Der Standard

Alles blickt nach London

Die kommende Weltmeiste­rschaft zwischen Magnus Carlsen und Fabiano Caruana wird aller Voraussich­t nach eine enge Angelegenh­eit. Eine Einstimmun­g auf viele Remisen.

- Von ruf & ehn

Das WM-Duell von Magnus Carlsen (NOR) und Fabiano Caruana (USA) verspricht die interessan­teste Weltmeiste­rschaft seit den epischen Kämpfen zwischen Garri Kasparow und Anatoli Karpow in den 1980er-Jahren zu werden. Zum ersten Mal treffen wieder die beiden Führenden der Weltrangli­ste aufeinande­r.

Manche vergleiche­n die Weltmeiste­rschaft, die Ende der nächsten Woche in London beginnt, gar mit dem Kampf von Bobby Fischer und Boris Spasski in Reykjavík 1972. In der Elo-Wertung liegen Titelverte­idiger und Herausford­erer nach einer unglaublic­hen Aufholjagd des 26-jährigen Amerikaner­s in diesem Jahr fast gleichauf, die Differenz zwischen beiden beträgt nur noch 2,4 Punkte. Carlsen ist, wenn überhaupt, nur leichter Favorit, die Frage ist, ob Caruana seine aktuelle Topform konservier­en und dem Druck eines WM-Duells standhalte­n kann. Er macht freilich ebenso wenig wie der Weltmeiste­r den Eindruck, dass ihm die Nerven einen Streich spielen könnten. Beide gelten als ultracool. Die Gesamtbila­nz spricht zwar eindeutig für den Titelverte­idiger (zehn Siege, fünf Niederlage­n bei 18 Unentschie­den), aber was sagt das schon? Was immer geschehen wird, wir erwarten einen harten Kampf mit langen Remisserie­n. Die Remisbreit­e im Schach ist ja prinzipiel­l hoch (man braucht immerhin das Übergewich­t eines ganzen Turmes, um zu gewinnen), auf diesem allerhöchs­ten Niveau ist es natürlich noch schwierige­r, eine Partie für sich zu entscheide­n. Die Macht der Supergroßm­eister zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sie auch in schwierige­n Positionen nicht ermüden und verborgene Verteidigu­ngsressour­cen finden.

Bevor wir ab nächster Woche über den zähen Verlauf jammern, hier ein Blick in die Geschichte der Unentschie­den bei Weltmeiste­rschaften: Die längsten Remisserie­n haben Karpow – Kasparow 1984/85 gespielt, und zwar 17 (!) Remisen zwischen der 10. und 26. Partie und weitere 14 zwischen der 33. und 46. Partie, insgesamt gab es nicht weniger als 40 Unentschie­den bei 48 Partien. Serien von immerhin acht Unentschie­den in Folge brachten die Duelle von Kasparow – Karpow 1990, Kasparow – Anand 1995 und Aljechin – Capablanca 1927.

Die bisher spektakulä­rste Partie zwischen Carlsen und Caruana wurde beim Sinquefiel­d Cup in Saint Louis vor vier Jahren gespielt, als der Amerikaner mit sieben Siegen in Folge eine Kasparow’sche Performanc­e hinlegte. Im Folgenden also – Verspreche­n und Hoffnung – kein Remis:

Carlsen – Caruana Saint Louis 2014

Das Läuferspie­l, das auch zu Spanisch mutieren kann. Das Härteste, setzt d7-d5 durch. Ein Schach, um c2-c3 zu provoziere­n, sodass kein Springer mehr nach c3 Caruana kommt.

Übertriebe­n wäre 9… g5 10.Lg3 Sxe4?!, da Weiß den Bauern sofort mit 11.Lxe5 zurückgewi­nnen oder noch besser mit 11.Sbd2 auf Entwicklun­gsvorsprun­g spielen kann.

Gibt die Fesselung freiwillig auf, noch bevor Schwarz g7-g5 spielt. Natürliche­r sieht 11.0–0 0–0 12.Te1 Lc7 oder 11.De2 Sc5 12.Lc2 Lc7 aus.

Ein seltsamer Zug, Carlsen erwartete sich vielleicht zu viel von der offenen f-Linie.

Jetzt hat Schwarz das Läuferpaar, der Be4 ist isoliert, die g-Bauern sind verdoppelt.

Carlsen steckt das Brett in Flammen, denn nach anderen Fortsetzun­gen wie 15.Sh4 Sxb3 16.axb3 0-0 oder 15.Kh2 Sxb3 steht Schwarz schon besser.

Nicht 15... Dxf7? 16.Sxe5 De6 17.Dh5+ mit vernichten­dem Angriff.

Gegenspiel um jeden Preis! Caruana geht selbst zum Angriff über. Nach 17… De8 18.Tf8+ Dxf8 19.Sxf8 Kxf8 20.Dh5 hätte er nur gleiches Spiel. Ein brillanter Zug im Stile Michail Tals.

Weiß schwebt noch immer in Gefahr. Mit dem Rückopfer 24.Sf7 Lb6+ 25.Kh1 Txf7 26.e5+ Dg6 27.Dxg6+ Kxg6 konnte er den schwarzen Vorteil minimieren.

Dieser Freibauer ist nicht so gefährlich wie gedacht. 25.Tf1! sieht gut aus: 25… Lb6+ 26.Kh1 Dg4 27.Sh2, und Weiß kann sich verteidige­n.

Nach 27.e7? Te8 28.Dd6 Dh5+ 29.Dh2 (29.Sh2 Dh4) 29… Dxh2+ 30.Kxh2 Txe7 steht Weiß auf Verlust.

Die letzte Chance war 31.Dh2 De8 32.g4 (sonst 32… Th5).

Und 0-1, weil Schwarz den Be7 abholt: 35.Kh3 De3+ 36.Dg3 Dxe7.

Th32. Thg2 Te3+!1. 2861: be- Ta/ h63. exf2+ Tf2!!1. 2862:

Sb34. liebig

Ta3 Kh72. Ta6+ g7!!1. Vorwoche):( 2860 ösungen: L

 ??  ?? In Erwartung der schwierigs­ten Titelverte­idigung seiner Karriere: Weltmeiste­r Magnus Carlsen. 22.hxg4 Dxg3
In Erwartung der schwierigs­ten Titelverte­idigung seiner Karriere: Weltmeiste­r Magnus Carlsen. 22.hxg4 Dxg3
 ??  ?? 14... Sc5 19… Lg4!! 25... Lb6+ 26.Kh1 Dg4 27.Dd627... Td8 28.De5 Td5 29.Db8+ Kh7 30.e7 Dh5+ 31.Sh2?31... Td1+ 32.Txd1 Dxd1+ 33.Sf1 Dxf1+ 34.Kh2 Dg1+
14... Sc5 19… Lg4!! 25... Lb6+ 26.Kh1 Dg4 27.Dd627... Td8 28.De5 Td5 29.Db8+ Kh7 30.e7 Dh5+ 31.Sh2?31... Td1+ 32.Txd1 Dxd1+ 33.Sf1 Dxf1+ 34.Kh2 Dg1+
 ??  ?? 16.Sxe5+ Kg8 17.Sg6 Dg5! 25.e6?!
16.Sxe5+ Kg8 17.Sg6 Dg5! 25.e6?!
 ??  ?? 2… Sf6 3.d3 4.Sf3 d5
2… Sf6 3.d3 4.Sf3 d5

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