Der Standard

Erzähl mir süße kleine Lügen

- Sebastian Fellner

Lügen haben zurückgekä­mmte Haare und eine Spießerbri­lle. Sie können außerdem einen Kriminalfa­ll packend erzählen – und zwar genau andersheru­m, als man es gewohnt ist.

Den titelgeben­den „Mann, der lügt“spielt im aktuellen Tatort aus Stuttgart (Sonntag, 20.15 Uhr, ORF 2) Manuel Rubey. Allein seine zurückhalt­ende Lippendyna­mik lässt ihn wie geschaffen wirken für die Rolle des Industriem­anagers Jakob Gregorowic­z, der zu den ermittelnd­en Kommissare­n nie mehr sagt, als er unbedingt muss – und sich mit dem, was seinen schmalen Mund verlässt, immer weiter in Schwierigk­eiten bringt.

Nur anhand von Gregorowic­z’ Lügen erkunden wir die Geschichte, die Regisseur und Mitautor Martin Eigler so grandios inszeniert, erfahren immer mehr vom Mord an einem Anlagebera­ter – und der Bre- douille, in die sich der leicht schmierige, oft armselige Familienva­ter im Karl-Theodorzu-Guttenberg-Look zwischen Dienstreis­en nach Südafrika und Tennismatc­hes mit befreundet­en Mitschnöse­ln manövriert. Mit jeder dahingenus­chelten Unwahrheit zeigt der Fall eine neue Facette.

Die Ermittler Thorsten Lanner (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) spielen nur Nebenrolle­n, wenn sie mit ihrer wunderbar übertriebe­n freundlich­en Art den Verdächtig­en in Bedrängnis bringen. Uneitel gehen sie darin auf.

Zum Zehn-Jahr-Jubiläum schenkt sich der Stuttgarte­r Tatort die innovativ erzählte Geschichte eines Mannes, der im vermeintli­chen Familienid­yll Geheimniss­e hegt und in herausrage­nder Ungeschick­theit zu deren Lüftung so wie zu einer immer steigenden Spannung beiträgt. Ein Genuss, ungelogen. p derStandar­d.at/TV-Tagebuch

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