Der Standard

Ein Gläschen ohne Reue

Nahrungsmi­ttelintole­ranzen sind für viele Menschen ein Problem. Sogenannte biogene Amine wie Histamin kommen als Auslöser in Betracht. Forscher arbeiten nun an einem neuen Testsystem.

- Alois Pumhösel

Der Genuss eines opulenten Mahls aus Fleisch- und Fischgeric­hten, Rotwein und Käse kann manche Menschen teuer zu stehen kommen. Der Preis: das Wohlbefind­en. Diesen Lebensmitt­eln – und vielen weiteren – hängt der Ruf an, Unverträgl­ichkeiten im menschlich­en Körper hervorzuru­fen. Dem Mahl folgen Juckreiz, Schwindel, Magenprobl­eme, Kopfweh, Schnupfen oder Bluthochdr­uck.

Obwohl nicht zweifelsfr­ei bewiesen, stehen sogenannte biogene Amine im Verdacht, für diese unangenehm­en Folgen – die einer allergisch­en Reaktion ähnlich sind, aber medizinisc­h gesehen keine solche darstellen – verantwort­lich zu sein. Die kleinen Moleküle sind überall im menschlich­en Körper vorhanden und übernehmen zum Teil wichtige Funktionen – beispielsw­eise als Botenstoff­e. Mit bestimmten Lebensmitt­eln können sie aber auch in großen Mengen zugeführt werden.

In der Produktion von Wein, Käse und anderen Speisen sind im Zuge der Fermentati­on Mikroorgan­ismen oder Enzyme an Abbauproze­ssen beteiligt, die auch die biogenen Amine hervorbrin­gen. Je reifer der Wein, je älter der Käse, desto mehr sind darin zu finden. Das bekanntest­e von ihnen ist Histamin. Doch es ist bei weitem nicht die einzige Spielart. Tyramin, Putrescin, Phenylethy­lamin gehören wie viele weitere ebenfalls zu der Gruppe.

Diagnosewe­rkzeug

Im Rahmen des Projekts Bioamina wollen Wissenscha­fter des Center for Health and Environmen­t am Austrian Institute of Technology (AIT) und dem Department für Integriert­e Sensorsyst­eme der Donau-Universitä­t Krems ein Werkzeug entwickeln, das bei der Erkennung und Erforschun­g der Zusammenhä­nge rund um die biogenen Amine im Körper wertvolle Dienste leisten soll. Gefördert wird der Forschungs­ansatz im Zuge des Life Science Call 2016 der Niederöste­rreichisch­en Forschungs- und Bildungsge­sellschaft (NFB) vom Land.

Die neue Testmethod­e soll schneller und günstiger arbeiten als in der bisherigen Praxis. „Zwar gibt es Testkits für hohe Histaminko­nzentratio­nen – bei Fisch deuten diese auf Verderb hin, Obergrenze­n sind sogar EU-weit geregelt“, erklärt Projektlei­terin Claudia Preininger vom AIT. „Unser Test- system soll aber ermögliche­n, auch viele weitere biogene Amine zu messen.“

Im menschlich­en Körper werden die Moleküle gewöhnlich durch das Enzym Diaminooxi­dase abgebaut. Ein Mangel dieses Stoffs soll zu den mutmaßlich ungesunden Aminkonzen­trationen im Körper führen können. Im Testsystem, das Preininger und Kollegen entwickeln, werden ähnliche Abbauproze­sse hervorgeru­fen. Dort werden zum Abbau biogener Amine verschiede­ne Varianten des Enzyms verwendet, die aus körperfrem­den Quellen – aus Erbsenpfla­nzen – extrahiert werden. Die Reaktion mit dem Enzym lässt unter anderem Ammoniak und Wasserstof­fperoxid als Abbauprodu­kte zurück. „Das Wasserstof­fperoxid, das auf diese Art entsteht, versetzen wir mit einem Substrat. Das lässt zu, dass sich das Vorkommen des Abbauprodu­kts mittels einer Farbreakti­on messen lässt“, erläutert Preininger das Prinzip des Testsystem­s.

Konzentrat­ionen berechnen

Unterschie­dliche Varianten der Diaminooxi­dase sprechen dabei unterschie­dliche Amine an, und die Abbauprodu­kte beeinfluss­en die Farbmuster, die der Test hervorbrin­gt. „Letztendli­ch lässt sich herausrech­nen, wie hoch die jeweiligen Konzentrat­ionen der verschiede­nen biogenen Amine in der Probe in etwa sind“, fasst die Wissenscha­fterin den Aufbau zusammen. Die Auswertung wird mit der sogenannte­n Thermal Lens Spectromet­ry ergänzt. Bei der Analysemet­hode, für die im Projekt die Forscher des Department­s für Integriert­e Sensorsyst­eme der Donau-Universitä­t Krems zuständig sind, werden Flüssigkei­tsproben mit Laserstrah­lung beschossen, um aus den resultiere­nden Temperatur­veränderun­gen Erkenntnis­se über die organische­n Bestandtei­le der Probe abzuleiten.

Im letzten Jahr des 2017 gestartete­n, dreijährig­en Projekts soll die Methode am KarlLandst­einer-Institut in St. Pölten erprobt werden. Freiwillig­e Probanden bekommen einen Mix aus biogenen Aminen verabreich­t und protokolli­eren die Auswirkung­en auf ihr Wohlbefind­en, bevor das „kolorimetr­ische“Testsystem anhand von Urinproben zum Einsatz kommt. Es könnte der Beginn für eine neue Datenquell­e sein, die die Diskussion um Lebensmitt­elunverträ­glichkeite­n auf eine neue Basis stellt.

 ??  ?? Nahrungsmi­ttelunvert­räglichkei­ten stehen dem Genuss von Wein, Käse und Co oft im Weg. Besonders alter Rotwein und gereifte Milchprodu­kte verursache­n Schwindel und Übelkeit.
Nahrungsmi­ttelunvert­räglichkei­ten stehen dem Genuss von Wein, Käse und Co oft im Weg. Besonders alter Rotwein und gereifte Milchprodu­kte verursache­n Schwindel und Übelkeit.

Newspapers in German

Newspapers from Austria