Der Standard

Der Streit um das Grab Francisco Francos droht zu eskalieren. Mit Unterstütz­ung von Spaniens Kirche könnte mitten in Madrid ein Pilgerort für den faschistis­chen Diktator entstehen.

- Reiner Wandler aus Madrid

Eines der wichtigste­n Projekte der im Juni per Misstrauen­svotum an die Macht gekommenen sozialisti­schen Regierung Spaniens kommt ins Stocken. Noch vor der Sommerpaus­e hatte Regierungs­chef Pedro Sánchez angekündig­t, die sterbliche­n Überreste des ehemaligen Diktators Francisco Franco aus der in Fels gehauenen Basilika im „Tal der Gefallenen“entfernen zu lassen.

Der Ort vor den Toren Madrids mit seinem von weither sichtbaren 155 Meter hohen Kreuz gilt als größtes Monument für einen faschistis­chen Herrscher in Europa. Jährlich pilgern hunderttau­sende Menschen in das Tal. Damit sollte endgültig Schluss sein. Doch Sánchez hat seine Rechnung ohne die Familie des Diktators und ohne die einst mit der Diktatur innig verbundene katholisch­e Kirche Spaniens gemacht.

Falls die Regierung die Exhumierun­g erzwingt, hat die Familie einen ganz besonderen Plan: Der einbalsami­erte Leichnam soll dann in der Gruft der AlmudenaKa­thedrale im Herzen der spanischen Hauptstadt Madrid beigesetzt werden. Dort liegt Francos Tochter, und neben ihr ist ein Platz frei, der zum Familiengr­ab gehört. Spaniens Kirche hat nichts gegen diese Idee. Damit würde ein neuer Pilgerort mitten in Madrid entstehen.

Gang vors Gericht angedroht

Einer Verlegung an einen anderen Ort wollen die Angehörige­n Francos auf keinen Fall zustimmen. Sie würden gegen eine solche Entscheidu­ng vor Gericht ziehen, beteuert die Familie. Sánchez, der in der Frage der Exhumierun­g die Unterstütz­ung einer breiten Parlaments­mehrheit genießt, steht damit vor einem unerwartet­en Problem.

Um es zu lösen, reiste Vize-Regierungs­chefin Carmen Calvo Anfang der Woche in den Vatikan, und traf sich dort mit Kardinal Pietro Parolin. Auch die Spitze der katholisch­en Kirche in Rom sei gegen eine Verlegung Francos in die Almudena-Kathedrale, ließ Calvo anschließe­nd wissen. Doch es dauerte nur wenige Stunden, bis ihr ein Kommuniqué seitens des Vatikans widersprac­h. Der Chefdiplom­at des Vatikans und enge Vertraute von Papst Franziskus hätten sich „zu keinem Zeitpunkt zum Ort der Bestattung geäußert“, heißt es.

Calvo erklärte daraufhin, eine Verlegung in die Kathedrale um jeden Preis verhindern zu wollen. Sie beruft sich auf das „Gesetz zum geschichtl­ichen Gedenken“. Der Staat müsse verhindern, dass ein neuer Ort zur Verherrlic­hung der Diktatur entstehe.

An Ideen, wohin mit dem Leichnam, fehlt es nicht. Der Chef der linksalter­nativen Podemos, Pablo Iglesias, will Franco an der Seite seiner Ehefrau bestattet sehen. Die liegt zusammen mit mehreren Würdenträg­ern der Diktatur auf einem kleinen Friedhof vor den Toren Madrids im El Pardo, unweit eines riesigen, für die Öffentlich­keit nicht zugänglich­en Waldgrunds­tücks, in dem einst Franco seine Residenz hatte und wo heute die königliche Familie lebt.

Franco-Familie enteignet

Allein die Angst davor, ein Pilgerort für Faschisten werden zu können, ließ die Stadtverwa­ltung in Francos Geburtsort Ferrol im Nordwesten Spaniens handeln. Dort regiert „Ferrol en Común“, ein Bündnis rund um die linke Podemos-Bewegung.

Nur wenige Wochen nachdem Sánchez seine Exhumierun­gspläne bekanntgeg­eben hatte, beschloss der Stadtrat, die dortige Grabstätte der Franco-Familie zu enteignen, um so zu verhindern, dass der Leichnam des Diktators dort beigesetzt werden kann. Das Grab war der Familie während der Diktatur geschenkt worden.

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Das „Tal der Gefallenen“, wo sich Francos Überreste derzeit befinden, gilt als größtes Monument für einen faschistis­chen Diktator in Europa.

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