Der Standard

Kritik am Umgang mit Vorwürfen gegen die Polizei

Bei Vorwürfen gegen die Polizei ermittelt die Staatsgewa­lt gegen sich selbst. Die Liste Pilz fordert dafür unabhängig­e Kommission­en. Eine entspreche­nde Universitä­tsstudie wartet seit Monaten auf Publikatio­n.

- Vanessa Gaigg

Die Diskussion flammt in regelmäßig­en Abständen auf: wie die Polizei mit Misshandlu­ngsvorwürf­en gegen sich selbst umgeht. Unter anderem kritisiert­e die UN-Antifolter­Kommission, dass ein hoher Prozentsat­z von Strafverfa­hren nach Anzeigen wegen Misshandlu­ngsvorwürf­en gegen Exekutivor­gane eingestell­t wird. Menschenre­chtler bemängeln immer wieder, dass Ermittlung­en zumeist polizeiint­ern stattfinde­n – auch wenn sich die Staatsanwa­ltschaft jederzeit einklinken kann.

Dass die Polizei bei Misshandlu­ngsvorwürf­en „quasi gegen sich selbst“ermittle, sei „befremdlic­h“, sagt Alfred Noll, Justizspre­cher der Liste Pilz: „In anderen Ländern gibt es längst eigene, unabhängig­e Kommission­en, die derartigen Vorwürfen nachgehen.“Auch der ehemalige UNSonderbe­richtersta­tter über Folter, Manfred Nowak, kritisiert­e dies. Die Liste Pilz kündigt nun eine parlamenta­rische Anfrage zum Thema an. Denn das Justizmini­sterium gab noch zu Zeiten Wolfgang Brandstett­ers (ÖVP) als Ressortche­f eine Studie in Auftrag, die untersuche­n sollte, wie die Exekutive und die Justiz konkret mit Misshandlu­ngsvorwürf­en gegen Polizeibea­mte umgehen. Das Austrian Center for Law Enforcemen­t Sciences (Ales) an der Uni Wien analysiert­e im Rahmen dessen laut Projektbes­chreibung Schwachste­llen und lotete Verbesseru­ngspotenzi­ale aus.

Umgesetzte Empfehlung­en

Laut Justiz- und Innenminis­terium flossen die Ergebnisse der Studie in bereits herausgege­bene Erlässe zum Umgang mit Misshandlu­ngsvorwürf­en ein –

berichtete. Die Studie selbst wurde jedoch bisher noch nicht öffentlich zugänglich gemacht. Laut Ales-Website ist sie seit Februar 2018 abgeschlos­sen, mittlerwei­le soll auch ein Zusatzberi­cht über die neuen Erlässe fertig sein. Laut Auskunft des Justizmini­steriums soll die Studie nun im November präsentier­t werden.

Auf das will sich die Liste Pilz nicht verlassen. Neben konkreten Ergebnisse­n will sie wissen, welche Empfehlung­en der Studie in welcher Form im jeweiligen Vollzugsbe­reich von Innen- und Justizmini­sterium umgesetzt wurden – und welche nicht.

Kein Taskforcet­hema

Außerdem sollen beide Ressorts „erklären, ob sie planen, die Rahmenbedi­ngungen für Ermittlung­en bei Misshandlu­ngsvorwürf­en gegen Polizisten zu verbessern“, sagt Noll.

Weiters will der Justizspre­cher wissen, ob sich die von Staatssekr­etärin Karoline Edtstadler (ÖVP) geleitete „Taskforce Strafrecht“, bei der auch eine Arbeitsgru­ppe zum Thema Opferschut­z eingesetzt wurde, mit dem Komplex befassen wird.

Denn bis jetzt hätte Edtstadler ihre „Reformidee­n anscheinen­d nur aus Facebook-Kommentare­n abgeleitet“, moniert Noll und spielt damit auf die von Edtstadler gelieferte Begründung hinsicht- lich der geplanten Verschärfu­ng des Strafrecht­s an.

Doch diesbezügl­ich winkt das Innenminis­terium gegenüber dem

ab: „Die Taskforce beschäftig­t sich mit strukturel­ler Gewalt speziell gegen Frauen und Kinder und mit der Frage, wie man sowohl die Strafen dafür verschärfe­n als auch den Opferschut­z und die Täterarbei­t verbessern kann“, sagt ein Sprecher Edtstadler­s. Das Thema sei deshalb von der Aufgabenst­ellung nicht umfasst.

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