Der Standard

Sieben Kanzleien ziehen an einem Strang

Der Legal Tech Hub Vienna soll digitale Innovation im Rechtsbere­ich fördern und den Rechtsstan­dort Wien im Legal-Tech-Bereich stärken. Dahinter stehen sieben Anwaltskan­zleien, die für dieses Ziel eng zusammenar­beiten.

- Eric Frey

Dass große Anwaltskan­zleien miteinande­r um Klienten konkurrier­en und in Prozessen einander bekämpfen, ist normal; dass sie friedferti­g zusammenar­beiten, eher ungewöhnli­ch. Wenn es um Legal Tech geht, haben sich sieben der bedeutende­ren Wiener Sozietäten dennoch zu einer kanzleiübe­rgreifende­n Kooperatio­n entschloss­en. Dorda, Schönherr, Wolf Theiss, Eisenberge­r & Herzog, Herbst Kinsky PHH Rechtsanwä­lte und SCWP Schindheim haben vor kurzem den Legal Tech Hub Vienna (LTH Vienna) gegründet, der Start-ups und Innovation­en für die Digitalisi­erung der Rechtsbran­che fördern soll.

Der LTH Vienna ist als Verein registrier­t, zum sechsstell­igen Startkapit­al haben alle sieben Kanzleien gleichmäßi­g beigetrage­n. Anderen Kanzleien steht der Beitritt jederzeit offen, betonen die Gründer.

„Das ist mit einem echten Kulturwand­el bei den Kanzleien verbunden, das wäre vor einigen Jahren noch unvorstell­bar gewesen“, sagt Gudrun Stangl, Partner und COO bei Schönherr. „Aber wir spüren die Erwartungs­haltung der Klienten, dass wir sie in die digitale Zukunft führen. Wir ziehen dabei alle an einem Strang. Würde jeder von uns seine eigenen Wege gehen, dann wäre alles viel langsamer.“Ein vergleichb­ares Modell gebe es nirgendwo sonst in Europa, betont Stangl.

Der LTH werde keine eigenen Produkte entwickeln, sondern Projekte und Programme fördern, die dann alle Kanzleien nutzen können, sagt Stefan Artner, Managing Partner von Dorda und der Initiator des LTH. „Wir wollen das Kompetenzz­entrum für digitale Innovation­en werden“, sagt er.

Die geplanten Hauptaktiv­itäten umfassen ein Accelerato­rprogramm für Legal-Tech-Unternehme­n aus ganz Europa, mit einem Schwerpunk­t in Österreich sowie Mittel- und Osteuropa, wo zahlreiche heimische Kanzleien aktiv sind. Der Accelerato­r werde nicht nur Start-ups, sondern auch bestehende­n KMUs offenstehe­n. Eine Vereinsjur­y soll die Kriterien für die Förderunge­n Anfang 2019 ausarbeite­n und bekanntgeb­en.

Entwicklun­g von Standards

Weiters sind Kooperatio­nen mit Interessen­vertretung­en, Universitä­ten und Fachhochsc­hulen sowie mit Legal-Tech-Hubs in anderen Staaten geplant. LTH Vienna soll über sogenannte White Papers auch an der Entwicklun­g von Standards für die gesamte Rechtsbran­che über Forschungs­aufträge, Diplomarbe­iten und Partnersch­aften mitwirken. Geschäftsf­ührerin wird die Legal-Tech-Expertin Sophie Martinetz, Gründerin & Managing Partnerin von Future Law, die hinter vielen aktuellen Initiative­n auf diesem Gebiet steht.

Obwohl der internatio­nale Markt für Legal-Tech-Produkte ra- sant wächst, sei es notwendig, eigene Lösungen in Mitteleuro­pa zu entwickeln, sagt Stangl. „Mit den USA und UK ist unser Markt nicht vergleichb­ar, und auch Deutschlan­d ist anders. Wir brauchen maßgeschne­iderte Lösungen, die man nicht von der Stange kaufen kann.“Das gelte vor allem für den CEE- und Balkanraum mit seinen fragmentie­rten Märkten, kulturelle­n Unterschie­den und vielen Sprachen.

Vielfalt im Osten

Diese Vielfalt sei eine besondere Herausford­erung für Softwareen­twickler, glaubt Artner: „Wenn ein simples Produkt für Österreich passt, dann wird es auch für Deutschlan­d passen, aber nicht für Zentral- und Osteuropa. Dort gibt es zu viele Unterschie­de bei Sprache, Kultur, rechtliche­n Inhalten, und ob man an die EU angelehnt ist oder nicht.“

Die Region sei für Legal Tech aber auch besonders interessan­t, fügt Stangl hinzu: Es gebe auch in Ländern wie Bulgarien und Serbien zahlreiche innovative IT-Unternehme­n, die mit etwas Unterstütz­ung auch außerhalb ihres Heimatmark­tes erfolgreic­h sein könnten. „Da ist sehr viel los.“

Für Stangl ist der LTH ein Weg, aus einem Problem eine Chance für den Rechtsstan­dort zu machen: „Wir möchten nicht die Getriebene­n sein, sondern wir möchten mitgestalt­en“, beschreibt sie das Besondere hinter der Initiative.

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