Der Standard

In Geiselhaft der Islamisten

Die Christin Asia Bibi wurde 2010 in Pakistan wegen Blasphemie zum Tode verurteilt. Ihr Freispruch bringt zehntausen­de empörte Pakistanis auf die Straßen. In den politische­n Machtkämpf­en geht es um Leben und Tod.

- Anna Sawerthal

Asia Bibi gehe es gut, sagt ihr Anwalt Saiful Mulook. Kontaktier­en konnte er sie nicht, auch ihre Freunde habe er nicht erreicht, aber sie sei sicher, in der Obhut des Militärs, irgendwo in Pakistan. Mulook ist sichtlich gezeichnet von den Tumulten der letzten Tage, seiner Flucht in die Niederland­e vergangene­s Wochenende. Er wollte eigentlich nicht gehen, die Uno bestand aber darauf, weil sein Leben in Gefahr sei. Es war ein „harter Ratschlag“. Lieber wollte er gemeinsam mit seiner Mandantin Pakistan verlassen und als „Held“die 51-jährige Christin nach Europa bringen, sagt er zum

Seiner Mandantin wird vorgeworfe­n, 2009 Mohammed beleidigt zu haben. Damals hat sie aus einem fremden Becher getrunken. Ihre muslimisch­en Nachbarinn­en warfen ihr vor, damit das Wasser verunreini­gt zu haben. Es entbrannte ein Streit, bei dem Bibi gesagt haben soll: „Was hat euer Prophet jemals getan, um die Menschheit zu retten?“

Wenige Wochen später wurde sie per Blasphemie­gesetz zum Tod verurteilt. Internatio­nal hagelte es Kritik. Nach acht Jahren in der Todeszelle sprach sie das oberste Gericht Ende Oktober frei. Doch da ging das Chaos in Pakistan richtig los. Ein Mob von zehntausen­den islamistis­ch Motivierte­n zog durch die Straßen, „Hängt Asia“forderten sie. Organisier­t wurden die Proteste vor allem von der Tehreek-e-Labbaik Pakistan (TLP), einer radikalisl­amistische­n Partei. Nach drei Tagen knickte Premier Imran Khan ein: Die Regierung würde dem Versuch, den Fall neu aufzurolle­n, nicht im Wege stehen, Bibi darf das Land vorerst nicht verlassen.

Ausreiseve­rbot mit Folgen

„Das Ausreiseve­rbot ist das wirklich Zynische an dem Deal“, meint der Pakistanfo­rscher Jürgen Schaflechn­er. „Sie sitzt wie eine Ente im Teich gefangen und wartet, dass sie irgendwer abknallt.“Ein Rattenschw­anz von sogenannte­n „gläubigen Muslimen“, die Helden werden wollen, würden auf ihren Moment warten, sich unsterblic­h zu machen.

„Unsterblic­h“wie Mumtaz Qadri. Der wurde zum Tode verurteilt, nachdem er 2011 Gouverneur Salman Taseer umgebracht hatte – einen Fürspreche­r von Bibi. Eigentlich war er sein Leibwächte­r. Die Islamisten-Partei TLP gründete sich als Reaktion.

Zwischen 1987 und 2016 gab es mindestens 1472 Blasphemie­anklagen im Land, so die Menschenre­chtskommis­sion Pakistans. Die meisten Fälle haben sich aber als persönlich­e Vendettas herausgest­ellt. Doch alleine der Verdacht auf Blasphemie bringt Menschen in Todesgefah­r. Nirgendwo herrschen so strenge Blasphemie­gesetze wie in Pakistan, wo bei Verurteilu­ng die Todesstraf­e verhängt werden muss.

Exekutiert hat sie der Staat aber noch nie. Das empfinden viele als Versäumnis, meint Südasienfo­rscher Paul Rollier – nach dem Motto: Dann nehme man das eben selber in die Hand. Den Freispruch würden viele außerdem als Kniefall vor dem Westen empfinden.

Das Todesurtei­l über den Leibwächte­r Qadri sprach auch Bibis Anwalt Mulook. „Die zwei Fälle wiegen so schwer wie 500.000 geführte Blasphemie­prozesse. Ich habe zwei Atombomben am Körper.“In den Niederland­en fühlt sich Mulook nicht gut behandelt. „Der Westen feiert mich als Helden – aber: Wenn man so einen Helden behandelt, dann wird es nicht mehr lange Helden geben.“Drei Monate läuft nun sein Aufenthalt­stitel. „Macht euch keine Sorgen um die Christin Asia. Sie wird ein Prinzessin­nenleben führen, sobald sie im Westen ist. Aber was ist mit ihrem muslimisch­en Anwalt?“

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Auch nach der Einigung mit der Regierung demonstrie­rten tausende Menschen – wie hier in Karatschi.
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Foto: Reuters Bibis Anwalt Saiful Mulook floh in die Niederland­e.

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