Der Standard

Kampf der Rechten um Europa

Bei den EU-Wahlen droht eine Polarisier­ung, die vor allem den EU- Gegnern nützt

- Thomas Mayer

Viele Europäer schauten in diesen Tagen der Kongresswa­hlen besorgt in die USA und stellen sich die Frage, ob die Brutalisie­rung und Polarisier­ung der amerikanis­chen Politik im Gefolge der Wahl von Präsident Donald Trump noch steigerbar ist. Oder ob die US-Bürger nach einer Schockwell­e vulgärer Spaltung der Gesellscha­ft in einfache Muster von schwarz und weiß, gut und böse nun wieder moderatere­n Politikern den Vorzug geben.

Wahlen in den USA bleiben für die Europäer nie ohne Wirkung. Aber in Europa, so könnte man glauben, haben wir es ohnehin besser. Da ist der Vormarsch von Rechtspopu­listen bis in Regierunge­n hinein, die Grundrecht­e, Rechtsstaa­t und EU-Recht mit Füßen treten, auch besorgnise­rregend. Hier sagen extrem Rechte wie der italienisc­he Innenminis­ter und Legachef Matteo Salvini inzwischen ganz offen, dass es mit der EU und dem Euro ohnehin „bald vorbei sein“werde.

Dennoch: Es handelt sich um Phänomene, die einzelne Mitgliedsl­änder betreffen, wenngleich zuletzt ein so wichtiges wie Italien. Aber im Ganzen gesehen zeichnet sich die politische Landschaft in Europa durch Vielfalt, durch inhaltlich­e Breite aus. Man kann das im Europäisch­en Parlament gut sehen. Acht Fraktionen, an die 150 Parteien aus 28 Ländern sind vertreten: von ganz links über grün, sozial-, christdemo­kratisch und liberal bis rechts D und ganz rechts. ie verstreute­n Rechtspopu­listen sind zwar laut und radikal im Reden, aber zahlenmäßi­g bescheiden. Sie stellen nicht mal hundert von 751 EU-Abgeordnet­en. Eine im Schnitt nach wie vor sehr große Mehrheit von zwei Dritteln der EUBürger „glaubt“auch nach wie vor, dass die EU sinnvoll, zum Nutzen aller ist. Das geht aus den regelmäßig­en Umfragen von Eurostat hervor. Tendenz sogar steigend, bedingt durch die Ängste vor den Folgen des Brexits.

Aber so wie schon vor zwei Jahren in den USA gibt es nun starke Anzeichen, dass der Schein trügt. Dass auch den Europäern auf der gesamteuro­päischen Ebene die politische Spaltung, eine Zertrümmer­ung der vielfältig­en Parteienla­ndschaft, vor allem das weitere Zerbröseln der politische­n Mitte, der Volksparte­ien droht – von Christdemo­kraten und Sozialdemo­kraten.

Das lässt sich bereits gut an den Vorbereitu­ngen der „Parteifami­lien“ auf die Europawahl 2019 ablesen. Der Wahlkampf dürfte fast ganz ins Fahrwasser einer bisher so noch nie dagewesene­n Polarisier­ung in zwei Lager geraten: in jene, die „Proeuropäe­r“sind, also für die Integratio­n, und in jene, die „diese EU“ablehnen, die sie mindestens zurückbaue­n, wenn nicht auflösen wollen. Die gängigen politische­n Kategorien, ob man eher für eine soziale oder ökologisch­e oder für eine liberale oder konservati­ve Gesellscha­ftspolitik steht, drohen dabei ins Hintertref­fen zu geraten.

Alle gegen rechts, lautet die Devise, bei den Grünen, den Roten, bei den Li- beralen und nun beim Parteikong­ress in Helsinki auch bei den Christdemo­kraten. Losgetrete­n hat diese Welle Präsident Emmanuel Macron, der mit seiner Bewegung „En Marche“die französisc­he Parteienla­ndschaft zertrümmer­te. Für ihn ist die Europawahl 2019 eine Entscheidu­ngsschlach­t zwischen denen, die für die liberale Demokratie stehen, und der „illiberale­n Demokratie“von Viktor Orbán.

Das ist nicht falsch, aber es birgt im vielfältig­en Parteieneu­ropa auch eine Gefahr: Von starker Polarisier­ung profitiere­n meist eher die Extremen, sprich die antieuropä­ischen Rechten.

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