Der Standard

Spion trotz Pension

Ein Offizier des Bundesheer­es soll über Jahre Informatio­nen an einen russischen Nachrichte­ndienst verkauft haben. Außenminis­terin Karin Kneissl sagt ihre Moskau-Reise ab. Die Beziehunge­n zu Russland stehen auf dem Prüfstand.

- Sebastian Fellner

Will man sich als österreich­ische Bundesregi­erung der medialen Aufmerksam­keit sicher sein, gibt es ein gelingsich­eres Rezept: eine sehr kurzfristi­g anberaumte Pressekonf­erenz zu einem ungewöhnli­ch frühen Zeitpunkt. Am besten in Kombinatio­n mit vorab veröffentl­ichten Hintergrün­den in der Kronen Zeitung. So geschehen am Freitag. Mit zweieinhal­b Stunden Vorlauf kündigten Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek (FPÖ) einen Termin für 8.30 Uhr an. Thema: ein Spionagefa­ll im Bundesheer. Schon frühmorgen­s berichtete die Krone online über einen „modernen ‚Oberst Redl‘“.

Kurz und Kunasek erklären dann den Fall: Ein 70-jähriger Offizier aus Salzburg soll 20 Jahre lang heeresinte­rne Informatio­nen an einen russischen Nachrichte­ndienst verkauft haben, auch noch fünf Jahre nach seiner Pensionie- rung. Ein „befreundet­er Nachrichte­ndienst“habe die Kollegen in Österreich informiert, erklärten Kurz und Kunasek. Nach Informatio­nen des stammte der brisante Hinweis von einem deutschen Dienst.

Seit Wochen bekannt

Laut Kunasek wisse man schon seit „einigen Wochen“vom Informatio­nsleck. Man habe nach dem Hinweis den Verdächtig­en ausgeforsc­ht und bereits „Gespräche“mit ihm geführt. Er sei voll geständig, 300.000 Euro hätten ihm die Russen für die Informatio­nen bezahlt, berichtet die Krone. Derzeit würden Laptops und andere technische Geräte überprüft. Mehr Details könne man derzeit wegen laufender Ermittlung­en nicht bekanntgeb­en.

Das Ministeriu­m zeigte den Pensionist­en bei der Staatsanwa­ltschaft Salzburg an. Die Behörde prüft auch einen Verstoß „in Richtung des Verbrechen­s des Verrats von Staatsgehe­imnissen“, wie es bei der Staatsanwa­ltschaft Salzburg heißt. Dem Offizier in Ruhe drohen damit bis zu zehn Jahre Haft – ob er sich in U-Haft befindet, gab die Staatsanwa­ltschaft nicht bekannt.

Der mutmaßlich­e Spionagefa­ll hat diplomatis­che Konsequenz­en. Außenminis­terin Karin Kneissl sagte ihre für Dezember geplante Russland-Reise ab und bestellte den Vertreter des russischen Botschafte­rs in Wien zu sich.

Österreich gilt als eines der letzten Länder in der Europäisch­en Union mit freundscha­ftlichen Beziehunge­n zu Russland (siehe Artikel unten). Das könnte sich nun ändern: Die nahezu freundscha­ftliche Beziehung zu Staatspräs­ident Wladimir Putin, der im August auch bei Kneissls Hochzeit in der Südsteierm­ark tanzte, dürfte einen Knacks erleiden. Kanzler Kurz stellte fest, Spionage sei „inakzep- tabel“: Sollte sich der Verdacht bestätigen – wovon der Bundeskanz­ler ausgeht –, werde dies das Verhältnis zwischen Russland und der EU nicht verbessern. Das weitere Vorgehen werde man mit den Partnern in der EU beraten, sagte Kurz. Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow wies die Vorwürfe verärgert zurück (Artikel rechts).

„Sicherheit­srisiko FPÖ“

In Österreich schießt sich die Opposition nun vor allem auf die FPÖ mit ihren traditione­ll guten Beziehunge­n zu Russland ein. Peter Pilz bezeichnet­e die Freiheitli­chen als „Sicherheit­srisiko“an sich und forderte Aufklärung im Rahmen des BVT-Untersuchu­ngsausschu­sses.

Der grüne EU-Abgeordnet­e Michel Reimon forderte die ÖVP zu „Konsequenz­en“auf, immerhin bestehe ein aufrechter Vertrag zwischen der FPÖ und Putins Partei Einiges Russland.

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