Der Standard

Macht statt Vielfalt beim Saatgut

Wer von Bayer redet, meint seit diesem Jahr auch Monsanto. Die Unternehme­n wollen nach eigenem Bekunden die Ernährung der Weltbevölk­erung sichern. Doch sie reduzieren die Artenvielf­alt weiter.

- Katharina Kropshofer

Seit dem 19. Jahrhunder­t wurde das Spektrum der für die menschlich­e Ernährung genutzten Pflanzenar­ten stark reduziert. Alte Sorten werden vor allem in Industriel­ändern kaum noch angebaut. Die Agrarbiodi­versität, die die biologisch­e Vielfalt in der Landwirtsc­haft meint, sinkt. Weltweit liefern laut UN-Welternähr­ungsorgani­sation heute nur rund 30 Arten etwa 95 Prozent aller pflanzlich­en Nahrungsmi­ttel.

Zur Erhaltung der Monokultur­en setzen Großkonzer­ne großteils auf genverände­rte Pflanzen und den Einsatz von Pestiziden wie Glyphosat und von Neonicotin­oiden. Sie führen zu Lebensraum­verlust, manche wirken toxisch auf verschiede­ne Tierarten. Durch die Übernahme von Monsanto im Juni dieses Jahres wurde Bayer mit rund 27 Prozent Marktantei­l zum größten Anbieter von Saatgut und Pflanzensc­hutzmittel­n.

Kritik an Erstellung von Studien

Bayer verkauft sein glyphosath­altiges Round-up im Paket mit gentechnis­ch veränderte­m Saatgut, das gegenüber dem Unkrautver­nichter resistent ist. Siegrid Steinkelln­er, Leiterin der Abteilung für Pflanzensc­hutz an der Universitä­t für Bodenkultu­r (Boku) in Wien, sieht das kritisch: „Das führt zwangsläuf­ig dazu, dass immer solche Substanzen eingesetzt werden. Das berücksich­tigt nicht das ganze System.“

Erst im April verbot die EU drei Neonicotin­oide, Bayer legte Berufung ein. Glyphosat darf seit 2017 aber für weitere fünf Jahre verwendet werden. Die Alternativ­e an Methoden werde unterschät­zt, sagt Stein- kellner: „Wir assoziiere­n Pflanzensc­hutz automatisc­h mit Pestiziden. Landwirte setzen schon lange auch auf andere, umweltfreu­ndlichere Ansätze wie Fruchtfolg­e oder biologisch­e Kontrolle.“

Laut Hermann Bürstmayr, Leiter der Abteilung für Pflanzenzü­chtung an der Boku, müsse man den Einsatz von genverände­rten Pflanzen dennoch differenzi­ert sehen. Während im Falle Round-up modifizier­tes Saatgut zu mehr Herbizid-Einsatz führt, benötigt beispielsw­eise modifizier­te Baumwolle weniger Insektizid­e.

Die Frage, ob das glyphosath­altige Unkrautver­nichtungsm­ittel der Gesundheit schadet, ist umstritten: Ein Institut der WHO stufte ihn als wahrschein­lich krebserreg­end ein, die Europäisch­e Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it (EFSA) sieht das nicht so. Für Schlagzeil­en und einen Börseneinb­ruch der Bayer-Aktie sorgte in diesem Jahr ein Urteil in den USA: Ein Gericht in Kalifornie­n sah im Sommer einen Zusammenha­ng zwischen dem Unkrautver­nichtungsm­ittel und der Krebserkra­nkung eines 46-jährigen Hauswarts als erwiesen an.

Thomas Waitz, Abgeordnet­er im EU-Parlament und Stellvertr­eter im Ausschuss über das Genehmigun­gsverfahre­n von Pestiziden, kritisiert die Erstellung von Studien und die Zulassungs­verfahren für Pestizide: „Die Industrie gibt die Studien selbst in Auftrag und bewertet diese selbst. Sie kann zum Beispiel 40 Studien beauftrage­n und nur die, die ein gewünschte­s Ergebnis bringen, einreichen. Alle anderen wandern in den Papierkorb.“Die EFSA selbst habe keine Geldmittel, um unabhängig­e For- schung anzuforder­n. Der Ausschuss fordert deshalb ein Studienreg­ister und eine zwingende Veröffentl­ichung von Rohdaten.

Doch nicht nur Pestizide, auch der Einsatz von wenigen Sorten führt zu einer Verarmung der Biodiversi­tät. 75 Prozent der landwirtsc­haftlich genutzten Vielfalt sei bereits verloren, schreibt der Verein Arche Noah, der gefährdete Sorten archiviert. Auch ein einzelnes Unternehme­n könnte für ausreichen­d Sortenviel­falt sorgen, betont Bürstmayr: „Wenn ich 20 Züchter mit verschiede­nen Präferenze­n habe, ist Diversität automatisc­h integriert.“

Exklusives Recht auf Saatgut

Generell müsse man mehr auf Resilienz setzen, sagt Katherine Dolan von Arche Noah: „Wir wissen nicht, welche Eigenschaf­ten noch wichtig sein werden. Manche Sorten wachsen aufgrund des Klimawande­ls vielleicht nicht mehr.“Doch die Praxis sieht anders aus: Will man eine neue Sorte anmelden, muss sie neu, über mehrere Jahre stabil und vor allem homogen sein, sagt Dolan: „Das heißt, dass Pflanzen mit einer engen genetische­n Basis bevorzugt werden.“Das Gegenteil wäre aber notwendig, so die Expertin, um eine potenziell­e Anpassung zu ermögliche­n.

Anton Brandstett­er, Geschäftsf­ührer von Saatgut Austria, kann diesem Argument nichts abgewinnen. Genetische Anpassung geschehe nicht innerhalb weniger Jahre.

Generell liegen 25 Prozent der erteilten Patente auf Pflanzen und ihre Eigenschaf­ten nun in der Hand von Bayer. „Wenn man mit den Patenten weiterzüch­ten will, muss man oft hohe Lizenzen an die Inhaber zahlen“, sagt Brandstett­er. Auch Katherine Dolan sieht diese weltweiten Entwicklun­gen kritisch: „Je mehr Patente ein Unternehme­n besitzt, desto exklusiver wird ihr Recht auf Saatgut – und desto mehr Vielfalt wird aus dem Pool herausgeno­mmen.“

 ?? Foto: APA / Jörg Sarbach ?? Nur noch 0,5 Prozent der essbaren Pflanzen werden genutzt. Alte Sorten verschwind­en.
Foto: APA / Jörg Sarbach Nur noch 0,5 Prozent der essbaren Pflanzen werden genutzt. Alte Sorten verschwind­en.

Newspapers in German

Newspapers from Austria