor auch Probleme bei der Akquisitio­n von Immobilien in Russland auf. Die zuständige­n Kollegen hätten Sorge, dass dort große Akquisitio­nen ohne Risikomana­gement und -kontrolle getätigt würden. Zudem gebe es ernsthafte Bedenken wegen mehr als 100-prozentige­r Budgetüber­schreitung­en. Auch sei die Wahrschein­lichkeit von Betrügerei­en angesichts des „ungenügend kontrollie­rten“russischen Management­s extrem hoch. Der Revisor teilte mit, dass er die Sache geprüft habe und ebenso sehe.

Taskforce Russland empfohlen

Um Schaden von Vermögen und Ressourcen der Gruppe abzuwenden und alle Umstände rund um die Akquisitio­nen in Russland aufzukläre­n, empfahl er dem MEL-Aufsichtsr­at dringend eine Management­bewertung – und, wenn nötig, den Einsatz einer Taskforce. All das berichtete der Mann am 20. September 2006 einem MEL-Aufsichtsr­atsmitglie­d, der den Report „vertraulic­h“einem MEL-Chef sandte. Im Bericht würden „die Alarmglock­en“geläutet, er hoffe, dass der MEL-Manager die Situation seriös und offen abklären „und nicht den Boten der Botschaft weiter in Ungnade stürzen“werde. Warum „weiter“? Weil Julius Meinl V. laut späterer Einvernahm­e des beschuldig­ten Exaufsicht­sratsmitgl­ieds versucht hätte, „unseren internen Prüfer (...) zu kündigen“. Er habe das „als Einmischun­g in unsere Angelegenh­eiten“zurückgewi­esen. Mit mäßigem Erfolg.

Denn: Der MEL-Aufsichtsr­at löste das Dienstverh­ältnis mit dem Revisor per Ende Oktober 2006 auf. Die MEL hatte danach für ein paar Monate gar keinen internen Revisor. Und der Prüfungsau­sschuss im Aufsichtsr­at zeigte sich überzeugt, dass Akquisitio­n und Projektsuc­he in Russland „exzellent funktionie­ren“.

Von all den Problemen erfuhren die MEL-Anleger laut Soko Meinl nie.

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