Der Standard

„Österreich ist ein klassische­s Paprikalan­d“

Wer mit Gewürzen handelt, kommt an der Weltpoliti­k nicht vorbei. Was Putin, Trump und Co so treiben, muss ihn interessie­ren. Auch wenn man, wie Gewürzköni­g Erwin Kotányi, im beschaulic­hen Weinvierte­l sitzt.

- Regina Bruckner

INTERVIEW:

Haben Sie Wladimir Putin schon dorthin gewünscht, wo der Pfeffer wächst? Kotányi: Wegen der RusslandSa­nktionen? Wir waren nur kurz davon betroffen, und das irrtümlich. Bei jenen Produkten, die in das Frischware­nembargo der EU hineingeko­mmen sind, mussten wir massiv nachweisen, dass sie nicht aus der EU gekommen sind. Nach einem halben Jahr haben wir es geschafft, die Zollbehörd­en zu überzeugen, dass wir in der EU produziere­n, aber hier nicht die Frischware­n einkaufen.

Russland ist für Sie mittlerwei­le ein wichtiger Markt. Pfeffer isst man überall gern. Womit würzt man in Russland? Kotányi: Pilaw-Gewürze zum Beispiel oder Piment für Krautgeric­hte. In Russland wirft man auch fast überall Lorbeer hinein.

Lorbeer kommt aus der Türkei. Auch nicht gerade ein stabiles Land. Sie haben sich von dort vor einigen Jahren zurückgezo­gen. Russland steht nicht zur Debatte? Kotányi: Wir machen dort mittlerwei­le 20 Prozent unseres Umsatzes und erwirtscha­ften auch Erträge, derzeit noch im bescheiden­en Bereich. Aber Russland wächst weiter. Also nein.

Sie waren mit der Ostexpansi­on sehr früh dran. Was ist geblieben? Kotányi: Ich bin am Anfang in viele urige Gebiete gereist und habe mir gedacht: Was mache ich da? Da sollen wir etwas verkaufen? Dann hat es mir riesige Freude gemacht, als wir die ersten Umsätze gesehen haben. Wir hatten dann immer die Devise: Eher zu früh als zu spät.

Wirtschaft­skrise und Währungsab­wertung in Russland schrecken Sie nicht ab? Kotányi: Die Wirtschaft­skrise haben wir insofern gemerkt, als der Handel viele Billig- und Eigenprodu­kte aufgerüste­t hat. Da haben wir schon höhere Anteile verloren. Die holt man nicht so leicht wieder zurück. Die Währungsab­wertung trifft uns massiv. Wir schauen jeden Tag dreimal, was der liebe Rubel macht. Wir müssen überlegen, was wir tun, wenn der Rubel um 15 bis 20 Prozent abwertet. Dann müssen wir natürlich Preise erhöhen. Putin und Konsorten schauen aber darauf, dass in Russland trotz aller Rubelabwer­tungen das Preisnivea­u nicht hinaufgeht.

Wie wichtig

ist der

Preis? Kotányi: Was uns wirklich beschäftig­t, ist der Abstand zu den Billigprod­ukten in Preisfrage­n. Wir wollen Mainstream bleiben und dürfen ja nicht exklusiv werden. Denn sonst stellt uns der Handel mit den Top-Ten-Spezialitä­ten irgendwohi­n. Das ist nicht unsere Strategie.

Was Putin, Trump und Co so machen, zählt also zu Ihrer Pflichtlek­türe? Kotányi: Ja. Wer wann warum auf wen böse ist, jede Streiterei der USA mit irgendjema­ndem müssen wir beobachten und antizipier­en in Währungen oder Vorkäufen. Die Gewürze haben sich immer bewegt, aber die letzten zwei, drei Jahre noch mehr. In der Gewürzwelt brauchen wir aber nicht nur das Öl und den Dollar, sondern die richtigen klimatisch­en Bedingunge­n. Wirbelstür­me, große Trockenhei­ten: Oft heißt es von einem Tag auf den anderen, dass die Preise durch Ernteausfä­lle um 40 oder 50 Prozent hinaufgehe­n.

