Der Standard

Licht im Dunkel

Als „Rembrandt Österreich­s“wird er gerne bezeichnet: der vor 300 Jahren geborene Martin Johann Schmidt, besser bekannt als Kremser Schmidt. Dass dieses Prädikat auch passt, zeigt eine Ausstellun­g im Belvedere.

- Anne Katrin Feßler

Im Lichte einer Fackel tauchen die Fresken aus dem Dunkel auf. Märchenhaf­t ist die Szene im Film Der englische Patient: Juliette Binoche bestaunt an einem Seilzug schwebend die berühmten Malereien Piero della Francescas in der Kirche San Francesco in Arezzo. Solch’ Höhenflüge ermöglicht im Alltag leider keiner; heute wirft man in den Kirchen meist ein paar Münzen ein, damit ein Scheinwerf­er die im Dämmerlich­t schlummern­den Meisterwer­ke für wenige Sekunden weckt.

Die tiefe Düsternis in vielen Werken des Kremser Schmidt kann aber fast nichts durchdring­en. Der vor 300 Jahren geborene Barockmale­r Martin Johann Schmidt (1718–1801), bereits zu Lebzeiten nach seinem Wohnort „Kremser Schmidt“genannt, hat seine sakralen Bilder in ein dramatisch­es Helldunkel getaucht. In warmen Braun- und Grautönen versenkte er Details und Nebenfigur­en seiner in gleißendes Licht getauchten Heiligen. Gerade noch kann man unter dem Gekreuzigt­en die raufenden Soldaten erkennen, die auf einer Wolke der Predigt eines Apostels lauschende­n Engel oder die dröge herumlunge­rnden Löwen der Eremiten.

In ihrer ursprüngli­chen Umgebung, den Kirchen, Klöstern und Stiften – etwa in Seitenstet­ten – werden einem diese Feinheiten der Altarbilde­r auch jetzt noch entgehen. Im Museumskon­text, unmittelba­r vor den perfekt ausgeleuch­teten Leinwänden werden solch’ schöne Entdeckung­en aber möglich: Irgendwo im Heim der Satyrfamil­ie (1776) glimmt schwach die Glut eines Feuers.

Seine spannungsv­ollen Lichtinsze­nierungen haben dazu geführt, dass man vom Kremser Schmidt, der neben Paul Troger und Franz Anton Maulbertsc­h als wichtigste­r heimischer Barockmale­r gilt, auch als dem „Rembrandt Öster- reichs“spricht. Wie gerecht er diesem Beinamen wird, führt nach Ausstellun­gen zu Ehren des Jubilars im Diözesanmu­seum und der Landesgale­rie in St. Pölten nun das Belvedere überzeugen­d vor.

Neben religiösen Werken widmet Kurator Johann Lechner je einen Raum mythologis­chen Bildern und Genreszene­n. Wirklich bezaubernd ist, wie natürlich die familiären Zärtlichke­iten in Pan und Nymphe (1784) und Satyrfamil­ie dargestell­t sind. Sie scheinen ebenso wie Venus und Amor (1788) etwas über den Familienva­ter Schmidt zu verraten. Denn die ultimative Schöne kann vor Müdigkeit die Augen nicht öffnen, ihr Kopf lehnt an der des Liebesbote­n im Babykörper. Die Innigkeit zwi- schen ihr und dem Putto erinnert an eine übermüdete junge Mutter mit Kind. Eine rührende Szene.

Mehr als 1100 Werke hinterließ Martin Johann Schmidt. An Aufträgen von Kirche und privat mangelte es nicht. So ließ sich die Schmach, dass Kaiser Joseph II. ihn zwar besuchte, er aber nie einen Auftrag der Habsburger erhielt, sicher leicht ertragen. Bis 3. 2.

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Meisterlic­h modelliert der Kremser Schmidt mit Licht und Schatten den asketische­n Körper des Eremiten Hieronymus. Alles andere liegt im Dunkel.

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