Eine Formel für Gerechtigkeit
Der AMS-Algorithmus verdeutlicht vorhandene Diskriminierungen am Arbeitsmarkt
Die entscheidende Frage ist weniger, ob ein Algorithmus die tatsächlichen Chancen und Benachteiligungen verschiedener Menschen am Arbeitsmarkt anzeigt, sondern, wie anhand der berechneten Benachteiligungen Ressourcen verteilt werden.
Ist nicht gerade bei geringen Arbeitsmarktchancen ein besonderes Bemühen gefragt, um so Chancengleichheit zu erreichen? Müssen wir für Menschen mit niedrigen Arbeitsmarktchancen aufgrund diverser diskriminierender Faktoren nicht viel mehr Geld investieren anstatt weniger? Ein solches Vorgehen ist in vielen Bereichen schon gang und gäbe, zum Beispiel bei der bedarfsorientierten Mittelzuwendung bei Schulen – so wie es gerade aktuell beim Thema Brennpunktschulen diskutiert wird.
Ähnlich verhält es sich beim Thema Frauen und Arbeitsmarktintegration: Es zeigt sich, dass die Indikatoren – wie bei den Betreuungspflichten, die sich nur bei Müttern und nicht bei Vätern auswirken – die realen Diskriminierungen widerspiegeln und ihre Verwendung erstens genau die diskriminierenden Einschätzungen wiederholt und zweitens durch die darauf basierenden Entscheidungen diese Diskriminierung sogar perpetuiert.
Für Frauen ist das Recht auf Gleichbehandlung durch das verfassungsrechtlich verankerte Gender-Budgeting abgesichert: Seit 2007 muss das AMS die Hälfte seines Budgets für Beratung und Fortbildungen für Frauen ausgeben. Das ist wichtig und gerecht: Wenn Frauen geringere Chancen zugerechnet werden als Männern, dann sollte dieser diskriminierende Aspekt budgetär ausgeglichen werden. Die Berichte zu den Gleichstellungskennzahlen des AMS zeigen auf, dass das AMS diese verfassungsrechtliche Anforderung seit zehn Jahren nicht erreicht. Seit 2016 hat sich das AMS diese Vorgabe, 50 Prozent der Förderungen für Frauen auszugeben, selbst als ein Ziel gesetzt. Allerdings wurden auch 2017 nur 47 Prozent der Budgetmittel für Frauen ausgegeben.
Der AMS-Algorithmus sollte uns nicht dazu verleiten, die Diskussion allein über die Auswir- kungen von Big Data im Bereich der öffentlichen Verwaltung zu führen. Wir müssen verstehen, dass er Teil des Regierungsprogramms und einer strategischen Neuausrichtung des AMS ist. Diese besagt, dass sich das AMS in Zukunft auf die Gruppen mit guten und mittleren Integrationschancen konzentrieren wird. In die Gruppe der Menschen mit niedrigen Integrationswahrscheinlichkeiten werden weniger Mittel investiert werden.
Eine Perspektive, die nicht nur Effizienzüberlegungen (die Dinge richtig tun), sondern auch Effektivitätsüberlegungen (also die richtigen Dinge tun) und letztlich auch Gerechtigkeitsüberlegungen anstellt, müsste dafür sorgen, dass diejenigen, die die geringsten Arbeitsmarktintegrationschancen haben, die bestmöglichen Angebote, Maßnahmen und Beratung bekommen. Auch eine solche Perspektive kann immer nur das Ergebnis einer politischen Entscheidung sein.
ALBAN KNECHT zialpädagoge. JUDITH PÜHRINGER ist Arbeitsmarktexpertin der Armutskonferenz.
ist Soziologe und So-