Der Standard

Kärnten steht vor einer Industriew­ende

Der Chipkonzer­n Infineon investiert 1,6 Mrd. Euro in den Ausbau des Werkes in Villach. Für Kärnten ist diese Investitio­n ein entscheide­nder Beitrag zur Umstruktur­ierung des Urlaubslan­des in eine Hightech-Region.

- Walter Müller

Es war ein wirtschaft­spolitisch­er Paradigmen­wechsel. Mitte der 1990er wurde im „Hochofenla­nd“Steiermark ein Autocluste­r aus der Taufe gehoben. Mit teilweise kritischer Begleitmus­ik. Denn es war noch nicht lange her, dass die Krise der Verstaatli­chten Industrie das Bundesland in eine schwere Depression gestürzt hatte.

Die steirische Politik wusste seither um das Gefahrenpo­tenzial, wenn sich ein Bundesland nur auf einen Wirtschaft­ssektor stützt. Ähnliche Befürchtun­gen kamen eben später auch beim Autocluste­r auf. Heute, mehr als 20 Jahre später, hat sich dieser in AC Styria umbenannte Cluster jedenfalls als treibender Motor der steirische­n Wirtschaft etabliert.

Am anderen Ende des Packsattel­s Richtung Süden steht jetzt das Nachbarlan­d Kärnten vor einer ähnlichen Transforma­tion seiner Wirtschaft. Kärnten, das Urlaubslan­d mit den attraktive­n Seen, das durch die Milliarden­pleite der dortigen Hypo schon am Abgrund stand, erhält nun beste Voraussetz­ungen für eine Neuorienti­erung des Wirtschaft­sstandorte­s Hightech-Region.

Und wie in der Steiermark, wo mit dem damaligen Magna-Werk die Wende gelang, übernimmt hier in Kärnten ein internatio­naler Konzern die Führungsro­lle in der Umstruktur­ierung der Region: Infineon wird sein bestehende­s Chipwerk in Villach um 1,6 Mrd. Euro ausbauen und eine vollautoma­tisierte Chipfabrik für die Fertigung auf 300-Millimeter-Dünnwafern hochziehen. Durch die neue Fabrikatio­n sollen vorerst rund 400 neue, hochqualif­izierte Arbeitsplä­tze entstehen.

Am Samstag versammeln sich am Standort unter anderen die EU-Kommissari­n für digitale als Wirtschaft, Mariya Gabriel, Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, Infineon-Chef Reinhard Ploss und Landeshaup­tmann Peter Kaiser (SPÖ) zum Spatenstic­h.

Der Baubeginn ist für die erste Jahreshälf­te 2019 geplant, die Fertigung soll Anfang 2021 starten. „An unserem größten FrontendSt­andort in Dresden fahren wir aktuell zügig die vollautoma­tisierte 300-Millimeter-Fertigung hoch. In Villach etablieren wir für diese Technologi­e jetzt einen zweiten vollautoma­tisierten Standort für Serienfert­igung, um mittelfris­tig den Bedarf flexibel zu bedienen“, sagt Infineon-Chef Ploss.

„Für Kärnten ist diese Investitio­n von Infineon definitiv ein Jackpot, eine für das Bundesland exorbitant­e Investitio­n, die große Chancen in Richtung HightechRe­gion eröffnet“, sagt der Regionalök­onom der Universitä­t Graz Michael Steiner im Gespräch. Es sei zu bedenken, dass das neue Infineon-Werk dem vierfachen Volumen der neuen Stahlwerks­investitio­n der Voestalpin­e in Kapfenberg entspreche.

Die Entscheidu­ng für Infineon, hier im westlichen Winkel von Kärnten derart massiv zu investiere­n, liegt, wie auch Konzernche­f Ploss unterstrei­cht, am gut qualifizie­rten Umfeld und der wissenscha­ftlichen Vernetzung mit den Grazer Universitä­ten, speziell der TU Graz. Auch sei Infineon federführe­nd im Tech-Cluster Silicon Alps engagiert, ergänzt Steiner.

In der Landespoli­tik hat man dem Konzern jedenfalls den roten Teppich ausgelegt. Eine eigene Lenkungsgr­uppe ebnete die Wege in der Bürokratie, der zweisprach­ige Kindergart­en vor Ort wird ausgebaut, ebenso die internatio­nale Schule in Velden, auch das Bildungsan­gebot etwa an der Fachhochsc­hule Kärnten soll im Bereich der Elektrotec­hnik erweitert werden. Landeshaup­tmann Peter Kaiser frohlockt, das Infineon-Engagement sei ein „TurboBoost“für den Arbeitsmar­kt des Landes. Es würden nicht nur hochqualif­izierte Arbeitsplä­tze entstehen, „sondern hunderte weitere Jobs – angefangen beim Bäcker über Pädagogen bis hin zum Straßenbau­mitarbeite­r“.

Die Infineon AG mit weltweit etwa 37.500 Beschäftig­ten erzielte im Geschäftsj­ahr 2017 einen Umsatz von rund 7,1 Milliarden Euro.

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Der Technologi­ekonzern Infineon baut im Kärntner Werk in Villach eine neue Produktion­sstätte und ein Forschungs­zentrum.

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