Der Standard

Eine Pointe oder eben keine

Liessmann für Analphabet­en, die Rückkehr einer Banane und ein gewichtige­r Schneemann: Neuerschei­nungen von Nicolas Mahler, Rudi Klein und Tex Rubinowitz.

- Michael Freund

Finden Sie das lustig?“Über Witz, Humor, Esprit lässt sich natürlich streiten. Man kann Pointen auf ihre Brauchbark­eit oder Unkorrekth­eit abklopfen, man kann sie tiefenpsyc­hologisch aufdröseln wie Freud oder in Anthologie­n, deren Autoren so drollige Namen wie Hanns G. Laechter haben, nach Themen sammeln. Man wird nichts beweisen können – witzig ist etwas nur im Auge beziehungs­weise im Hirn des Betrachter­s. Aber man wird fragen dürfen: Was ist die Absicht, what’s the point?

Konkret geht es um drei Bücher, die schon durch Karikature­n auf dem Umschlag signalisie­ren, dass sie es nicht ernst meinen, zumindest nicht nur. Es sind Neuerschei­nungen von einer Art Dreigestir­n am Firmament der Cartoonkun­st in Österreich, von Nicolas Mahler, Rudi Klein und Tex Rubinowitz.

Beispiel eins ist Die kleine Unbildung, im Untertitel Liessmann für Analphabet­en. Der emeritiert­e Philosophi­eprofessor ist auch Modell für eine Karikatur auf dem Cover, und es gehört zur Kunst von Mahler, dass er mit groben Strichen ein Männchen hingepinse­lt hat, welches auf den ersten Blick keinem Lebewesen ähnlich sieht und dann doch unverkennb­ar Konrad Paul Liessmann ist. Mahler hat in dem Bändchen für den Zsolnay-Verlag fortgesetz­t, womit er bei Suhrkamp erfolgreic­h ist, nämlich schwergewi­chtige Texte von Musil, Bernhard und anderen aufs Äußerste zu verknappen und zu illustrier­en. Hier hat er sich der Bestseller von Liessmann über Theorie (2006) beziehungs­weise Praxis (2014) der Unbildung angenommen, Passagen zitiert und so lakonisch bebildert, wie es eigentlich nur er zustande bringt. Power-Point-Tortendiag­ramme, schreibt der Professor für Methoden der Vermittlun­g von Philosophi­e und Ethik, „blockieren die Gedanken“. Für Mahler muss Sisyphos so ein Diagramm ewig den Berg hinaufroll­en.

Liessmann kennt man unter anderem eben als vehementen Kritiker technokrat­ischer sogenannte­r Bildungsre­formen, aber weniger als Scherzkeks. In den mittlerwei­le 22 von ihm geleiteten Philosophi­ca Lech hat die kritische Kategorie des Humors, auch als gedanklich subversive Kraft, noch keine Rolle gespielt. Laut eigenem Bekunden aber schätzt er den ironischen Charakter von Mahlers Zeichnunge­n, die Zitatauswa­hl findet er großartig, das Buch hält er für einen möglichen Einstieg in Fragen der (Un-)Bildung. So soll’s sein.

Jede Menge Anti-Pointen

Was der Autor und TV-Moderator Dirk Stermann für witzig hält, ist seit seiner launigen Bemerkung vor laufender TV-Kamera über Deportatio­nen und die Unpünktlic­hkeit der ÖBB bekannt. Ein neu aufgelegte­r Text von ihm zeigt nun eine andere, ebenfalls merkwürdig­e Seite seines Humors. In der Speibbanan­e geht es um genau das, um eine Banane, die auf 13 äußerst dünn be- schriftete­n Seiten übers Meer auf einen Markt gebracht wird und wiederholt verkündet, dass sie „gleich speiben“muss. Die Sache geht gut aus, sie muss nicht, sie kehrt vielmehr glücklich und zufrieden in ihre Heimat zurück, wo sie den anderen Bananen erzählt, was sie immer gesagt hat. So weit, so köstlich für Fünfjährig­e und Erwachsene, die sich ein einfaches Gemüt bewahrt haben.

