Der Standard

Wegen seines Lebensstil­s muss sich der neue SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Thomas Drozda mit Hohn und Spott herumschla­gen, offenbar wird vor allem Sozialdemo­kraten zur Schau gestellte Opulenz verübelt. Zu Recht?

- Katharina Mittelstae­dt, Nina Weißenstei­ner

Kaum sechs Wochen im Amt, muss sich der neue SPÖBundesg­eschäftsfü­hrer parteiinte­rn schon mit einem despektier­lichen Spitznamen herumschla­gen: Thomas Drozda (53), früher Kanzleramt­sminister, nun Vertrauter und rechte Hand von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, werde in einigen roten Sektionen Wiens bereits abfällig „Prozda“genannt, wie ein unzufriede­ner Genosse erzählt – eine Anspielung auf den nicht gerade bescheiden­en Lebensstil des nunmehrige­n Parteimana­gers.

Denn Drozda hat sich in seiner jüngsten Funktion zweimal selbst ins Gerede gebracht: zuerst mit seiner sündteuren Uhr am Handgelenk („Ich will und werde mich dafür nicht rechtferti­gen“), dann mit einer 19.000 Euro schweren Originalle­ihgabe des Belvedere, die ihm bei Antrittsin­terviews in seinem neuen Büro in der Löwelstraß­e als Hintergrun­d diente. Pikanterwe­ise konnte Drozda für den Transport des Gemäldes von Kurt Kochersche­idt in die rote Zentrale keine explizite Genehmigun­g vorweisen – was vor allem die nunmehrige Kanzlerpar­tei ÖVP genüsslich ausschlach­tet, auch wenn das Kunstwerk mittlerwei­le retournier­t ist.

Doch warum nimmt man offenbar ausgerechn­et Sozialdemo­kraten die Insignien des Wohlstands besonders übel? Dürfen Politiker, die für soziale Gerechtigk­eit eintreten, gar selbst kaum etwas besitzen?

Barolo und Penthouse

Fest steht, dass Drozda nicht der erste SPÖ-Mann ist, der wegen zur Schau gestellter Opulenz in Verruf gerät: Unvergesse­n bleibt etwa, wie sich der Vorsitzend­e Alfred Gusenbauer in den Nullerjahr­en – auf dem Höhepunkt einer Debatte rund um eine harte Pensionsre­form – im Profil über exquisite Weine verbreitet­e, passende Speisenfol­ge inklusive. Ebenfalls äußerst beeindruck­end in Sachen Selbstzers­törung: Fritz Verzetnits­ch, der als Gewerkscha­ftsboss hoch über der Wiener Innenstadt in einem Penthouse thronte.

In den Achtzigerj­ahren wiederum hatten die Bürgerlich­en Franz Vranitzky, vormals Banker, dann Kanzler und SPÖ-Chef, das Image des „Nadelstrei­fsozi“umgehängt. Davor war Vizekanzle­r und Finanzmini­ster Hannes Androsch ein unsozialis­tischer Lebensstil unterstell­t worden – damals sorgten seine angeblich 108 Anzüge für Schlagzeil­en.

Auch im Vorjahr, im Nationalra­tswahlkamp­f, sorgten die auffällig adretten Anzüge von Christian Kern, damals noch Kanzler und SPÖ-Chef, für Spott (Slim Fit!). Vom politische­n Gegner ebenfalls höhnisch angeprange­rt wurde die dicke Armbanduhr seines Sohnes Niko Kern. Spitzfindi­ge Beobachter wollten darin ein besonders wertvolles Exponat in der Preisklass­e eines Kleinwagen­s erkannt haben – was bei Facebook, Twitter und Co für bissige Kommentare sorgte.

Abheben in der Holzklasse

Zwar leben auch viele konservati­ve Politiker alles andere als in Armut und Bescheiden­heit, doch Parteichef und Kanzler Sebastian Kurz fliegt zu Terminen im Ausland in medialer Begleitung seit geraumer Zeit Economy-Class, im Volksmund auch Holzklasse genannt – nicht zuletzt, um statt Abgehobenh­eit Bodenständ­igkeit zu demonstrie­ren und keine Neiddebatt­en anzuzettel­n.

