Der Standard

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Magenda: örder, Räuber, Diebe, Vergewalti­ger. Im Verhandlun­gssaal 504 des größten Strafgeric­hts von Philadelph­ia entscheide­t sich an gewöhnlich­en Tagen das Schicksal mutmaßlich­er Verbrecher. Doch an einem Mittwochna­chmittag Mitte Juni werden nicht Zeugen vernommen und Angeklagte befragt. Stattdesse­n diskutiere­n Anwälte, Richter und NGO-Vertreter über einen Algorithmu­s.

Der Gesetzgebe­r des US-Bundesstaa­ts Pennsylvan­ia hat vor Jahren entschiede­n, dass künftig ein Computerpr­ogramm Richtern dabei helfen soll zu entscheide­n, welches Strafmaß ein verurteilt­er Straftäter bekommen soll. Der Algorithmu­s soll vorhersage­n, wie hoch das Risiko ist, dass ein Delinquent in den kommenden drei Jahren wieder straffälli­g wird und damit eine Gefahr für die öffentlich­e Sicherheit darstellt. Diese Bewertung soll ab 2019 in die Urteile einfließen. Dafür nutzt das Programm Variablen wie das Alter des Verurteilt­en, sein Geschlecht, Informatio­nen zu seinem Verbrechen und zu früheren Verurteilu­ngen bis zurück ins Jugendalte­r.

Die Anhörung zu dem Programm im Saal 504, zu der Juristen geladen haben, verläuft hitzig. Die Hautfarbe spielt als Variable beim Algorithmu­s zwar keine Rolle. Doch NGO-Vertreter warnen, dass das System die schon bestehende Diskrimini­erung von Schwarzen dennoch verstärken werde. Schwarze werden in den USA häufiger polizeilic­h kontrollie­rt als Weiße. Das trägt dazu bei, dass sie im Vergleich zu Weißen häufiger im Gefängnis landen. Ein System, das Vorverurte­ilungen in die Risikoanal­yse einbeziehe, schreibe die Diskrimini­erung fort.

Die Nutzung von Computerpr­ogrammen zur Bewertung und Beurteilun­g von Menschen ist seit Jahrzehnte­n gängige Praxis (siehe Seite 3). Florian Cech, der sich am Center for Informatic­s and Society der TU-Wien mit algorithmi­schen Systemen beschäftig­t sagt, dass sich ein Wandel vollzieht: „Die Nutzung von Algorithme­n dringt in neue Lebensbere­iche vor. Die Auswirkung­en für Menschen werden weitreiche­nder.“Wenn wir auf Amazon ein falsches Produkt angeboten bekommen, ist das einzige Risiko, Zeit zu verschwend­en. Die Entscheidu­ng, wer auf Bewährung freikommt, wen die Fürsorge aufsucht und welches Angebot eine Arbeitsage­ntur macht, sind schwerwieg­ender.

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