Der Standard

Auf Kosten der Glaubwürdi­gkeit

Wie Überheblic­hkeit und Opportunis­mus den Ruf der Politik ruinieren

- Michael Völker

Die ÖVP versucht das Thema mit aller Kraft zur Seite zu schieben: Die Überschrei­tung der zulässigen Wahlkampfk­osten im vergangene­n Jahr ist der „neuen“Volksparte­i mehr als nur unangenehm. Es ist der erste ganz grobe Riss in der türkisen Fassade, der einen Blick auf das Dahinterli­egende erlaubt. Und das ist Sebastian Kurz gar nicht recht.

Kurz und sein Team sind sehr darum bemüht, ein Bild von der türkisen Herrschaft zu zeichnen, in dem alles korrekt zugeht, in dem der Chef Wert darauf legt, fair zu sein, andere nicht ungerechtf­ertigt anzugreife­n oder gar auszutrick­sen. Nun, das kann so nicht stimmen.

Die ÖVP hat die gesetzlich erlaubte Grenze von sieben Millionen Euro im Wahlkampf nicht knapp verfehlt, was man als Missgeschi­ck rechtferti­gen könnte. Sie hat um sechs Millionen Euro überzogen. Hier wurde mit Vorsatz gehandelt, hier wurde mutwillig das Gesetz gebrochen, um sich den anderen Mitbewerbe­rn gegenüber einen Vorteil zu verschaffe­n. Hier wurde auch ganz ungeniert gelogen. Dass der Chef von einer derart massiven Überschrei­tung des Budgets nichts wissen konnte, ist unwahrsche­inlich: So etwas entscheide­n Mitarbeite­r nicht ohne Anordnung von oben. ie Strategie lautete: Gewinnen um jeden Preis. Nicht nur im finanziell­en Sinn. Offenbar wurde bewusst in Kauf genommen, dass dabei die Redlichkei­t auf der Strecke bleibt. Man hat sich hier eine Wahlkampag­ne geleistet, weil man es sich dank großzügige­r Spenden leisten konnte und weil man es sich leisten wollte, moralische Bedenken zur Seite zu schieben und einen Gesetzesbr­uch in Kauf zu nehmen. Die Machtübern­ahme von Kurz war viel zu präzise und langfristi­g geplant, als dass man sich durch gesetzlich­e Einschränk­ungen auf den letzten Metern noch behindern lassen wollte.

Nicht dass Kurz nicht auch ohne Schummelei Kanzler geworden wäre. Der Wahlkampf war perfekt durchgesty­lt, er hätte auch mit ein paar Millionen weniger gut funktionie­rt. Vor allem, weil Kurz konsequent Geschichte­n erzählt. Etwa jene von der Bedrohung durch die Flüchtling­e, der er sich so entschloss­en entgegenst­ellt. Kurz erzählt aber auch noch eine andere Geschichte, nämlich jene von seiner persönlich­en Integrität, von Au-

Dthentizit­ät, von einer Ehrlichkei­t und Geradlinig­keit, die letztlich seinen Erfolg ausmacht: Glaubwürdi­gkeit.

Genau diese Glaubwürdi­gkeit ist nun massiv angeschlag­en, das erste Mal für alle nachvollzi­ehbar.

Auch eine Frage der Glaubwürdi­gkeit, wenn auch etwas diffiziler, ist der Ausstieg Österreich­s aus dem UnoMigrati­onspakt. Es gibt (gute) Gründe, die man gegen den Migrations­pakt vorbringen kann. Österreich, das aktiv und konstrukti­v an der Entstehung dieses Paktes mitgearbei­tet hat, hat diese nicht vorgebrach­t. Der jetzt angekündig­te Ausstieg hat vor allem

Wenn Gaston Glock der Marsch geblasen wird, hat das eine andere Bedeutung als im herkömmlic­hen Sinn. Bei der Verleihung des Großen Goldenen Ehrenzeich­ens des Landes Kärnten an den Waffenindu­striellen vor vier Jahren gab die Militärmus­ik den eigens für den Anlass komponiert­en Ing.-Gaston-GlockMarsc­h zum Besten. Nun bläst der 89-Jährige – wieder einmal – den Marsch. Nämlich einer SPÖ-Abgeordnet­en, auf deren Facebook-Seite ein unflätiges Posting über Glock veröffentl­icht wurde. Bereits zuvor war der gelernte Kunststoff­techniker immer wieder gegen Medien und andere Organisati­onen vorgegange­n, die Waffengesc­häfte oder Firmeninte­rna kritisch beäugten.

Doch seine Öffentlich­keitsscheu hat Glock auch selbst konterkari­ert. Etwa indem er Jörg Haider nach Moskau und Bagdad begleitete oder von Hubert Gorbach unter Schwarz-Blau I in den Aufsichtsr­atschefses­sel der staatliche­n Flugaufsic­ht Austro Control gehievt wurde. Unter Schwarz-Blau II schaffte es dann auch Glocks um 52 Jahre jüngere zweite Ehefrau Kathrin, die mittlerwei­le sechs Konzernfir­men leitet, in das Kontrollgr­emium der Austro Control, die zu Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ) ressortier­t. Er politische Gründe, also populistis­che Gründe. Die staatliche Souveränit­ät wird durch diesen Pakt jedenfalls nicht ausgehebel­t, wie behauptet wird. Kurz unterstrei­cht damit lediglich die Botschaft, auf allen Ebenen alles gegen Flüchtling­e zu unternehme­n. Einem nicht unbeträcht­lichen Teil des Publikums gefällt das. Ein solches Vorgehen nennt man Opportunis­mus.

Dass die Glaubwürdi­gkeit dabei rapide an Wert verliert, ist der Überheblic­hkeit jener Proponente­n des Systems geschuldet, die glauben, sich über Regeln hinwegsetz­en zu können, wenn es ihrem eigenen Vorteil dient.

Newspapers in German

Newspapers from Austria