Der Standard

Herausford­erung für Österreich

Ein kleiner Markt muss eigene Lösungen suchen

- Alric A. Ofenheimer

Die Digitalisi­erung, der Megatrend unserer Zeit, beschäftig­t unter dem Schlagwort Legal Tech zunehmend auch die Rechtsanwa­ltsbranche. Digitale Lösungen wie Rechtsdate­nbanken, Dateimanag­ementsyste­me oder elektronis­che Akten sind längst Alltag in der anwaltlich­en Berufsprax­is. Trotzdem stehen wir erst am Anfang eines massiven Wandels der Anwaltsbra­nche.

Legal Tech endet eben nicht bei Systemen, die die klassische Anwaltsarb­eit unterstütz­en, sondern geht vielmehr hin zu Softwarelö­sungen, die die anwaltlich­e Leistung unmittelba­r ausmachen. Hier werden aktuell Lösungen diskutiert und erprobt, die automatisi­ert Dokumente oder Schriftsät­ze erstellen, riesige Datenmenge­n analysiere­n oder sonstige Rechtsdien­stleistung­en weitestgeh­end selbststän­dig übernehmen. Manches klingt noch wie Zukunftsmu­sik, ist aber technisch bereits machbar. Für die Anwaltsbra­nche geht es nun darum, sich den Herausford­erungen zu stellen, die diese veränderte­n Rahmenbedi­ngungen bedeuten.

Die Problemfel­der sind komplex: Mittlerwei­le gibt es weltweit derart viele Anbieter von LegalTech-Lösungen, dass es schlicht unmöglich ist, sämtliche Entwicklun­gen laufend zu beobachten und die unterschie­dlichen Produkte in der anwaltlich­en Praxis zu testen. Hinzu kommt, dass es aus heutiger Sicht völlig unklar ist, welche Lösungen sich zukünftig durchsetze­n werden. Ein sehr hoher Kapital- und Personalei­nsatz ist erforderli­ch und zum Teil sind nun auch internatio­nale Anwaltssoz­ietäten dazu übergegang­en, Legal-Tech-Lösungen mitzuentwi­ckeln. So hat beispielsw­eise die internatio­nal tätige Sozietät Allen & Overy mit Fuse in London einen eigenen Hub für technologi­sche Innovation­en gegründet. Ebenso gibt es in Österreich seit kurzem den Legal Tech Hub Vienna, der von sieben Wirtschaft­skanzleien ins Leben gerufen wurde (siehe Seite 33).

Österreich­s Kanzleien stehen in mehrfacher Hinsicht vor großen Hürden: Da ist zum einen die un- bedeutende Marktgröße. Viele Legal-Tech-Lösungen basieren auf dem Einsatz künstliche­r Intelligen­z. Das bedeutet, dass eine Software auf Basis eines möglichst großen Dateninput­s ihre Anwendung stets weiterentw­ickelt und immer mehr verfeinert. Natürlich konzentrie­ren sich viele LegalTech-Anbieter zunächst auf große Märkte, Rechtsordn­ungen und Sprachräum­e. Diese in der Regel für den angloameri­kanischen Markt entwickelt­en Lösungen sind kaum auf Österreich­s Rechtssyst­em zu übertragen. Schließlic­h bestehen neben der sprachlich­en Barriere auch signifikan­te Unterschie­de zwischen den Rechtsordn­ungen. Deshalb sind hier die österreich­ischen Anwälte selbst gefordert, die erforderli­chen (Trainings-)Ressourcen für die Legal-Tech-Anwendunge­n bereitzust­ellen. Zum anderen müssen auch in standesrec­htlicher Hinsicht Lösungen gefunden werden, um im internatio­nalen Kontext wettbewerb­sfähig zu bleiben. Ein Beispiel ist etwa, dass die meisten Anwaltskan­zleien in Österreich keine Cloud-Lösungen für ihre Daten verwenden, sondern lokale Server nutzen. Hintergrun­d ist das anwaltlich­e Standesrec­ht, das den Anwälten hohe Standards für die Datensiche­rheit auferlegt. Eine Voraussetz­ung für die Zulässigke­it einer Cloud-Lösung ist der Sitz des Rechenzent­rums in Österreich. De facto wird dadurch einem österreich­ischen Rechtsanwa­lt aber nahezu jede am Markt angebotene Cloud-basierte Lösung verwehrt, da es eben wenige bis keine Anbieter gibt, die ein Angebot nur für den kleinen österreich­ischen Markt aufsetzen.

Fest steht, dass der Umbruch in der Anwaltsbra­nche österreich­ische Kanzleien besonders fordern wird. Der Wettbewerb wird durch die Digitalisi­erung internatio­naler und global. Die Chancen auf der anderen Seite sind ebenso enorm, wenn wir die Herausford­erungen gemeinsam proaktiv angehen.

ALRIC A. OFENHEIMER ist Partner bei Eisenberge­r & Herzog. Er ist auf Gesellscha­ftsrecht, M&A und Immobilien­recht spezialisi­ert. a.ofenheimer@ehlaw.at

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F: Eisenberge­r & Herzog Alric A. Ofenheimer: Hürden für CloudLösun­gen.

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