Der Standard

Türkises Schweigen über teuren Wahlkampf

Die ÖVP will nicht erklären, wofür sie im Wahlkampf fast doppelt so viel Geld ausgegeben hat wie erlaubt. In den Ländern gibt es teils gar keine Regeln zu Kampagnenk­osten.

- Sebastian Fellner, Katharina Mittelstae­dt, Günther Oswald

Über das Thema reden die Türkisen derzeit offenbar nicht gern. Knapp 13 Millionen Euro wurden investiert. Punkt. Konkreter will die Volksparte­i nicht werden. Ob die Mittel – überwiegen­d Steuergeld – vorwiegend in Plakate, TV-Spots oder Veranstalt­ungen und türkise Kugelschre­iber geflossen sind, wird trotz mehrfacher Nachfrage des

Δtandard in der ÖVP-Zentrale nicht beantworte­t.

Die gesetzlich­e Obergrenze für Wahlkampfk­osten beträgt sieben Millionen Euro – der Passus im Parteienge­setz soll verhindern, dass sich finanzstar­ke Parteien mit Megakampag­nen Stimmen quasi erkaufen. Sebastian Kurz’ Wahlkampf hat annähernd doppelt so viel gekostet wie erlaubt.

Transparen­z ist Silber ...

Kurz vor der Nationalra­tswahl versichert­e Parteimana­gerin Elisabeth Köstinger – inzwischen Umweltmini­sterin – noch, dass die ÖVP bei den Ausgaben gut „im Plan“liege. Noch im Sommer 2017 lud sie die anderen Parteien zu einem „Transparen­zgipfel“ein, um die Umgehung der Wahlkampfr­egeln zu verhindern. Nun ist klar: Die Volksparte­i selbst hat das Gesetz gebrochen – das Wort Transparen­z fällt nicht mehr.

Die Opposition wirft der Kanz- lerpartei vor, wissentlic­h gelogen zu haben. SPÖ, Neos und Liste Pilz wollen auch strengere Strafen verankern. Aktuell droht der ÖVP ein Bußgeld von mehreren Hunderttau­send Euro. Für eine Großpartei verkraftba­r, argumentie­ren die Befürworte­r einer gesetzlich­en Verschärfu­ng. Auch die FPÖ wird nachzahlen müssen. Sie gab immerhin um fast vier Millionen Euro mehr aus als erlaubt. Die SPÖ hat die Höchstsumm­e um rund 400.000 Euro überschrit­ten.

Für die Bundesländ­er gilt die Wahlkampfk­ostenoberg­renze von sieben Millionen Euro, anders als von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zuletzt kommunizie­rt, nicht. Strache beklagte, dass unabhängig von der Größe eines Bundesland­es dasselbe ausgegeben werden darf. Das ist allerdings nicht mehr der Fall: Der Verfassung­sgerichtsh­of hat Anfang 2017 entschiede­n, dass der Bund Ländern und Gemeinden keine Vorgaben machen kann. Nun gibt es nur noch in jenen Ländern Obergrenze­n, die eigene Landesgese­tze beschlosse­n haben: Kärnten, Salzburg, Wien und Niederöste­rreich.

Eine strenge Regelung hat Kärnten. Dort dürfen Parteien nur 500.000 Euro für ihre Wahlkämpfe ausgeben – wohl eine Lehre aus der Ära Haider. Zusätzlich dürfen 36 Kandidaten 2500 Euro in eige- ne Kampagnen buttern. Bei Verstößen droht der Verlust der Parteienfö­rderung im Folgejahr, wie Politikwis­senschafte­r Hubert Sickinger erklärt.

Sanktionen für manche

In Salzburg dürfen die Wahlkampfk­osten maximal ein Drittel der Parteienfö­rderung ausmachen – aktuell sind somit 1,8 Millionen Euro erlaubt. Auch hier droht bei Verstößen der Verlust der Parteienfö­rderung. Eine Obergrenze von sechs Millionen Euro gibt es in Wien und Niederöste­rreich. In der Bundeshaup­tstadt hätte ursprüngli­ch der auf Bundeseben­e eingericht­ete unabhängig­e Partei- en-Transparen­z-Senat die Strafhöhe festlegen sollen. Da sich dieser aber für die Landeseben­e für unzuständi­g erklärt hat, gibt es in Wien aktuell keine Sanktionen bei Überschrei­tungen.

In Niederöste­rreich existieren Sanktionen. Bei Überschrei­tungen drohen, wie im Bund, Geldstrafe­n von zehn bis 20 Prozent des Überschrei­tungsbetra­gs. In die Nähe der Sechs-Millionen-Grenze kommt in Niederöste­rreich bei den Wahlkampfk­osten allerdings nur die ÖVP.

Ob das Limit für den Landtagswa­hlkampf im Jänner dieses Jahres eingehalte­n wurde, konnte man bei der Landeshaup­tfraupar- tei auf Δtandard- Anfrage noch nicht sagen – die Meldung ist erst Anfang 2019 fällig. Beim vorangegan­genen Landtagswa­hlkampf 2013 hat die Volksparte­i unter ExLandesch­ef Erwin Pröll jedenfalls noch kräftig überzogen: Fast neun statt der damals erlaubten maximal sieben Millionen Euro hat man investiert. Dafür setzte es rund 100.000 Euro Strafe.

Akt bei Staatsanwa­ltschaft

Über einen Umweg findet die auf Bundeseben­e dreifach gesprengte Wahlkampfk­ostenoberg­renze nun auch zur Staatsanwa­ltschaft: Die linke Kleinparte­i Wandel hat Sachverhal­tsdarstell­ungen eingebrach­t – nach dem Strafgeset­zbuch. Das verbietet die „Verbreitun­g falscher Nachrichte­n bei einer Wahl“. Geht es nach Wandel, ist genau das geschehen, als die roten, blauen und türkisen Wahlkampfm­anager Wochen vor der Wahl verkündete­n, man halte sich an den Kostendeck­el.

Die Linzer Strafrecht­sprofessor­in Petra Velten räumt der Sachverhal­tsdarstell­ung allerdings nur geringe Chancen auf Erfolg ein. „Nicht jede falsche Nachricht ist von diesem Tatbestand erfasst – es geht auch darum, dass jemandem die Möglichkei­t zur Gegenäußer­ung verwehrt blieb“, erklärt die Juristin.

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Wer Wahlen gewinnen will, druckt sein Gesicht auf Plakate und hängt diese im Land auf. Das kostet mitunter mehr, als es sollte.
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