„Wichtig, dass es Frauen wie mich gibt“
Am Montag wirft Netta Barzilai in Wien den Voice-Looper an, mit dem sie im Mai den Eurovision Song Contest für Israel gewann. Seither verbreitet sie die Botschaft der Liebe – mit der Option auf tägliche Big Macs.
INTERVIEW: Es gibt mindestens zwei Typen, bei denen Netta Barzilai willenloses Spielzeug wird: Harry Potter und Conchita Wurst. An Ersterem liebt sie das Magische, Letztere ist der Grund, warum die Siegerin des Eurovision Song Contest 2018 ihre Tournee am 12. November in der Grellen Forelle in Wien beginnt. Conchita, „mein Mädchen“, habe sie ermutigt, sagt die stolze Israelin, die mit Voice-Looper, Stimmakrobatik und klarer Botschaft (I’m not your toy, you stupid boy) völlig zu Recht die Mutter aller Castingshows für sich entscheiden konnte. erreichte Netta am Telefon und holte sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Zum Glück nur kurz.
In der österreichischen Zeitung „Die Presse“hat ein ehemaliger Chefredakteur über Sie geschrieben: „Sie war hässlich. Sie war dick. Sie war jenseits aller Ideen zuwider. Sie war abgrundtief schiach.“Was sagen Sie dazu? Barzilai: Ich wünsche diesem Menschen alles Gute.
Der Autor ist leider in der Zwischenzeit verstorben. Barzilai: Das tut mir leid. Dann ist es aber nicht sehr fair, mich mit dieser Person zu konfrontieren, oder?
Nicht mit der Person, mit den Argumenten … Barzilai: Sind das Argumente? Es ist nur angriffig.
Er wollte sagen, es sei sehr einfach, manchen Leuten zu gefallen, es reicht, einfach anders zu sein. Barzilai: Ich denke, jeder hat seine Meinung, und eine Meinung ist wie ein Arschloch: Jeder hat eins. Ich habe mit meinem Talent gewonnen und mit nichts anderem. Der Umstand, dass ich so perfekt und mit meinem Aussehen so einverstanden war, machte diesen Auftritt so stark. Ich kann über solche Aussagen nur lachen. Es ist wichtig, dass es Frauen wie mich gibt.
Haben Sie Erfahrungen mit Hasspostings? Barzilai: Ich würde lieber über die Liebe sprechen, die ich nach dem Song Contest empfangen durfte. Ich bekam bergeweise Briefe von Buben und Mädchen. Ich habe sie glücklicher gemacht, und sie gehen mit erhobeneren Köpfen in die Schule. Es geht um so viel mehr als nur um meinen Look. Natürlich habe ich auch Hasspostings bekommen, manche Menschen fürchten sich vor jenen, die anders sind, die nicht in eine Schublade passen.
Woran liegt das? Barzilai: Es ist ein Medienproblem. Wir sehen nur eine Art von Schönheit, nur eine Farbe, eine Größe. In Israel ist die Durchschnittsgröße für Frauenbekleidung 42, aber die meisten Stücke gehen bis maximal 44. Mein ganzes Leben wurde mir gesagt, wie ich glücklich werden kann. Mach eine Diät, nimm ab, nur dann kannst du er- folgreich sein, einen guten Job haben und einen Freund kriegen. Sorry, aber das ist so eine Scheiße! Es geht darum, dass du dich liebst und cool bist.
Im Mai 2018 haben Sie den Song Contest gewonnen. Was ist seither passiert? Barzilai: Mein Leben änderte sich komplett nach dem Song Contest. Ich bin in der ganzen Welt unterwegs, um meine Botschaft der Liebe zu verbreiten. Ich wusste nicht, welche Dimensionen dieser Wettbewerb hat. Ich war ein großer Fan, aber jetzt bin ich besessen.
Was bringt der Song Contest finanziell? Könnten Sie sich zur Ruhe setzen? Barzilai: Noch nicht. Da naschen eine Menge Menschen mit an diesem Kuchen. Es gibt eine Menge Investitionen. Ich bin eine Geschäftsfrau geworden. Im ganzen Jahr 2017 blieben genau 1000 Dollar für mich – gerade genug, um täglich einen Big Mac zu kaufen.
Welche Rolle werden Sie beim Song Contest 2019 in Tel Aviv spielen? Barzilai: Ich würde große Probleme kriegen, wenn ich das verrate.
Moderieren zum Beispiel – wie Conchita? Barzilai: Ich wäre keine gute Moderatorin. Aber Conchita ist der Grund, warum ich meine Tournee in Wien starte. Conchita ist seit Dana (1998, Anm.) die einzige Gewinnerin, die wirklich Konventionen durchbrochen hat.
Werden Sie sie treffen? Barzilai: Ich hoffe es sehr und möchte es hiermit auch kundtun: Sagt meinem Mädchen, ich möchte es gerne treffen!
NETTA BARZILAI (25) tritt am 12. November in Wien in der Grellen Forelle auf. Sie stammt aus Tel Aviv, ist Sängerin und DJ. Beim 64. Eurovision Song Contest von 14. bis 18. Mai 2019 in Tel Aviv ist sie auf jeden Fall – in einer noch nicht näher bekannten Form – dabei. p Mehr auf derStandard.at/Etat