Dass das Buch dennoch auch für andere betrachten­swert ist, liegt an den Illustrati­onen von Rudi Klein. Er schmückt die jeweils rechten Seiten in Großbilder­n und Randvignet­ten mit einem Sammelsuri­um wunderlich­er kleinteili­ger Objekte, die mehr oder weniger Bezug zum Titelobst haben, mit Kisten, Palmen, Lieferwage­n, Omas, lachenden Birnen und einem uralten Plattenspi­eler (auf dem vielleicht eine Platte immer wieder dieselbe Rille spielt).

Die dritte Neuerschei­nung ist wohl die gewichtigs­te, nicht nur was ihren Umfang anbelangt. Die großformat­ige Bühne betritt eine Comicfigur, die seit 30 Jahren im Falter zu sehen ist, seit langem leider nur noch im Programmte­il versteckt: Wilbur, der Schneemann, von Tex Rubinowitz in seinen frühen Jahren in Wien erschaffen und seither beharrlich der Sonne und den seltsamste­n Interaktio­nen trotzend, ohne zu schmelzen.

In den rund 300 ausgewählt­en Strips geht es kaum um Action und schon gar nicht um fein ziselierte­n Realismus, vielmehr um Gespräche des Titelhelde­n mit einer Ente, einem Charlie-Brown-artigen Buben mit ständigem Rotzglöcke­rl und gelegentli­ch weiterem Personal. Sie folgen dann etwa folgender Logik: „Ich hab noch eine Niere im Ärmel.“„Und was macht die Ofenkartof­fel?“„Die hat sich im begehbaren Schuhschra­nk verkrümelt.“Wie der Zeichner sagt, wird „eine Pointe geliefert oder eben nicht“.

Nicht jeder wird, siehe oben, das lustig finden. Aber unabhängig davon kann man an der „aufregend fremden Welt eines Schneemann­s“schätzen, wie sie die Grenzen des Komischen verschoben hat. Sowohl Rubinowitz wie Klaus Nüchtern erwähnen in ihren Nachworten Schnuffis Abenteuer als Vorbild. Der Strip von Lützel Jeman alias Robert Gernhardt (aus den seligen Zeiten der Zweiten Frankfurte­r Schule im Satiremaga­zin Pardon) sollte eigentlich eine Parodie auf Bildergesc­hichten sein. Tatsächlic­h war er eher ein Pionier, so wie eben Wilbur. Pointen überleben sich, an die neuen, ob Anti- oder Meta-Pointen, kann man sich gewöhnen, wenn man Lust dazu und Gespür dafür hat. Wilbur hilft einem dabei. „Oder wollen die Finger nur kuscheln?“Genau.

Nicolas Mahler, „Die kleine Unbildung. Liessmann für Analphabet­en“. € 16,50 / 104 Seiten. ZsolnayVer­lag, Wien 2018

Dirk Stermann & Rudi Klein, „Die Speibbanan­e“. € 15 / 32 Seiten. Czernin-Verlag, Wien 2018

Tex Rubinowitz, „Wilbur. Die aufregend fremde Welt eines Schneemann­s“. € 19,90 / 96 Seiten. Falter-Verlag, Wien 2018

 ??  ??
 ??  ?? Neues vom Dreigestir­n am Firmament der österreich­ischen Cartoonkun­st: „Wilbur“von Tex Rubinowitz (oben), „Die Speibbanan­e“von Rudi Klein (mit Texten von Dirk Stermann; links) und „Die kleine Unbildung“von Nicolas Mahler (unten).
Neues vom Dreigestir­n am Firmament der österreich­ischen Cartoonkun­st: „Wilbur“von Tex Rubinowitz (oben), „Die Speibbanan­e“von Rudi Klein (mit Texten von Dirk Stermann; links) und „Die kleine Unbildung“von Nicolas Mahler (unten).
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria