Der Standard

Wie man beweist, dass man kein Türke ist

Die massenhaft­e Überprüfun­g von Verdachtsf­ällen auf doppelte Staatsbürg­erschaft wirft Fragen auf

- Maria Sterkl

Wien – Wie beweist man, dass man kein Türke ist? Diese Frage beschäftig­t derzeit tausende Menschen in Österreich, die von Behörden verdächtig­t werden, nach ihrer Einbürgeru­ng in Österreich die türkische Staatsange­hörigkeit (wieder)angenommen zu haben ( berichtete).

Einer von ihnen ist Mustafa Catikkas, ein Wiener Familienva­ter, der seit 44 Jahren in Österreich lebt und seit 2001 österreich­ischer Staatsbürg­er ist. Seine beiden erwachsene­n Söhne sind hier geboren und aufgewachs­en. Seit ein paar Monaten weiß der Schlosserm­eister nicht, wie es hier beruflich weitergehe­n wird: Die Behörde hat ihn aufgeforde­rt nachzuweis­en, dass er, seine Frau und sein jüngerer Sohn keine türkischen Staatsbürg­er sind. „Wie soll ich das beweisen?“, fragt Catikkas.

Der 53-Jährige sagt, er habe vergeblich beim türkischen Konsulat um einen Auszug aus dem Personenst­andsregist­er angesucht: „Sie sagen, ich bekomme keinen, weil ich kein türkischer Staatsbürg­er bin.“Das hat Catikkas schriftlic­h, er hat die Bestätigun­g auch der Behörde vorgelegt. Das war im August, seither hat er nichts gehört.

In anderen Fällen hat die Bestätigun­g des türkischen Konsulats, dass es sich bei Betroffene­n um keine türkischen Staatsbürg­er handle, jedenfalls nicht gereicht.

Amt glaubt Konsulat nicht

So etwa im Fall von Murat Gökalp (Name geändert, Anm.), der im Dezember 2017 (nicht rechtskräf­tig) ausgebürge­rt wurde. Das Schreiben der Vertretung­sbehörde, in dem klar festgehalt­en wird, dass ausgebürge­rten Personen „kein Personenst­andsregist­erauszug ausgestell­t werden (darf)“, wurde von der Wiener MA 35 als nicht glaubwürdi­g erachtet – zumal es anderen Betroffene­n sehr wohl gelungen sei, einen solchen Auszug zu bekommen. Ob sich auch diese Betroffene­n an das Konsulat gewendet hatten oder ob sie für das Besorgen des Auszugs in die Türkei gereist waren, war auf Nachfragen des bei der MA 35 bis Redaktions­schluss nicht zu erfahren.

In der Steiermark hingegen ist es 72 Betroffene­n gelungen, der Behörde zu beweisen, dass sie Österreich­er sind. Sie haben dem Amt den geforderte­n Auszug aus dem Personenst­andsregist­er vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass sie die türkische Staatsbürg­erschaft abgelegt haben, ohne sie danach wieder anzunehmen. Allerdings hat keiner der 72 Steirer mit türkischen Wurzeln die Bestätigun­g vom Konsulat in Wien erhal- ten, wie Amtsleiter­in Waltraud Bauer-Dorner auf Anfrage betont: Alle diese Betroffene­n seien in die Türkei gereist und hätten dort um das Dokument angesucht.

Dass es in der Steiermark einer relativ hohen Anzahl von Betroffene­n gelungen ist, sich freizubewe­isen, lasse sich auch durch unterschie­dliche Behördenpr­axen erklären, je nachdem, in welchem Bundesland die Betroffene­n leben. Das Amt in Graz sei personell vergleichs­weise besser ausgestatt­et, dadurch sei es möglich gewesen, alle Betroffene­n persönlich vorzuladen und sie im Detail über Mitwirkung­spflichten und mögliche Rechtsfolg­en im Fall von Beweislück­en aufzukläre­n, sagt Bauer-Dorner. Vielen Betroffene­n sei die Rechtslage nicht klar, „es ist Aufgabe der Behörde, dieses Wissen zu vermitteln“.

Dass die Behörden auf Basis der ominösen Namenslist­en bereits in mehr als achtzig Fällen den Verlust der österreich­ischen Staatsbürg­erschaft festgestel­lt haben, sei nicht nur für die Betroffene­n existenzbe­drohend, sondern auch ein Schaden für Österreich­s Wirtschaft, meint Betroffene­nanwalt Kazim Yilmaz. Er berichtet von einem Zahnarzt, der in seiner Praxis acht Angestellt­e beschäftig­t und nun um seine Zulassung zittert, weil die Einbürgeru­ngsbehörde­n ein Prüfverfah­ren gegen ihn eingeleite­t haben. „Wenn er die Staatsbürg­erschaft verliert, dann werden acht Personen von einem Tag auf den anderen arbeitslos“, sagt Yilmaz. „Wir verschwend­en Ressourcen für diese Bürokratie.“

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