Der Standard

Jakob Pöltl lernt von den Pinguinen

Österreich­s erster NBA-Spieler hat bei den San Antonio Spurs harte erste Wochen zu überstehen. Der Wiener kommt kaum zum Einsatz, ein Rückschrit­t nach zwei Jahren bei den Toronto Raptors.

- Florian Vetter aus San Antonio

Es ist ein sehr warmer Nachmittag in San Antonio Ende Oktober, 27 Grad, blauer Himmel. „Ich schwitze ordentlich“, sagt Jakob Pöltl. Kein Vergleich zu Toronto. „Da könnte ich mich schon bald in den Schnee setzen.“Seine zweite Vereinssta­tion in der National Basketball Associatio­n (NBA) heißt nach zwei Jahren Raptors also San Antonio Spurs. Der 23-jährige Wiener hat sich diesen Wechsel nicht ausgesucht, in der NBA ist ein Basketball­profi prinzipiel­l Handelswar­e, hat kein Mitsprache­recht bei der Wahl seines Arbeitgebe­rs. Die Vereine tauschen Spieler wie Chips im Kasino.

Pöltl ist aus einem Hotel bereits in eine Wohnung gezogen. Es gab viel zu tun bis zum Saisonstar­t Mitte Oktober, alte Wohnung abmelden, Führersche­in übertragen, ein paar Möbel fehlen noch. Beim Finden der Wohnung hat ihm eine vom Verein zur Verfügung gestellte Maklerin geholfen. Die Auswahl war nicht sehr groß. „Das fängt mit der Frage an: Kann ich in der Wohnung aufrecht durch die Tür gehen? Da kommen schon einmal 70 Prozent der Wohnungen nicht mehr infrage“, sagt der 2,13 Meter große Pöltl.

der Δtandard trifft Österreich­s ersten NBA-Spieler auf dem Gelände einer ehemaligen Brauerei im Norden der Stadt. The Pearl ist ein hippes Wohnvierte­l mit Ateliers, Restaurant­s und Spielfläch­en für Kinder. Pöltl wird da und dort erkannt, muss aber keinen Ansturm an Autogrammw­ünschen fürchten. Einige seiner Mitspieler wohnen in der Nähe des Trainingsz­entrums in der Peripherie, Pöltl hat sich bewusst für ein Leben in der Stadt entschiede­n. Wobei, eine richtige Innenstadt gibt es in San Antonio nicht, trotz 1,5 Millionen Einwohner „fühlt es sich an wie eine Kleinstadt“. Pöltl fährt 25 Minuten mit dem Auto zum Training. In der schicken „Practice Facility“an der Adresse Spurs Lane 1 ist am Tag vor dem Spiel gegen die Los Angeles Lakers viel Wurftraini­ng und Spielen in Kleingrupp­en angesagt, zwei gegen zwei, drei gegen drei, es gilt, Bewegungen in Korbnähe zu verinnerli­chen. Krafttrain­ing rückt in den Hintergrun­d. Pöltl hat in der Vorbereitu­ng sichtbar ein paar Kilo Muskelmass­e zugenommen, ist aber immer noch sehr schlank und schnell auf den Beinen.

Selbstkrit­ik

In zwei Duellen mit den Lakers sowie gegen die Dallas Mavericks wurde er nicht eingewechs­elt, eine taktische Maßnahme, sagt der Trainer. In der Liga wird nurmehr mit einem Großen in der Formation gespielt, derzeit hat Pöltl gegen den gesetzten Allstar LaMarcus Aldridge und Wechselspi­eler Pau Gasol das Nachsehen. Pöltl gibt sich selbstkrit­isch. „Momentan ist es eher ein Rückschrit­t, was meine eigene Leistung betrifft. Ich merke es selbst, wenn ich auf dem Feld stehe, dass ich teilweise planlos bin, einen Schritt zu langsam, weil ich zu viel über taktische Dinge nachdenken muss.“Der Verein versichert allen Spielern bei fast jedem Videostudi­um, dass es Zeit brauchen werde, um als Team zusammenzu­wachsen. Coach Gregg Popovich hat seine berüchtigt­en Wutanfälle, wenn Einsatz und Wille fehlen. Begehe man einen Fehler, „wie eine Defensivro­tation zu verhauen, schaut es mit den Minuten aber auch nicht so gut aus“.

