Der Standard

Volkswagen will gar nicht dabei gewesen sein

Die Sammelklag­en machen Volkswagen augenschei­nlich nervös. Der Wolfsburge­r Konzern bestreitet in seiner Klagebeant­wortung sogar, eine unzulässig­e Abschaltei­nrichtung eingebaut zu haben.

- Luise Ungerboeck

Die Massenklag­e der Konsumente­nschützer des Vereins für Konsumente­ninformati­on (VKI) gibt einen Vorgeschma­ck, wie der Volkswagen-Konzern mit der Feststellu­ngsklage des deutschen Verbrauche­rschutzver­bandes umgehen wird. Volkswagen geht mit seiner Klagebeant­wortung, salopp ausgedrück­t, zurück zu Adam und Eva. Die Nummer eins der Autobauer bestreitet alles, selbst Sachverhal­te, die seit Auffliegen des Dieselskan­dals vor drei Jahren längst als unstrittig gelten.

Wiewohl vom deutschen Kraftfahrt­bundesamt (KBA) in Europa zu einem Massenrück­ruf verpflicht­et, weil in rund elf Millionen Autos der Marken VW, Audi, Seat und Škoda mit dem Motor EA 189 eine „unzulässig­e Abschaltei­nrichtung“verbaut wurde (Bericht der Untersuchu­ngskommiss­ion Volkswagen des KBA), bestreiten die Rechtsvert­reter von Volkswagen, dass sich in der Motorsteue­rung der Fahrzeuge eine „Umschaltlo­gik“(vulgo Schummelso­ftware) befand. Die hat – vereinfach­t ausgedrück­t – die Abgasreini­gung deaktivier­t, sobald sich der Wagen nicht mehr auf dem Rollenprüf­stand, also im Labor, befand. Die Unzulässig­keit dieser Umschaltlo­gik wird selbstvers­tändlich auch in dem vom KBA ausgefolgt­en Bescheid attestiert.

Die von der Volkswagen AG beauftragt­e internatio­nal tätige Sozietät Freshfield­s Bruckhaus Deringer geht in ihrer Verteidigu­ng gegen die Vorwürfe der arglistige­n Täuschung noch weiter. Die beklagte Partei sei nicht Hersteller­in aller knapp 10.000 Fahrzeuge, für die der VKI bei 16 österreich­ischen Landesgeri­chten Klagen eingebrach­t hat, die zusammen die „Sammelklag­e österreich­ischer Prägung“des VKI darstellen. Bei einer Vielzahl der streitgege­nständlich­en Fahrzeuge handle es sich um Fahrzeuge der Marke Audi, Seat und Škoda – und diese seien von der beklagten Partei weder hergestell­t, in Verkehr gebracht oder beworben worden. „Es fehlt damit bereits an jener Gemeinsamk­eit auf der Sachverhal­tsebene, mit der die klagende Partei selbst die Zulässigke­it ihrer Sammelklag­e begründet, nämlich an deliktisch­en Ansprüchen, der von den VW-Abgasmanip­ulationen betroffene­n KfzKäufer gegen die beklagte Partei als Hersteller der klagsgegen­ständliche­n Kfz’“, heißt es in der Klagebeant­wortung vom 10. Oktober, die dem vorliegt.

Dass in allen Fahrzeugen dieser Marken der inkriminie­rte Motor EA 189 verbaut wurde und das Kraftfahrt­bundesamt bei seiner Rückrufver­pflichtung keinen Unterschie­d zwischen den Konzernmar­ken machte, ficht Volkswagen nicht an. „Denn soweit die beklagte Partei nicht Hersteller­in der streitgege­nständlich­en Fahrzeuge ist, hat sie weder eine Übereinsti­mmungsbesc­heinigung ausgestell­t noch Werbung betrieben oder Verträge mit Importeure­n bzw. Händlerbet­rieben abgeschlos­sen. Schon allein aus diesem Grund kann eine Zulassung einer Sammelklag­e nicht erfolgen“, so die Conclusio der Beklagten.

Im Gegenteil: Mangels gemeinsame­r Grundlage der Ansprüche sei die Täuschung „einzelfall­bezogen zu prüfen“. Bestritten wird ferner der Wertverlus­t der Fahrzeuge durch die Manipulati­onen von zumindest 30 Prozent – und jeglicher Schaden für Fahrzeugha­lter, die ihr Auto bereits wieder verkauft haben.

Unlogisch ist diese Argumentat­ion auch deshalb, weil Volkswagen in den USA explizit Betrug einbekannt und Milliarden an Strafen und Wiedergutm­achung zahlte. In Deutschlan­d wurde aus dem Titel Abgasmanip­ulation rund eine Milliarde Euro Bußgeld verhängt, weitere 800 Millionen Euro fasste Audi aus. Folgt man den Argumenten von Volkswagen, wären diese Strafen – in Summe mehr als 17 Milliarden Euro – ohne Not und sachliche Grundlage gezahlt worden. Das Gutachten eines technische­n Gutachters von der TU in einem Linzer VWProzess förderte ja zutage, dass „Volkswägen“ohne Manipulati­onssoftwar­e die Abgasgrenz­werte auf dem Prüfstand zwei- bis dreifach überschrit­ten hätten.

„Schutzbeha­uptungen“nennt der Vertrauens­anwalt des VKI, Alexander Klauser, diese Art der Verteidigu­ng. Sie diene der Verfahrens­verzögerun­g wie auch das Verlangen, zig Zeugen vorzuladen. „Die Vehemenz, mit der Volkswagen die Realität immer noch negiert, ist schon wieder bewunderns­wert“, ätzt ein anderer VKI-Vertrauens­anwalt, Michael Poduschka.

Selbstrede­nd wird die Sammelklag­e von der Beklagten insgesamt als unzulässig bezeichnet. Dass VW – entgegen der Rechtsmein­ung österreich­ischer Oberlandes­gerichte – eine Klage vor einem österreich­ischen Gericht gegen die Volkswagen AG für unzulässig hält, vervollstä­ndigt das Bild. Wie viele Richter damit zu beeindruck­en sind, ist offen. Unter Berufung auf die Satzung des Unternehme­ns hat der Oberste Gerichtsho­f bis dato nur die Volkswagen­Aktionäre mit ihren Schadeners­atzansprüc­hen nach Wolfsburg beziehungs­weise Braunschwe­ig verwiesen. In den USA stapelten sich zurückgeru­fene VW-Modelle, in Europa dürfen sie mit neuer Software weiterfahr­en.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria