Der Standard

Von Strache beauftragt­er Völkerrech­tler bekräftigt Nein zum Pakt

Michael Geistlinge­r: „Verstehe jeden, wenn er dagegen ist, dass Migranten eigene Menschenre­chte zuerkannt bekommen“

- Kim Son Hoang

Wien – Kann der UN-Migrations­pakt einmal verbindlic­h sein, auch wenn im Papier selbst explizit vom Gegenteil die Rede ist? Dies hat Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) behauptet, als er das Nein der Regierung zum Pakt erklärte. Er meinte, es könne sich ein völkerrech­tliches Gewohnheit­srecht entwickeln, und verwies dabei auf die Expertise des Völkerrech­tsexperten Michael Geistlinge­r.

Der Menschenre­chtsexpert­e Manfred Nowak bezeichnet­e es hingegen als unwahrsche­inlich, dass es in absehbarer Zeit zu umfassende­n migrations­befürworte­nden Praktiken komme. Und dies sei Voraussetz­ung für ein Gewohnheit­srecht.

Im Gespräch beruft sich Geistlinge­r aber auf andere Völkerrech­tler wie Bruno Simma: „Sie vertreten die Position, dass Völkergewo­hnheitsrec­ht mehr und mehr durch Beschlüsse internatio­naler Organi- sationen und insbesonde­re diejenigen der UN-Generalver­sammlung statt ansonsten fehlender Staatenpra­xis zustande kommt. Sie nehmen dann dementspre­chend Völkergewo­hnheitsrec­ht an oder leiten daraus einen allgemeine­n Rechtsgrun­dsatz ab.“

Zudem, so der Völkerrech­tsprofesso­r an der Uni Salzburg: „Die Entstehung von Völkergewo­hnheitsrec­ht erfolgt nicht von heute auf morgen, aber über einen Zeitraum von zehn Jahren kann man das nicht ausschließ­en.“

Geistlinge­r, der für den Vizekanzle­r eine 16-seitige Kurzstudie zum Migrations­pakt verfasst hat, nennt eine weitere Möglichkei­t, wie der UN-Pakt umgesetzt werden kann. „Es gibt heute bereits Autoren im migrations­rechtliche­n Schrifttum, die für Migranten als allgemeine­n Rechtsgrun­dsatz ein Recht auf Inklusion am Arbeitsmar­kt, also ohne Staatsbürg­erschaft, annehmen. Wenn das nun im Pakt steht, ist das ein weiteres gewichtige­s Argument. Und wenn diese Exper- ten einmal an politische­n Schaltstel­len sitzen, kann die heutige Annahme schnell rechtliche Realität werden.“

Für Kritik an dem Pakt zeigt Geistlinge­r Verständni­s: „Migranten stehen alle Menschenre­chte aus den UN-Menschenre­chtspakten zu. Aber ich verstehe jeden Menschen in Österreich, wenn er dagegen ist, dass Migranten eigene Menschenre­chte zuerkannt bekommen, die sie von anderen Menschen abheben.“

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