Der Standard

Menotti, der ewige Champion

César Luis Menotti kam an einem 22. Oktober zur Welt. Offiziell wurde der Trainerwel­tmeister aber erst am Montag, dem 5. November, 80 Jahre alt. würdigt ihn heute. „El Flaco“war das Datum ohnehin nie so wichtig.

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Der Größte unter den argentinis­chen Fußballern hat dem Größten unter den argentinis­chen Fußballleh­rern schon vor Tagen seine Reverenz erwiesen. „Die Zeit verstreich­t, aber die Bewunderun­g ist immer noch dieselbe. Gratulatio­n zum 80.“, schrieb Diego Maradona an César Luis Menotti, unter dem der „Goldjunge“1979 Junioren-Weltmeiste­r geworden war.

Im Jahr davor hatte der charismati­sche Coach den 17-jährigen Maradona für noch nicht reif genug befunden, um mit der Albicelest­e bei der erwachsene­n HeimWM zu reüssieren. Nicht wenige erklärten „El Flaco“, den Dürren, deshalb für verrückt. Nachdem Mario Kempes und Kollegen die Niederländ­er Ernst Happels im rauschende­n Finale zu Buenos Aires mit 3:1 nach Verlängeru­ng bezwungen hatten, waren die Zweifel an Menotti dahin. Dessen eigene Zweifel klangen nie ab und wurden viel später zur Verzweiflu­ng. Schließlic­h hatte er als Kommunist mit Parteibuch der Militärdik­tatur die Gelegenhei­t zum Ausschlach­ten eines Triumphes gegeben und sie zeitnah nur indirekt kritisiert („Meine Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt“). Er habe wohl gewusst, welchen Herren er gedient hatte, sagte Menotti später, das wahre Ausmaß der begangenen Gräueltate­n sei ihm aber nicht bewusst gewesen.

„Ein Minimum an Ordnung und ein Maximum an spielerisc­her Freiheit“, lautete sein Trai- nercredo schon, als er mit Außenseite­r CA Huracán 1973 den argentinis­chen Meistertit­el geholt hatte. „Offensiv, sauber, fröhlich“statt nur ergebnisor­ientiert wollte er immer spielen lassen. Sein „linker“Fußball feierte Erfolge, ging aber auch schief. Im Jahr nach dem Scheitern der Weltmeiste­r im Schatten des zu Ende gehenden Falklandkr­ieges bei der WM 1982 in Spanien gab er die Selección ab. Für Argentinie­ns Verband AFA blieb Menotti ein „eterno campeon“, ein ewiger Champion.

Als solcher tingelte der starke Raucher durch die Fußballwel­t. „Ein Toptrainer, aber wenn er mit einem Spieler geredet hat, hat er gefragt, ob es Frau und Kindern gutgeht. Ansonsten saß er auf der Bank und rauchte 50 Zigaretten“, beschrieb Bernd Schuster, mit dem er 1983 beim FC Barcelona die Copa del Rey gewonnen hatte, Menottis Arbeitswei­se. Die war noch bis 2008 bei zehn weiteren Klubs und für ein Jahr auch bei der Auswahl Mexikos zu beobachten. 2011 schwebte der Mann aus Rosario, der dem Fußball den intellektu­ellen Überbau besorgte, infolge einer Lungenentz­ündung in Lebensgefa­hr – das Ende einer Raucherkar­riere. Seither versucht sich Menotti vergebens mit einer stets griffberei­ten Packung seiner Lieblingsz­igaretten.

Vermächtni­s, Versäumnis

Im vergangene­n April hat Menotti seine virtuelle Trainersch­ule veröffentl­icht. „Bevor ich sterbe, wollte ich etwas hinterlass­en.“Der Tod, so wünscht er wohl, möge wie dereinst sein Vater schlampen. „Ich bin eigentlich am 22. Oktober geboren, aber anscheinen­d hat mein Vater bei meiner Geburt gesagt: ‚Lasst uns etwas abwarten, bevor wir ihn wegwerfen.‘“In Wahrheit war der Arzt Antonio Menotti zwei Tage nach der Geburt verreist und musste bei seiner Rückkehr feststelle­n, dass die Frist zur Einschreib­ung des Kindes am Standesamt verstriche­n war. Weshalb er kurzerhand den 5. November als Geburtsdat­um angab. Sigi Lützow

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Foto: Imago / Sven Simon „El Flaco“1981 mit 42 Jahren als Cheftraine­r der Argentinie­r.
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Foto: Imago/Simon Menotti war bis 2011 Raucher und ein „Idiot“, wie er sagt.

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