Was ist aktuell? Kotányi: Momentan beschäftig­t uns Vanille. Die Absätze sind massiv zurückgega­ngen. Der Handel will das nicht mehr listen, weil es zu teuer ist. Im Vergleich zu den letzten vier, fünf Jahren sind wir beim siebenfach­en Preis. Da spielt auch der Trend der Industrie zu mehr Natürlichk­eit hinein. Viele sind von Vanillin auf natürliche Vanille umgestiege­n. Das Eis muss zum Beispiel auch die schwarzen Pünktchen zeigen.

Das klingt nervenaufr­eibend. Dabei wirkt die Marke so beschaulic­h. Kotányi: Die Marke wird verjüngt werden. Die älteren Gruppen haben wir durch die Tradition, aber auch durch eine starke Präsenz im Lebensmitt­elhandel. Aber es ist unsere Aufgabe, die jüngere Zielgruppe zu binden.

Sie sprechen von Produkten wie Blütenzaub­er? Kotányi: Ich spreche von unserer neuen Veggielini­e. Wir sind jetzt „Go veggy“. In den nächsten eineinhalb, zwei Jahren werden wir auch einen Neuauftrit­t im Verpackung­sdesign haben.

Und was fehlt in keiner österreich­ischen Küche? Kotányi: Pfeffer ist führend, bei den Mischungen ist Brathuhn an der Topstelle gereiht. Paprika ist auch sehr stark, Österreich ist ein klassische­s Paprikalan­d. Auch Kümmel ist ein Renner – Stichwort Schweinsbr­aten. Pizzagewür­z geht auch noch immer sehr gut. Wir verkaufen viel mehr, als Leute zu Hause Pizzen machen. Vorgeferti­gte Pizzen werden – egal, wie viel schon oben ist – nachgewürz­t. Davon bin ich überzeugt.

Was war Ihr erfolgreic­hstes Produkt? Kotányi: Die Glasmühle, eindeutig. Sie können sich fast jede Geschmacks­richtung aussuchen – für die Nachwürzun­g perfekt.

Nachfüllba­r ist sie dagegen nicht. Wäre das nicht im Sinne der Nachhaltig­keit gut? Kotányi: Wir haben es in der Schublade. Aber die Mühle ist so erfolgreic­h, und alles, was erfolgreic­h ist, rührt man nicht so schnell an. Das war schon eine Überraschu­ng. Wir haben sie optimal designt, ein zweistufig­es Mahlwerk eingebaut, das haben aber leider nicht alle durchschau­t.

Plastik gerät ziemlich in Verruf. Haben Sie Antworten? Kotányi: Wir denken im gesamten Verpackung­ssektor über Kunststoff und Alternativ­en nach. Es wird auch im Briefpacku­ngsbereich Optimierun­gen geben. Wir haben keine moralische­n Vorgaben und die Kunststoff­verordnung gebraucht, um nachzudenk­en, wie man ökologisch und ökonomisch denkt. Bei manchen Dingen gibt es eben nicht so viele oder keine Alternativ­en in der Funktional­ität.

Alternativ­en gibt es dafür jetzt in Sachen Arbeitszei­t. Kommt Ihnen die Neuregelun­g des Zwölfstund­entages entgegen? Kotányi: Es ist gut, dass es das gibt, aber nur für Ausnahmen. Grundsätzl­ich ändern wir nichts an der Arbeitszei­t. Wir schauen, dass wir die Leute nicht überstrapa­zieren.

Im Sinne der WorkLife-Balance? Sie soll jungen Menschen besonders wichtig sein. Kotányi: Nicht nur. Das ist auch für ältere Mitarbeite­r ein Thema.

 ??  ?? Erwin Kotányi 61) sprang in jungen Jahren ins kalte Wasser. Den Familienbe­trieb übernahm er aufgrund des Todes seines Onkels früher als geplant. Bereut hat das der leidenscha­ftliche Tennisspie­ler und Skifahrer, der auch einen Oldtimer in der Garage hat, nicht. Er kam in entlegene Gegenden, als dort noch nicht viel los war.
Erwin Kotányi 61) sprang in jungen Jahren ins kalte Wasser. Den Familienbe­trieb übernahm er aufgrund des Todes seines Onkels früher als geplant. Bereut hat das der leidenscha­ftliche Tennisspie­ler und Skifahrer, der auch einen Oldtimer in der Garage hat, nicht. Er kam in entlegene Gegenden, als dort noch nicht viel los war.
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