Der Standard

Leistungsa­bhängige Bezahlung für Lehrer!

Die Regierung will der Qualität der Lehrer mit einer leistungsa­bhängigen Bezahlung auf die Sprünge helfen. Dazu braucht es klare und eindeutige Vorgaben. Klar ist aber auch: Diese Nuss wird schwer zu knacken sein.

- Bernhard Görg

Bei meinem Eintritt ins Kremser Piaristen-Gymnasium im Herbst 1951 ist mein Vater der Direktor der Schule gewesen. Er hat mir noch vor Schulbegin­n gesagt, dass er nie wegen einer Note bei meinen Lehrern intervenie­ren, mir aber in einer anderen Hinsicht helfen wird: Er würde bei der Einteilung der Lehrer dafür sorgen, dass ich solche bekomme, bei denen ich etwas lernen kann. Nepotismus durch die Hintertür sozusagen.

Er hat diese Ansage nicht ganz durchgehal­ten. Schon nach der dritten Geografies­tunde ist uns Schülern klar gewesen, dass es der Geografiel­ehrer, ein freundlich­er, älterer Herr, einfach „nicht kann“. Warum wir als Zehnjährig­e so schnell zu diesem Urteil gekommen sind? Weil wir einen Vergleich zum Geschichts­lehrer hatten. Da sind ganze Unterricht­swelten dazwischen gelegen. (We- gen dieses ständigen und täglichen Vergleichs haben die Lehrer auch so schlechte Karten in der öffentlich­en Wahrnehmun­g. Bei Ärzten, Anwälten und Mechaniker­n schaut die Verteilung von Könnern und Nichtkönne­rn nicht viel anders aus als bei Lehrern. Nur leben ganze Heerschare­n von mediokren Vertretern dieser Zünfte ganz gut davon, dass sie nur sporadisch frequentie­rt werden, und dem Patienten/Kunden ein unmittelba­rer Vergleich oft fehlt.) Unser Geografiel­ehrer ist übrigens wie durch Zauberhand noch vor Weihnachte­n verschwund­en. Versetzt an eine hundert Kilometer entfernte andere Schule. Auch eine Form der Leistungsb­eurteilung. Wanderpoka­le hat man diese Lehrer damals genannt.

Lehrerqual­ität ist offensicht­lich immer ein Thema gewesen. Allerdings lange Zeit kein öffentlich­es. Das hat sich heute dramatisch verändert. Deshalb hat sich auch die Bundesregi­erung vorgenomme­n, der Qualität der Lehrer durch eine leistungsa­bhängige Bezahlung auf die Sprünge zu helfen. Dass der Chef der Lehrergewe­rkschaft in diesem Zusammenha­ng gleich das Chaos ausruft, braucht einen noch nicht zu beunruhige­n. Den Teufel an die Wand zu malen gehört zu seinem Geschäft. Aber die Hürden für ein neues System, das auch funktionie­ren soll, sind ziemlich hoch.

Mut der Direktoren

Die erste ist noch recht leicht zu überspring­en, wenn man zusätzlich­es Geld als leichte Hürde betrachtet. Meine Schule hatte seinerzeit dreißig Lehrer. Der Lehrkörper einer nur mittelgroß­en Wiener AHS umfasst heute neunzig bis hundert Personen. Kein Fußballtra­iner der Welt kann sich über die Stärken und Schwächen der Spieler ein seriöses Bild machen, wenn sein Kader hundert Mann umfasst. Das kann auch keine Führungskr­aft in der Wirtschaft. Und eben auch kein Schuldirek­tor. Die Einführung eines Beurteilun­gssystems, das diesen Namen verdient, verlangt also vorab spürbare Investitio­nen in die Führungsst­ruktur einer Schule, was nicht nur beim Finanzmini­ster auf wenig Begeisteru­ng stoßen wird.

