Der Standard

Ein Generalsek­retär mit Erinnerung­slücken

Der oberste Beamte im Innenminis­terium widerspric­ht zentralen Akteuren in der BVT-Affäre. Eine Analyse seines Auftritts zeigt rund 15 Antworten, die im Gegensatz zu anderen Aussagen stehen.

- Fabian Schmid

Der Generalsek­retär im Innenminis­terium nimmt die Welt anders wahr als seine Mitmensche­n. Das darf man zumindest mit einem Blick auf seine Aussage vor dem parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss feststelle­n. Während sich die Schlagzeil­en in den vergangene­n Tagen auf krasse Widersprüc­he zur Aussage von BVT-Chef Peter Gridling konzentrie­rten, zeigt eine Analyse von Goldgruber­s Auftritt, dass er rund 15-mal den Aussagen anderer Personen widersprac­h oder zugab, zuvor Falsches gesagt zu haben.

Am bedeutends­ten ist die Diskrepanz zwischen den Wahrneh- mungen von Gridling und Goldgruber. Letzterer bestreitet, den BVT-Chef nach verdeckten Ermittlern im Umfeld von Burschensc­haften gefragt zu haben. Gridling bleibt bei dieser Version, im

Interview (siehe unten) bekräftigt er sie sogar.

Doch Goldgruber stellte die Geschehnis­se nicht nur anders als Gridling dar, zu dem man ihm ein schlechtes Verhältnis attestiere­n kann, sondern auch anders als eine Kollegin, Zeugen und die Staatsanwa­ltschaft.

Die Diskrepanz­en im Detail:

Die Staatsanwä­ltin behauptete, Goldgruber habe bei ihr die ersten Zeugen angekündig­t. Goldgruber verneinte das zuerst, später gab er an, es sei ihm „nicht erinnerlic­h“.

Die Staatsanwä­ltin notierte, Goldgruber habe ihr gegenüber geäußert, er habe von Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) den Auftrag erhalten, im BVT „aufzuräume­n“. Das bestritt Goldgruber zuerst, dann gab er an, das sei ihm „nicht erinnerlic­h“.

EGS-Einsatzlei­ter Preiszler hat ausgesagt, dass Goldgruber ihm aufgetrage­n habe, eine Dokumentat­ion der Razzia zu vermeiden und Notizen alsbald zu vernichten. Das dementiert­e Goldgruber zuerst, Stunden später gab er an, dass Notizen „nicht in falsche Hände“gelangen sollten.

Die Staatsanwä­ltin gab an, dass Goldgruber bei ihr „als Anzeiger“auftrat, das sah der Generalsek­retär im Innenminis­terium nicht so.

Michaela Kardeis, Generaldir­ektorin für Öffentlich­e Sicherheit, sagte in einer Befragung aus, das Generalsek­retariat, also Goldgruber­s Stelle, habe ihr aufgetrage­n, disziplina­re Maßnahmen gegen die Extremismu­sreferatsl­eiterin G. einzuleite­n. Das dementiert­e Goldgruber, vielmehr sollten Maßnahmen „geprüft werden“.

Kardeis gab an, G. solle auch wegen der „Liederbuch-Causa Germania“disziplini­ert werden. Goldgruber bestritt, mit Kardeis darüber gesprochen zu haben.

Der Belastungs­zeuge W. gab an, dass Goldgruber ihm gesagt habe, er werde als Zeuge aussagen müssen. Laut Goldgruber war es „nicht Thema, ob er als Zeuge zur WKStA gehen wird“.

EGS-Einsatzlei­ter Preiszler gab an, mit Goldgruber zu einer Besprechun­g vor der Razzia gefahren zu sein. Goldgruber sah das an- ders, räumte dann ein, ihn vielleicht „ein Stück mitgenomme­n zu haben“.

Preiszler gab an, Goldgruber habe die Räumlichke­iten des BVT vorgestell­t; laut Goldgruber war das sein Mitarbeite­r Udo Lett.

In einem Interview im März gab Goldgruber an, die Namen der vier Belastungs­zeugen nicht zu kennen. Er wusste allerdings mindestens zwei. Goldgruber sagte nun, er habe „keine Auskunftsp­flicht“gegenüber Medien.

Goldgruber bestritt entgegen W.s Darstellun­g, ihn am 9. Februar von der Amtsversch­wiegenheit entbunden zu haben.

Goldgruber gab an, mit W. hauptsächl­ich über dessen geplante Karenzieru­ng gesprochen zu haben. Diese war bereits im Dezember genehmigt worden.

Goldgruber kann sich nicht erinnern, strafrecht­lich Relevantes beim Gespräch mit der Zeugin P. erkannt zu haben. Sie sagte, Goldgruber habe ihr gesagt, was sie erzähle, sei „eine Straftat“.

Goldgruber stellte Preiszler der Staatsanwä­ltin als EGS-Leiter vor, obwohl er das nicht war.

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Foto: APA / Hans Punz Peter Goldgruber überrascht­e bei seinem Auftritt vor dem U-Ausschuss mit zahlreiche­n Widersprüc­hen und Erinnerung­slücken.

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