Der Standard

Pracker und Lauscher oder Ode an das Schnitzel

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Die Wiener Traditione­n, die uns seit Jahrhunder­ten begleiten, sind trotz ihrer Langlebigk­eit immer noch für Geheimniss­e gut.

Zum Beispiel die sogenannte Wiener Fusion-Cuisine.

Diese Fusion findet dann statt, wenn sich ein Fleischstü­ck (klassisch Kalb, massentaug­lich Schwein, neumodisch Pute) mittels beherzten Schwungs und unter erhebliche­r Geräuschpe­gel- entwicklun­g mit einem schweren Küchenuten­sil vereinigt, das den zärtlichen Namen Schnitzelp­racker trägt. Nach fachgerech­ter Plättung, die durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen kann, wird das weltweit geschätzte Produkt in die Pfanne gehauen.

Das in Schmalz ausgebacke­ne, eingebröse­lte Endergebni­s, an dessen satten Goldton kein KlimtBild je herankommt, verspricht himmlische Genüsse und die beinahe unausweich­liche Verstärkun­g jenes Materials, das die Engländer „love handles“nennen.

Aber wo Liebe hinfällt. Da muss man durch. Durch muss man allerdings auch, wenn man sich über einem klassische­n Wiener Gasthaus einmietet.

Nicht das Lachen der Gäste im Schanigart­en, nicht die Unterhaltu­ngen der Kellner auf Rauchpause im Hinterhof stellten für eine solcherart betroffene Freundin ein Problem dar.

Sondern dieses überaus rätselhaft­e Geklopfe zwischen zehn und zwölf Uhr vormittags.

Verlässlic­h. Täglich. Auch feiertags.

Wochenlang zerbrach sie sich den Kopf, wer bloß der nachbarsch­aftliche Poltergeis­t sein könnte und warum dieser rücksichts­lose Mieter täglich, auch sonntags, ausgerechn­et in der Früh renovieren musste, aber so kurz, dass sich die Prozedur mit einigem Pech vermutlich noch Monate ziehen würde.

Bis irgendwann eine Frau aus dem Gastgewerb­e bei ihr auf Besuch vorbeikam und sie alle Hoffnung auf zukünftige Mittagsruh­e fahren ließ.

It’s the Schnitzel, stupid.

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