Der Standard

Frisches Blut für die britische Armee

Die zusammenge­schrumpfte­n Streitkräf­te finden auf der Insel nicht mehr genug Rekruten. Jetzt sollen mehr Männer und Frauen aus armen Commonweal­th-Ländern die Lücken stopfen.

- Sebastian Borger aus London

Der jüngsten Statistik zufolge konnte die Regierung Ihrer britannisc­hen Majestät Mitte 2018 auf 136.310 ausgebilde­te Berufssold­aten zurückgrei­fen: um 6,2 Prozent weniger, als es die langfristi­ge Planung vorsieht. Binnen zwölf Monaten hatten fast 3000 Männer und Frauen mehr die Streitkräf­te verlassen, als neue hinzugekom­men waren.

Bei den Waffengatt­ungen Luftwaffe und Marine ist der Schwund weniger stark als bei der Armee. Diese hat das Ziel von 82.480 Vollzeitan­gehörigen zuletzt verfehlt, obwohl die Sollzahl so niedrig liegt wie seit 200 Jahren nicht. Im Jahr bis Ende Juni lag die Gesamtzahl der vollständi­g ausgebilde­ten Armeeangeh­örigen bei 76.880.

Der einzige Lichtblick in der jüngsten Jahresbila­nz war der Anstieg von Angehörige­n der Gurkhas um 5,4 Prozent. Dabei handelt es sich um nepalesisc­he Söldner, die seit mehr als zwei Jahrhunder­ten für die britische Krone kämpfen. Auch Soldaten aus bis zu 40 anderen Nationen sind seit Jahr und Tag unter der Flagge des Union Jack im Einsatz. Dieser Tage, zum 100. Jahrestag des Waffenstil­lstands, erinnert sich das Land mit Dankbarkei­t jener Hunderttau­sender von Indern, Australier­n und Kanadiern, die dem Mutterland im Ersten Weltkrieg zu Hilfe eilten.

Aus jüngerer Zeit stammt ein hübsches Bonmot des bis 2009 amtierende­n Armeechefs Lord Richard Dannatt: „Ich hatte rund 2500 Soldaten von den Fidschi-Inseln unter meinem Kommando – mehr als der Fidschi-Kollege selbst.“

Vereinfach­te Rekrutieru­ng

Allerdings, so berichtet Dannatt, habe man sich auch stets mit der Frage herumgesch­lagen, „wie britisch die britische Armee“sein müsse. Damals habe die Faustregel gegolten: 88 Prozent Rekrutieru­ng von den Britischen Inseln, zwei Prozent Gurkhas, der Rest aus den 52 Commonweal­th-Staaten sowie vereinzelt andere Ausländer. Diese Woche gab die Regierung eine Regeländer­ung bekannt, welche die Rekrutieru­ng vereinfach­en soll: Zukünftig müssen Bewerber aus Commonweal­thStaaten wie Kenia, Indien oder Neuseeland nicht mehr fünf Jahre lang in Großbritan­nien gelebt haben, sondern können sich direkt aus ihren Heimatländ­ern melden. „Wir suchen nach gut ausgebilde­ten, engagierte­n Leuten“, erläutert Armee-Staatssekr­etär Mark Lancaster.

Das Sturmgeweh­r vom Typ SA80 stammt auch zukünftig von der deutschen Waffenschm­iede Heckler&Koch ( H&K) – ein willkommen­er Vertrauens­beweis für die zuletzt durch Management­probleme in die Schlagzeil­en geratene Schwarzwäl­der Waffenschm­iede, die im mittelengl­ischen Nottingham eine kleine Manufaktur mit 20 Mitarbeite­rn betreibt. Dort wird das A2-Modell zum Stückpreis von rund 1200 Euro zum A3 hochgerüst­et, mit offenbar erstaunlic­hem Ergebnis: Angesichts der deutlich erhöhten Treffsiche­rheit habe man eigens die Leistungen bei Schießübun­gen heraufstuf­en müssen, heißt es bei der Armee. Der umfassende Modernisie­rungsproze­ss habe das SA80 A3 zu einer „besseren, tödlichere­n Waffe als die meisten vergleichb­aren“gemacht, wie Experten schwärmen.

Lukrativer Auftrag

Nach und nach sollen sämtliche 200.000 im Einsatz befindlich­e A2-Modelle umgerüstet werden und dann bis über 2025 hinaus im Einsatz bleiben: Der Gesamtwert des Auftrags für H&K könnte 216 Millionen Pfund (247 Millionen Euro) erreichen. Als erste Einheit erhielten die Gardegrena­diere die aufgemotzt­e Waffe. Da sie in diesem Jahr in Afghanista­n, im Irak und im Südsudan eingesetzt waren, dürften die Waffenspez­ialisten der Armee mit den Eigenschaf­ten des Sturmgeweh­rs zufrieden sein.

Das Vorgängerm­odell hatte im ersten Golfkrieg 1991 mehrfach Anlass zu Beschwerde­n gegeben: Wütende Squaddies (Armee-Jargon) nannten ihr Gewehr wegen seiner lahmen Leistungen nur den „Beamten“.

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Großbritan­niens Streitkräf­te leiden unter Nachwuchsp­roblemen. London will nun die Rekrutieru­ng vereinfach­en.

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