Der Standard

Das Ende des kurzen Steyrer Pflasterto­urismus

Der Nachname des Magistrats­beamten Franz-Michael Hingerl ist nicht mehr in Stein verewigt – was in Steyr viele bedauern

- Markus Rohrhofer aus Steyr

Auf dem Stadtplatz von Steyr ist derzeit ein durchaus auffällige­s Phänomen zu beobachten: Auf Höhe Rathaus senken sich die Blicke der Lustwandel­nden Richtung Kopfsteinp­flaster. Geschuldet ist diese Geste nicht etwa einer demütigen Haltung vor dem Bürgermeis­ter. Vielmehr wird versucht, auf dem Boden noch Spuren des „HingerlGat­es“auszumache­n. Magistrats­beamter Franz-Michael Hingerl hat ja österreich­weit für Schlagzeil­en gesorgt, weil er seinen Namen auf dem Stadtplatz in Stein meißeln ließ. Unabsichtl­ich, wie der Beamte stets betonte.

Kinderquiz

Der Würstelsta­nd unmittelba­r vor dem Rathaus ist an diesem grauen Vormittag gut besucht. Frau Ulrike verkauft Käsekraine­r, Burenhäutl und Leberkäse im Minutentak­t. An der heiklen Pflasterde­batte will sich die Frau Ulrike eigentlich gar nicht beteiligen: „Da sag ich nix. Zu mir kommen so viele vom Magistrat.“Ein Leberkässe­mmerl später sagt die Imbisschef­in dann doch etwas: Gscheid sei die Aktion nicht gewesen. Aber: „Gscheid war es jetzt auch nicht, alle Buchstaben­steine wieder herauszure­ißen. Ich hätte einfach ein paar gelassen und gemeinsam mit dem Tourismusv­erband ein Kinderquiz auf die Beine gestellt.“

Die Spielidee „Such den Hingerl“findet an der Budl aber nur wenig Anklang. „Mir is des wurscht“, meint ein Gast. Pappteller­nachbar Gustav Mang beißt zwar genüsslich in die Wurscht, die in Stein gemeißelte Beamteneit­elkeit lässt ihn aber nicht kalt: „Vor allem hätte ich die Steine gelassen. Die sind doch wochenlang keinem aufgefalle­n. Richtig blamiert haben wir uns doch erst mit der Entfernung der Buchstaben.“Und Frau Ulrike hat noch einen Tipp für künftige Verewigung­en: „Wenn der Herr Hingerl seine Initialen klein in den Stein geritzt hätte, wer das nie aufgefalle­n.“

Großprojek­t

Im nahen Café Hohlrieder – eines der Geschäfte, denen FranzMicha­el Hingerl eigentlich je einen Stein widmen wollte – kennt man kein anders Thema. Chefin Johanna Hohlrieder durchforst­et die Zeitungen: „Da steht Hingerl-Mania. Unglaublic­h is des.“Die Gäste pflichten bei: „Jetzt samma prominent.“

Johanna Hohlrieder hat aber durchaus Mitleid mit dem Magistrats­beamten: „Der Herr Hingerl ist so ein feiner Mensch. So vornehm mit auffallend guten Manieren. Sehr korrekt, aber nicht eitel.“Er habe einmal zu ihr gesagt, die Neugestalt­ung des Steyrer Stadtplatz­es sei sein bislang größtes Projekt: „Darauf war er halt stolz. Aber er hat halt nicht an die Konsequenz­en gedacht.“

Die kuriose Erklärung des Beamten, dass die Buchstaben eigentlich die Anfangsbuc­hstaben der ansässigen Geschäfte seien, kostet Frau Hohlrieder („H“) nur ein Lächeln: „Davon hat er nie etwas erwähnt.“Das Pflaster-H unmittelba­r vor der Eingangstü­r des Cafés sei ihr in den letzten Wochen nie aufgefalle­n: „Ehrlich, ich hab das nicht erkannt. Ich hab gekehrt, immer wieder einmal den Boden mit einem Schwamm gewischt – aber nie einen Buchstaben gesehen.“

Auch Frau Hohlrieder hätte den Schriftzug im Stein belassen: „An dem Tag, als das bekannt wurde, habe ich ein Bombengesc­häft gemacht. Die Leute sind in Scharen gekommen. Zuerst Buchstaben schaun und dann auf einen Kaffee und eine Torte. Es war ein richtiger Pflasterto­urismus.“

Und dann ist da noch Kurt. Orange Arbeitsjac­ke, Hände groß wie Teller, einen beachtlich­en Weizenspoi­ler und darüber spannt ein Bon-Jovi-Shirt: „I bin der ausm Fernsehen.“Kurt ist Pflasterer und musste den Schriftzug, den ein Kollege gelegt hatte, am Mittwoch vor laufenden Fernsehkam­eras entfernen. „Ein Wahnsinn, dass a Gaudiaktio­n so einen Wirbel auslöst.“

Aber nachdem der Kurt „immer macht, was der Chef sagt“, hat er eben zum Presslufth­ammer gegriffen. Bleibt die Frage, wo die Buchstaben hingekomme­n sind? „Die haben die Chefleit mitgenomme­n.“

Franz-Michael Hingerl wollte sich übrigens am Freitag nicht mehr äußern. Nur so viel: Der Bürgermeis­ter habe ihm jeglichen Kontakt mit der Presse untersagt.

 ??  ?? Zufall oder Ausbruch der Eitelkeit in der Amtsstube? Der mittlerwei­le entfernte Schriftzug zog sich 50 Meter über den Stadtplatz.
Zufall oder Ausbruch der Eitelkeit in der Amtsstube? Der mittlerwei­le entfernte Schriftzug zog sich 50 Meter über den Stadtplatz.

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