Die Spurs halten in der aktuellen Saison bei fünf Siegen und zwei Niederlage­n. Popovich ist dafür bekannt, alle seine Spieler gleich zu behandeln, Superstars dürfen sich nicht mehr Fehler erlauben als Bankspiele­r. Nach dem lustlosen Auftritt gegen Indiana bekam Forward Rudy Gay beim Videostudi­um sein Fett ab, „ich wurde auch schon kritisiert, diese Herangehen­sweise zeichnet einen guten, fairen Coach aus“. Mit DeMar DeRozan, ehemals Superstar in Toronto, wechselte Pöltl im Paket nach Texas. „Dass wir beide aus unserer Situation in Toronto herausgeri­ssen wurden, verbindet uns, aber wir gehen deshalb nicht jeden Abend gemeinsam essen. Er hat auch schon Familie und Kinder.“Dass Coach Popovich über den Rand des Taktikbret­ts hinausscha­ut, ist laut Pöltl kein Klischee. Im Training stellt der 69-Jährige vor versammelt­er Mannschaft gerne Fragen zu Politik oder Kultur. Wer die Antwort weiß, bekommt zehn Dollar, für eine falsche Antwort wird eingezahlt.

„Wir haben uns einmal im Training einen Film über Pinguine angeschaut. Wie sie kommunizie­ren, im Team gemeinsam agieren. Bei einem anderen Coach würden die Spieler vielleicht mit den Augen rollen, aber er bringt es so rüber, dass es authentisc­h ist.“

Trainersch­ar

Aufwärmen vor dem Heimspiel gegen Dallas. Eine eigene Welt. Auf dem blitzblank­polierten Parkett stehen zwei Stunden vor Anpfiff sechs Trainer, die sich mehr oder weniger um Pöltl kümmern. Einer steht auf der Seitenlini­e und beschäftig­t sich mit seiner Applewatch, ein anderer passt Bälle zu Pöltl für Wurfserien. Dann braucht es noch Leute, die Fehlwürfe wieder aufklauben oder Spielsitua­tionen mit Pöltl durchlaufe­n. Wieder ein anderer zählt nur die getroffene­n Würfe. Das ist die NBA, es wimmelt von zig Assistente­n und Waterboys.

Manchmal schaut auch Tim Duncan vorbei. Der fünffache NBA-Champion mit den Spurs beendete seine Karriere 2016 nach 19 Jahren in der Liga. Der 42-Jährige gibt Tipps, die Pöltl gerne annimmt. „Er ist noch fit. Schneller bin ich schon, aber er weiß, wie er seinen Körper effektiv einsetzen kann.“Eine offizielle Funktion hat Duncan bei den Spurs nicht, er ist Klublegend­e, das reicht. Gegenüber vom Trainingsz­entrum besitzt Duncan eine Autowerkst­att, wo er auch seine Sportwägen auffrisier­en lässt. „Dort hab ich aber noch nicht vorbeigesc­haut“, sagt Pöltl.

Dass Österreich­s erfolgreic­hster Basketball­er der nächste Tim Duncan wird, ist auszuschli­eßen. General-Manager RC Buford und Coach Popovich sehen aber großes Talent in ihm. Beim ersten gemeinsame­n Abendessen war Basketball kein großes Thema. „Sie wollten mich persönlich kennenlern­en, wollten wissen, wo ich herkomme, wer ich bin. Es ging nicht um meine Rolle bei den Spurs. Ich habe ihnen über Österreich erzählt und wie ich dahin gekommen bin, wo ich bin.“

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Foto: APA / Ernst Weiss Der Wiener Jakob Pöltl steht derzeit eher beim Training als im Spiel auf dem Parkett. Ersteres kann, wenn gelungen, freilich zu Letzterem führen.

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