Spannungen unter Masseuren
Massage boomt, mit wenigen schnell erlernten Griffen ist es aber nicht getan. Die Branche vermisst gesetzliche Standards und warnt vor Wildwuchs im Wellnessbereich.
Massieren zu lernen sei wie das Erlernen eines Instruments. Schritt für Schritt eigne man sich einzelne Töne an, erst dann beginne man zu improvisieren und zu jazzen, sinniert Josef Bergler, der rund um das Geschäft mit Wellness vielfach den umgekehrten Weg beobachtet.
Mehr als 20 Jahre ist es her, dass der Mediziner in einer Grazer Studentenwohnung den Grundstein für sein eigenes Ausbildungszentrum legte. Es habe ihn stets fasziniert, etwas zu ertasten, zu spüren und zu therapieren, sagt der Steirer. Für Hotels suchte er kompetente Masseure, fand jedoch keine und beschloss daher, seine eigene Schule zu eröffnen. Heute zählt diese zu den größten der Branche.
In Österreich arbeiten mehr als 9400 gewerbliche Masseure, diese dürfen laut Gesetz nur für Gesunde arbeiten. Die fast 2600 Heilmasseure sind durch ihre weitaus längere Ausbildung dazu befähigt, auch Kranke zu therapieren.
An Spannungsfeldern fehlt es nicht. Eruptiv spürbar werden sie im boomenden Wellnessangebot vieler Hotels. Gäste zahlten mitunter Unsummen für Behandlungen, die letztlich von kaum ausgebildetem Personal absolviert würden, sagt Bergler. Hoteliers hielten Mit- arbeiter salopp gesagt dazu an, vormittags die Zimmer zu putzen, mittags in der Küche zu helfen und abends nach dem Erlernen dreier Griffe Massage anzubieten.
„Schade ums Geld“, meint auch Christian Werner, der als Herausgeber des Relax Guide regelmäßig Hotels testet. Der Auswuchs an Nonsensebehandlungen wie Schokoladehautkuren und vitaminreichen Zitronenbädern habe sich zwar eingebremst. Auf dem Rücken der Gäste nach wie vor gang und gäbe seien aber unwirksame Streicheleinheiten, die oft allein auf ein paar Wochenendkursen basierten, bedauert Werner, der den Grund dafür in der rasanten Expansion der Wellnessbranche sieht. Innerhalb von 20 Jahren habe sich die Zahl an entsprechenden Hotels vervierfacht. Der Pool an guten Masseuren sei für die enorme Nachfrage vor allem im ländlichen Raum zu klein.
Dagmar Zeibig spricht lediglich von wenigen schwarzen Schafen, die für ein paar unerfreuliche Ausnahmen sorgten. Seit der Gewerberechtsnovelle im Vorjahr müssten Masseure, die in Hotels arbei- ten, aber die gleiche Qualifikation aufweisen wie gewerbliche Masseure, betont die Bundesinnungsmeisterin der Branche.
Wobei auch dieses Niveau heftig umstritten ist. Um als gewerblicher Masseur arbeiten zu dürfen, reicht eine Befähigungsprüfung bei der Wirtschaftskammer. Für den Gewerbeschein sei gesetzlich keine vorhergehende Ausbildung nachzuweisen, kritisiert Bergler das Schlupfloch. Zeibig bezeichnet die Prüfung im europäischen Vergleich dennoch als hohe Latte. Es gebe eben viele Zugänge zum Beruf. Die Qualität eines Masseurs lasse sich ja auch individuell beweisen.
Einig sind sich die beiden über ein finanzielles Ungleichgewicht: Wer sich auf ärztliche Anweisung hin in die Hände von Physiotherapeuten begibt, bekommt von Krankenkassen für die exakt gleiche Therapie wesentlich mehr refundiert als bei der Behandlung durch Heilmasseure. Das, obwohl Letztere in der reinen Massage eine weit längere Ausbildung hätten als Physiotherapeuten, erläutert Bergler. „Das ist grotesk.“Diese finanzielle Dif- ferenz sei durch nichts zu rechtfertigen, ist Zeibig überzeugt. Sie hat eine Beschwerde im Gesundheitsministerium deponiert und hofft auf faire Behandlung im Rahmen der Kassenzusammenlegung.
Ein gutes Dutzend Schulen bilden quer durch Österreich angehende medizinische Masseure und Heilmasseure aus. Auf Wildwuchs folgte eine spürbare Bereinigung.
„Nie lockerlassen“
Bergler schult mit 15 angestellten und gut 60 freien Mitarbeitern jährlich 500 bis 600 medizinische Masseure und Heilmasseure. Sein Umsatz wuchs heuer von 1,3 auf 1,5 Millionen Euro, wobei auch sein Betrieb Höhen und Tiefen erlebte, wie er offen einräumt. Was er daraus gelernt habe, sei, ständig an Ort und Stelle präsent zu sein. Lockerzulassen, Verantwortung abzugeben spiele es nicht, noch weniger in finanziellen Belangen.
Abgekommen ist er von Plänen, mit Zweigniederlassungen in andere Bundesländer zu expandieren. „Es ist wie bei einem Haubenrestaurant – es lässt sich nicht filialisieren.“Statt als Unternehmer lieber als Arzt zu arbeiten war für ihn nie eine Option. „Selbst wenn ich verkaufe – ich würde mit dem Geld eine neue Schule starten.“