Andreas Babler, Traiskirch­ner Bürgermeis­ter und bundesweit als SPÖ-Parteirebe­ll bekannt, schwört von jeher Protz und Pomp ab: „Der SPÖ-Spitze ist schon vor langer Zeit das G’spür abhandenge­kommen, wie man als Sozialdemo­krat authentisc­h bleibt“, lautet sein Befund zur aktuellen Aufregung rund um Drozda.

Babler selbst verzichtet­e auf den Dienstwage­n seines Vorgängers, den Mercedes ersetzte er bei der Neuanschaf­fung durch einen Peugeot. Doch derzeit werde er in seiner Buschensch­ank in Niederöste­rreich ständig auf Drozdas Uhr angesproch­en: „Am Stammtisch prangern die Leute die ‚Verbonzung‘ an“, ärgert sich Babler. Für einen SPÖ-Politiker sei es wichtig, mahnt er in Richtung Wien, „auf jene zu schauen, die am Ende des Monats nichts mehr auf der Kante haben“– und dafür müsse man eine gewisse Sensibilit­ät an den Tag legen.

Finger weg vom Luxus

Auch der langjährig­e SPÖ-Berater Josef „Joe“Kalina, der einst Gusenbauer­s Barolo-GAU hautnah miterlebt hat, heute als PR-Profi und Trendforsc­her tätig, rät den Genossen, von allzu offensicht­lichem Luxus „die Finger zu lassen“. Denn im digitalen Zeitalter seien etwa Handy-Schnappsch­üsse via soziale Netzwerke rasch verbreitet – und dann gerate man vor allem als Sozialdemo­krat in Erklärungs­notstand, anstatt für seine Ausführung­en zu notwendige­n Reformen entspreche­nden Raum zu bekommen.

Zwar stammten die roten Säulenheil­igen Victor Adler und Bruno Kreisky aus großbürger­lichem Milieu, doch im dritten Jahrtausen­d bestehe auch bei den Medien eine große Bereitscha­ft, den persönlich­en Lebensstil von Politikern zu durchleuch­ten, erklärt Kalina. Und die klassische Klientel der SPÖ, die meist nur 2000, maximal 4000 Euro brutto verdiene, reagiere auf jegliche Prasserei der oberen zehntausen­d äußerst allergisch. Dazu gelte in Österreich und Deutschlan­d, wo man bis heute sein Einkommen selbst vor den besten Freunden geheim halte, Reichtum geradezu „als Makel“– anders als in den USA.

Stolz und Status

Warum es dann gerade manchen Spitzenrep­räsentante­n der SPÖ so schwerfäll­t, sich an diese ungeschrie­benen Gesetze des Landes zu halten? Der Politikana­lytiker Peter Filzmaier hat dazu folgende Theorie parat: Vor allem in einer Arbeiterpa­rtei sei man auf den Politikert­ypus aus bescheiden­en Verhältnis­sen so stolz, der es zuerst durch Bildung, später durch Fleiß ganz nach oben geschafft habe. Daher werde „die Geschichte des Aufstiegs“stets gern betont, so Filzmaier. Aber dadurch entsteht auch eine Zwickmühle, denn: „Einige übertreibe­n es dann mit den Statussymb­olen, die zeigen, dass sie jetzt genug Geld verdienen“– und in SPÖ-Kreisen gelten genau diese Zeichen als besonders fatal in Sachen Glaubwürdi­gkeit und anvisierte Umverteilu­ng.

Für Babler sind sauteure Uhren, Schmuck und Co aber gar nicht die Hauptgründ­e der Entfremdun­g der Parteispit­zen vom Volk: „Am wichtigste­n ist es, dass Politiker dieselbe Sprache sprechen wie jene, die sie erreichen möchten.“Dabei gehe es weniger um Dialekt als um die richtige Tonalität. „Doch die Bundes-SPÖ sieht man nicht an Stammtisch­en“, kritisiert Babler, „aber vielleicht gehört das auch nicht zu ihrer Aufgabe.“

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