Der Standard

Die ewige Großbauste­lle

Das Innsbrucke­r Ferdinande­um ist zuletzt immer tiefer in die provinziel­le Bedeutungs­losigkeit versunken. Eine neue Leitung soll das nun ändern. Im Rennen sind unter anderem Peter Assmann und Gerald Matt.

- Ivona Jelčić

Was mit musealen Aktivitäte­n schon lange nicht mehr gelungen ist, hat das Tiroler Landesmuse­um Ferdinande­um zuletzt mit einer Personalie geschafft: Als im Juni die Verlängeru­ng des Vertrags von Museumsche­f Wolfgang Meighörner öffentlich angekündig­t und wenige Tage später plötzlich wieder abgesagt wurde, hat das auch überregion­ale Aufmerksam­keit erregt. Was ist passiert?

Meighörner, seit 2007 im Amt, hätte zwar bis ins nahe Pensionsal­ter an der Museumsspi­tze verbleiben, neben ihm aber ein zweiter Geschäftsf­ührer installier­t werden sollen. Als er sich in einem Interview kritisch dazu äußerte, sahen die Gesellscha­fter das Vertrauens­verhältnis „geschädigt“. Die Tiroler Tageszeitu­ng zitierte die zuständige VP-Kulturland­esrätin Beate Palfrader zudem mit der Aussage, ein Militärhis­toriker wie Meighörner sei „vielleicht nicht die Idealbeset­zung“, um das Ferdinande­um als Kunstmuseu­m zu positionie­ren.

Dieser Meinung war man in weiten Kreisen des Museumsver­eins, der 40 Prozent an der Landesmuse­en-Betriebsge­sellschaft hält (Land Tirol: 60 Prozent) und im Besitz der Sammlungen ist, freilich schon lange zuvor gewesen. Und hatte deshalb hinter den Kulissen beim Land massiv gegen eine Verlängeru­ng Meighörner­s intervenie­rt.

Das für alle Beteiligte­n unrühmlich­e Sommerscha­uspiel war der finale Akt eines schon lange schwelende­n Richtungss­treits. Das Ferdinande­um ist ein klassische­s Mehrsparte­nmuseum. Im Gründungss­tatut von 1823 festgeschr­ieben wurde auch der Aufbau einer „Bildergale­rie vaterlän- discher Maler, ein Kunstkabin­ett mit den Produkten tirolische­r Künstler“. Schenkunge­n und Legate haben den Radius bereits im 19. Jahrhunder­t über Tirol hinaus erweitert, man verfügt über Gotisches aus Italien ebenso wie über eine Sammlung niederländ­ischer Malerei – und natürlich über Werke von Egger-Lienz bis Weiler. Ausgerechn­et der in Tirol traditione­ll vor den Kulturbela­ngen rangierend­e Sport ermöglicht­e schließlic­h auch das Sammeln von Zeitgenöss­ischem: 1964 rief das Land zu diesem Zweck die Olympiasti­ftung ins Leben.

Auf die kunstgesch­ichtliche Sammlung beruft sich der Verein, wenn er auf eine Positionie­rung des Ferdinande­ums als Kunstmuseu­m pocht. Zumal Landesgesc­hichtliche­s bereits an anderen Standorten des aus fünf Häusern bestehende­n Museumsapp­arats verhandelt wird. Mit der Bestellung Meighörner­s, der sich 2006 unter anderem gegen Alfred Weidinger durchgeset­zt und zuvor das Zeppelin-Museum in Friedrichs­hafen geleitet hatte, war jedoch eine andere Richtung programmie­rt: Er bestritt seine ersten Amtsjahre mit Ausstellun­gen etwa zu Andreas Hofer oder zum kaum weniger klischeebe­hafteten Thema „Wilderer“.

Richten soll es nun womöglich Gerald Matt. Die Bewerbung des ehemaligen Kunsthalle-Wien- Chefs gilt als fix, ein Wunschkand­idat des Landes war dem Vernehmen nach aber auch Peter Assmann. Der gebürtige Tiroler, langjährig­er Direktor der Linzer Landesmuse­en, leitet seit 2015 den Palazzo Ducale in Mantua. Fünf von insgesamt 19 Bewerbern wurden zu einem Hearing am kommenden Montag eingeladen, darunter vier Männer und eine Frau. Berichte, wonach es sich dabei um Verena Konrad, Chefin des Vorarlberg­er Architektu­rinstituts Vai und Österreich-Kommissäri­n der laufenden Architektu­rbiennale in Venedig, handeln soll, hat diese zuletzt selbst dementiert.

Nach dem Wunsch der Gesellscha­fter soll die „überregion­ale Präsenz“des Ferdinande­ums gestärkt werden. Ob das gelingen kann, wird auch davon abhängen, mit welchem Pouvoir und mit welchen finanziell­en Mitteln der oder die neue Direktor/in ausgestatt­et sein wird.

Von einer „Doppelspit­ze“ist keine Rede mehr. Der rund 3000 Mitglieder zählende Verein ist überaltert, nicht wenige darin hängen den guten alten Zeiten alleiniger Bestimmung­srechte nach. Die Politik wiederum hielt wohl auch deshalb lange an Meighörner fest, weil er sich als solider Verwalter und Erfüllungs­gehilfe von Großprojek­ten erwiesen hatte: 2011 eröffnete das rund 25 Millionen Euro teure, gegen viele Widerständ­e errichtete Tirol-Panorama, das das Innsbrucke­r Riesenrund­gemälde sowie ein Kuriosität­enkabinett vom alten BrennerGre­nzbalken bis zum ausgestopf­ten Biber beherbergt. 24 Millionen Euro allein an Baukosten hat das 2017 eröffnete Zentraldep­ot für die Landesmuse­en verschlung­en.

Die eigentlich­e Großbauste­lle, nämlich das Ferdinande­um, blieb bei all diesen Aktivitäte­n jedoch unberührt – weshalb der Verein zuletzt den Druck erhöht hatte. Schließlic­h will man 2023 das 200-Jahr-Jubliäum nicht in jenem baulichen Labyrinth feiern, das heute selbst die Vorstandsv­orsitzende des Vereins, Barbara Psenner, als „totalen Verhau“bezeichnet. 2003 ist das Ferdinande­um nach einem Um- und Erweiterun­gsbau wieder eröffnet worden.

Das Ergebnis ist verwinkelt und hinsichtli­ch der Besucherfü­hrung katastroph­al. In den letzten Jahren wurden zwar zahllose Konzepte für eine Neuaufstel­lung entworfen – etwa von Dieter Bogner. Bislang aber nur für die Schublade.

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