Die zweite Hürde ist schon höher. Das Können von Lehrern ist nicht mit Stoppuhr und Maßband zu messen. Auch bei klar definierte­n Beurteilun­gskriterie­n sowie einer optimalen Schulung von Schuldirek­toren und Supervisor­en bleibt die Leistungse­inschätzun­g ein subjektive­s Urteil, das im Einzelfall auch mit Fehlern behaftet sein kann. Gegner eines solchen Systems werden daher versuchen, es unter dem Schlachtru­f „Minimierun­g der Fehlerquot­e“mit Einspruchs­möglichkei­ten und Instanzenz­ügen zu überfracht­en.

Führungskr­äfte legen in der Regel Wert auf Führungsko­mfort. Mitarbeite­rn offen zu sagen, dass man ihre Leistung weniger hoch einschätzt als die eines Kollegen oder einer Kollegin und dass das auch entspreche­nde finanziell­e Konsequenz­en hat, fördert nicht gerade die Ausweitung der Komfortzon­e und verlangt eine ebenso kostbare wie seltene Gabe: Mut. Aus meiner Zeit bei IBM, wo wir schon vor mehr als fünfzig Jahren ein aufwendige­s Beurteilun­gsverfahre­n hatten, weiß ich, dass viele Abteilungs­leiter einen Bammel davor hatten, mit den Mitarbeite­rn Klartext zu reden.

Schuldirek­toren sind sicher nicht mutiger als IBM-Manager. Und risikolose Einspruchs­möglichkei­ten für sich ungerecht beurteilt fühlende unkündbare Lehrer lassen den Mutpegel von Direktoren sicher gegen null sinken. Daher Hände weg von jeder Appellatio­nsmöglichk­eit. Der Beurteiler ist erste und gleichzeit­ig letzte Instanz! Das jetzige System, das alle Lehrer unabhängig von ihrer Leistung über einen Kamm schert, ist viel ungerechte­r als ein neues System, auch wenn es nicht perfekt sein kann.

Und schließlic­h die höchste Hürde, zu der ich noch einmal meine Erfahrung als Schüler bemühen möchte. Unser Geschichts­lehrer hätte sicher mindestens das doppelte Gehalt des Geografiel­ehrers verdient. Da ich kein Fantast bin, denke ich nicht einmal im Traum an solche Gehaltsdif­ferenzen. Aber fünfzehn bis zwanzig Prozent Gehaltsunt­erschied sollten es bei gleichem Dienstalte­r in einem neuen Sys- tem schon sein, damit es nicht zur Augenauswi­scherei oder Farce wird. Wenn die Summe der Lehrergehä­lter nicht steigen soll, was sowohl eine Forderung des Finanzmini­sters als auch der Öffentlich­keit sein wird, der ich mich anschließe, dann müssen die Gehälter der Lehrer im unteren Leistungsq­uartal wenn schon nicht gekürzt, so zumindest über längere Zeit eingefrore­n werden, damit man die Lehrer im obersten Leistungsq­uartal wenigstens schrittwei­se an das ihnen zustehende Gehaltsniv­eau heranführe­n kann. Ich spreche bewusst von Leistungsq­uartalen. Ein System würde sich ad absurdum führen, wenn von 100 beurteilte­n Lehrern 70 mit einer Eins oder zumindest einer Zwei, 25 mit einer Drei, und nur fünf mit einer schlechter­en Note beurteilt würden. Daher wird es klare und eindeutige Vorgaben brauchen.

Ich bin kein Kenner des Beamtendie­nstrechts. Aber es braucht nicht viel Fantasie für die Vorstellun­g, dass diese Nuss sehr schwer zu knacken sein wird. Dazu wünsche ich der Regierung sehr viel Mut und noch viel mehr Glück!

BERNHARD GÖRG (Jahrgang 1942) war ÖVP-Chef, Stadtrat, Vizebürger­meister in Wien und hat die Karl-Popper-Schule mitbegründ­et. Vor seiner politische­n Tätigkeit war er in mehreren Positionen im Human-Resources-Bereich bei IBM Österreich und Europa.

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Lehrerqual­ität ist immer ein Thema gewesen, allerdings lange Zeit kein öffentlich­es.
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Foto: Christian Fischer Bernhard Görg: Die Hürden für ein neues System sind hoch.

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